Zeitleiste Anne Frank

34 wichtige Ereignisse vor, während und nach Anne Franks Leben in der Zeit von 1914 bis 1960

    Ermordung des österreichischen Thronfolgers: Der Erste Weltkrieg bricht aus

    28. Juni 1914 Sarajevo

    In Sarajevo ermorden serbische Nationalisten Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie. Als die beiden die Stadt besuchen, feuert der bosnisch-serbische Attentäter Gavrilo Princip zwei tödliche Schüsse auf sie ab.

    Daraufhin stellt Österreich-Ungarn Serbien ein Ultimatum. Sollte Serbien die darin aufgeführten Bedingungen nicht erfüllen, wird Österreich-Ungarns Armee in Serbien einrücken. Die Serben akzeptieren die Forderungen mit einer Ausnahme. Sie wollen die geforderte Untersuchung des Mordes selbst übernehmen, ohne die Einmischung österreichisch-ungarischer Vertreter. Österreich-Ungarn ist damit nicht einverstanden und erklärt am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg.

    Dass die Krise zu einem Weltkrieg führt, liegt unter anderem an den Bündnissen zwischen den europäischen Ländern. Da die Staaten untereinander Verträge über militärische Hilfe im Kriegsfall geschlossen haben, bilden sich zwei Lager: Die Mittelmächte (Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich) gegenüber der Entente (Frankreich, Russland und Großbritannien).

    Beide Lager erwarten einen kurzen Krieg. Das erweist sich als Irrtum. Der Erste Weltkrieg wird vier Jahre dauern. Millionen Soldaten aus der ganzen Welt kommen ums Leben.

    Otto Frank im Ersten Weltkrieg

    6. August 1915 Deutschland

    Im August 1915 tritt Otto Frank in die deutsche Armee ein. Er absolviert eine Ausbildung zum Kanonier. Ab Herbst 1915 ist er an der Westfront stationiert. Er gehört einem Lichtmesstrupp an. Das ist eine Einheit, die den Standort gegnerischer Geschütze erkennt und berechnet und Informationen über die Flugbahn von Geschossen an die Artillerie weiterleitet.

    Er nimmt 1916 an der Schlacht an der Somme teil, wo fast eine halbe Million deutsche Soldaten fallen. Ein Jahr später wird Otto zum Unteroffizier befördert und im Jahr darauf zum Leutnant der Reserve.

    Auch Ottos Brüder Herbert und Robert sind in der deutschen Armee. Ihre Mutter Alice Frank-Stern und Schwester Leni Frank arbeiten als Krankenschwestern in einem Lazarett.

    Fritz Pfeffer im Militärdienst

    1. Dezember 1916 Deutschland

    Fritz Pfeffer ist von August 1914 bis Dezember 1918 Unteroffizier in der deutschen Armee. Er nimmt an Schlachten in der Ukraine, Weißrussland und Lettland, aber auch in Frankreich teil. Für seine Verdienste erhält er einen Militärorden.

    Die russische Revolution: Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich

    7. November 1917 Petrograd (St. Petersburg)

    In Russland ist es im Frühjahr 1917 sehr unruhig. Das Land ist kriegsmüde und es herrscht Hunger. Im März  dankt Zar Nikolaus II. nach tagelangen Protesten ab. Ein halbes Jahr später verüben die Kommunisten unter der Leitung von Wladimir Lenin einen Staatsstreich. Dieser Umsturz wird als Oktoberrevolution bezeichnet. Die Kommunisten werden aufgrund ihrer Losung „Frieden, Land und Brot“ von einem Teil der Bevölkerung unterstützt. Die Provisorische Regierung wird abgesetzt.

    Um ihr Friedensversprechen zu erfüllen, müssen die Kommunisten den Krieg mit Deutschland beenden. Lenin schickt seinen engsten Mitarbeiter Leo Trotzki im Dezember 1917 nach Brest-Litowsk (im heutigen Weißrussland), um mit den Deutschen zu verhandeln. Die deutsche Delegation stimmt am 3. März 1918 einem Waffenstillstand zu; im Gegenzug verzichten die Russen auf große Gebiete ihres Territoriums. Die Deutschen brauchen nun nicht mehr an zwei Fronten zu kämpfen, aber viele deutsche Truppeneinheiten müssen trotzdem noch im Osten bleiben, weil dort die Lage nach wie vor sehr unruhig ist.

    Deutschland verliert den Krieg: Proteste gegen den Versailler Vertrag

    15. Mai 1919 Berlin

    Als der Erste Weltkrieg 1918 endet, beginnen in Paris Friedensverhandlungen. Deutschland wird zum Hauptverantwortlichen für den verheerenden Krieg erklärt. Diese Vereinbarungen stehen im Friedensvertrag von Versaille, genannt nach dem Schloss, in dem die Vertreter der Länder den Vertrag unterschreiben.

    Der Versailler Vertrag stößt bei der deutschen Bevölkerung auf wütende Ablehnung. Deutschland muss nämlich einen enorm hohen Betrag als Schadensersatz an die Länder zahlen, gegen die es gekämpft hat. Außerdem wollen Frankreich, Großbritannien und die USA verhindern, dass Deutschland erneut stark genug wird, um einen Krieg anzufangen. Deutschland darf nur noch eine kleinere Armee besitzen.

    Deutschland muss auch Gebiete abtreten. Frankreich erhält Elsass-Lothringen und die Kohlegruben im Saargebiet. Das Rheinland darf Deutschland behalten, dort aber keine Soldaten stationieren. Die deutsche Verwaltung im Rheinland wird ersetzt durch eine Verwaltung von Großbritannien und Frankreich - den ältesten Feinden Deutschlands. Im Osten verliert Deutschland ein großes Gebiet. Es wird ein Teil von Polen, das auch Land von Russland und Österreich-Ungarn bekommt. Außerdem verliert Deutschland seine Kolonien in Afrika und Asien.

    Die Deutschen meinen, zu Unrecht die Schuld am Krieg bekommen zu haben. Den Verlust von Gebieten sehen sie als Demütigung. Die immens hohen Reparationszahlungen führen außerdem zu großer Armut im Land.

    Armut und Hunger in Wien: Miep Gies kommt in die Niederlande

    1. Dezember 1920 Wien

    Im Dezember 1920 kommt Miep Gies in die Niederlande. Sie heißt ursprünglich Hermine Santrouschitz und stammt aus Wien, der Hauptstadt Österreichs. Sie ist 11 Jahre alt, als ihre Eltern sie in die Niederlande schicken, damit sie sich von Tuberkulose und Unterernährung erholt. Eine Pflegefamilie in Leiden nimmt sie auf. Hier fühlt sie sich wie zu Hause, und mit Erlaubnis ihrer biologischen Eltern bleibt sie in den Niederlanden.

    Der Staat Österreich ist entstanden, nachdem das Kaiserreich Österreich-Ungarn am Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel. Es kostete viel Mühe, das Land wieder aufzubauen. In der Hauptstadt Wien herrscht Hungersnot. Für die kranken und durch Hunger geschwächten Kinder wird in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden ein Verschickungsprogramm organisiert. Amerikanische Hilfsorganisationen unterstützen die Kinder, die im Land bleiben.

    Das Parteiprogramm der NSDAP

    24. Februar 1924 München

    1920 wird die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) gegründet. Sie geht aus der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) hervor, doch unter Hitlers Einfluss wurde der Name geändert. Ihr Programm umfasst 25 Punkte. Ein paar wichtige Punkte sind:

    • Gemeinnutz geht vor Eigennutz
    • Der Versailler Vertrag soll aufgehoben werden
    • Das Land soll von einer starken Zentralgewalt regiert werden
    • Wegen des Bevölkerungswachstums ist mehr Land nötig
    • Verbrecher sollen die Todesstrafe erhalten
    • Manche Einwohner Deutschlands können keine Staatsbürger sein, und nur Staatsbürger haben gleiche Rechte

    Das Programm enthält viele antisemitische Punkte:

    • Juden gehören nach Ansicht der Nazis nicht zum deutschen Volk, da sie nicht „deutschen Blutes“ sind. Deshalb sind sie auch keine Staatsbürger
    • Da Juden keine Staatsbürger sind, sind sie „als Gast“ in Deutschland. Für „Gäste“ gelten andere Gesetze
    • Juden dürfen keine Beamte sein, da sie keine Staatsbürger sind
    • Wenn es der deutschen Regierung nicht möglich ist, für ihre Staatsbürger zu sorgen, müssen „Gäste“ - wie die Juden - aus dem Land abgeschoben werden
    • Menschen aus anderen Ländern dürfen nicht mehr nach Deutschland kommen, wenn sie keine Staatsbürger sind. Alle nichtdeutschen Einwanderer ab 1914 müssen das Land verlassen
    • Nur „deutsche Volksgenossen“ dürfen Journalisten, Redakteure oder Besitzer von Zeitungen sein. Juden also nicht
    • Die jüdische Religion wird bekämpft

    Dieses Parteiprogramm bleibt in Kraft, so lange die Partei existiert.

    Adolf Hitler veröffentlicht „Mein Kampf“

    18. Juli 1925 München

    Am 18. Juli 1925 erscheint Hitlers Buch Mein Kampf. Er schreibt es im Gefängnis, wo er die Strafe für einen gescheiterten Putsch 1923 absitzt.

    In Mein Kampf schreibt Hitler über seine Ideologie und präsentiert sich als Führer der extremen Rechten. Er beschreibt sein Leben und erzählt von seiner Jugend, seiner „Bekehrung“ zum Antisemiten (jemand, der Jüdinnen und Juden hasst) und seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg.

    Er wettert gegen den Versailler Vertrag und die Reparationen, die Deutschland wegen des Vertrages leisten muss. Er glaubt nicht an die parlamentarische Demokratie. Außerdem ist Mein Kampf voll von rassistischen Vorstellungen und Hass gegen Juden und Kommunisten.

    Hitler schreibt in Mein Kampf viel über Deutschlands Zukunft. Er will mehr Gebiete für Deutschland in Osteuropa und er will, dass keine Jüdinnen und Juden mehr in Deutschland leben, weil sie seiner Ansicht nach eine Gefahr für den Fortbestand des deutschen Volkes sind. In Mein Kampf stehen nicht die Pläne für den späteren Massenmord während des Zweiten Weltkriegs (der Holocaust), doch das Buch zeigt, dass Hitlers Judenhass schon früh besteht.

    Anne Frank wird geboren

    12. Juni 1929 Frankfurt am Main

    Am 12. Juni 1929 wird Anne Frank in Frankfurt am Main in der Rotkreuz-Klinik Maingau geboren. Sie wiegt gut 4 Kilo und ist 54 cm groß. Am nächsten Tag kommt Margot zu Besuch, die sich über ihre kleine Schwester sehr freut. Zehn Tage später dürfen Anne und ihre Mutter Edith nach Hause.

    Bis März 1931 wohnen Anne und ihre Familie am Marbachweg 307 in Frankfurt am Main. Hier verleben Anne und Margot eine unbeschwerte Zeit. Im Viertel wohnen viele andere Kinder, und fast täglich kommen Freunde und Freundinnen und spielen mit Margot. Anne ist oft im Sandkasten zu finden, der im Garten steht. Sie ist noch zu klein, um den Garten zu verlassen. Margot darf hinaus und spielt oft auf der Straße mit anderen Kindern.

    Hitler und die Nazis kommen in Deutschland an die Macht

    30. Januar 1933 Berlin

    Adolf Hitler wird am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt und leitet nun die deutsche Regierung. Der Wunsch der Nazis, an die Macht zu kommen, geht in Erfüllung. „Es ist fast wie ein Traum. Die Wilhelmstraße [Sitz der Reichskanzlei] gehört uns“, schreibt der spätere Propagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch.

    Noch am selben Abend veranstalten die Nazis einen Fackelzug durch Berlin. Mitglieder der SA marschieren in ihren Uniformen durch das Brandenburger Tor und am neuen Amtssitz ihres Führers entlang. Trotz der beeindruckenden Propagandabilder, die Goebbels nachträglich inszeniert, sind längst nicht alle Deutschen davon beeindruckt. Viele erwarten, dass Hitler sich nicht lange halten wird.

    Nach seiner Ernennung ist Hitler kein Alleinherrscher. In seinem neuen Kabinett sind nur zwei Mitglieder seiner Partei, der NSDAP. Die anderen Minister gehören anderen Parteien des rechten Spektrums an. Es gelingt Hitler allerdings, seine Leute auf wichtigen Positionen unterzubringen. Wilhelm Frick wird Reichsinnenminister und Hermann Göring erhält die Kontrolle über die preußische Polizei. Das verschafft Hitler relativ viel Macht innerhalb von Deutschland.

    Anne Frank emigriert nach Amsterdam: ein neues Leben in einer neuen Stadt

    16. Februar 1934 Amsterdam

    Anne Frank kommt im Februar 1934 nach Amsterdam. Ihr Vater Otto wohnt dort bereits seit gut einem halben Jahr. Er hat Deutschland im Juli 1933 verlassen, um in den Niederlanden seine Firma Opekta aufzubauen. Edith kommt im September nach Amsterdam und geht auf Wohnungssuche. Anne und ihre Schwester Margot bleiben in dieser Zeit bei ihrer Großmutter in Aachen.

    Im Dezember kommt Margot nach Amsterdam, und im Februar 1934 folgt Anne. Margot geht schon ab Januar zur Schule, Anne ab April. Sie lernt schnell Niederländisch und gewinnt leicht neue Freundinnen.

    [Zitat von] Otto über Anne: „Kaum kam sie ins Zimmer, entstand schon Bewegung, besonders da sie oft eine ganze Gesellschaft von Kindern mitbrachte. Sie war sehr beliebt, da sie auch immer Ideen hatte, was und wo man spielen und etwas anstellen könnte.“

    Beginn des Zweiten Weltkriegs: Deutschland überfällt Polen

    1. September 1939 Polen

    Am Morgen des 1. September 1939 ertönt Hitlers Stimme im Radio. Er sagt, Polen habe Deutschland angegriffen. „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“ Aber seine Behauptung vom Angriff Polens ist eine Lüge. Deutsche Militärangehörige, verkleidet als polnische Soldaten, haben einen Rundfunksender in der Grenzstadt Gleiwitz angegriffen und falsche Informationen verbreitet. So schafft sich Hitler einen Vorwand für den Angriff auf Polen.

    Die deutsche Wehrmacht geht mit großer Gewalt vor. Vor allem die Luftwaffe richtet großen Schaden an. Nach schweren Bombardierungen liegt die polnische Hauptstadt Warschau in Trümmern. Zehntausende Soldaten kommen um. Großbritannien und Frankreich haben versprochen, Polen im Fall eines deutschen Angriffs zu helfen. Sie erklären Deutschland deshalb den Krieg. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen.

    Hitler greift Polen an, weil er will, dass Deutsche das Gebiet bewohnen. Er betrachtet die polnische Bevölkerung als minderwertig und nur zur Arbeit geeignet. In den letzten drei Monaten des Jahres 1939 ermorden die Nazis 65.000 jüdische und nichtjüdische Polinnen und Polen.

    Während sich Polen im Westen gegen Deutschland verteidigt, greift die Sowjetunion das Land am 17. September im Osten an. Dieser Zweifrontenkrieg ist zu viel für Polen. Am 6. Oktober 1939 kapitulieren die letzten Truppen.

    Große Razzia in Amsterdam: Erste Deportation jüdischer Niederländer

    22. und 23. Februar 1941 Amsterdam

    Am Samstag, dem 22., und Sonntag, dem 23. Februar 1941 treiben bewaffnete Mitglieder der deutschen Ordnungspolizei jüdische Männer auf dem Jonas Daniël Meijerplein in Amsterdam zusammen. Fast 400 Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren werden festgenommen, mit Gewalt in Lastwagen getrieben und deportiert. Die Razzia ist eine Vergeltungsaktion der Nazis für Straßenkämpfe zwischen Juden, antisemitischen Schlägertrupps und der deutschen Polizei.

    In den Wochen vor der Razzia ist es unruhig in Amsterdam. Schlägertrupps der NSB (der niederländischen Nationalsozialistischen Bewegung) suchen ständig die Konfrontation mit Juden. Es kommt zu Straßenkämpfen. Am 11. Februar wird ein NSB-Mann so schwer verletzt, dass er wenige Tage später stirbt. Die antisemitische Presse macht die Juden für seinen Tod verantwortlich.

    Kurz darauf werfen Unbekannte die Scheiben des Eissalons Koco ein. Er gehört zwei Juden, die aus Deutschland geflüchtet sind. Jüdische und nichtjüdische Kunden bilden daraufhin eine Selbstverteidigungsgruppe, um den Laden zu beschützen. Als am 19. Februar die deutsche Ordnungspolizei in den Laden stürmt, bekommt sie Ammoniakgas ins Gesicht gesprüht.

    Die deutschen Behörden nehmen den Angriff auf ihre Polizisten nicht hin. Um jeden weiteren Widerstand zu unterbinden, veranstalten sie die Razzia an dem Wochenende 22. / 23. Februar.

    Die verhafteten Juden werden in das Lager Schoorl gebracht, wo acht von ihnen freigelassen wurden. Von dort aus werden sie in das Konzentrationslager Buchenwald und dann in das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich verschleppt. Nur zwei von ihnen überlebten.

    Die Besitzer des Eissalons Koco werden schwer bestraft. Ernst Cahn wird am 3. März 1941 von den Deutschen auf der Waalsdorpervlakte hingerichtet. Alfred Kohn kommt in Auschwitz um.

    Die Amsterdamer Bevölkerung ist von den harten deutschen Maßnahmen schockiert. Ein paar Tage später kommt es aus Protest zu einem großen Streik.

    Unternehmen Barbarossa: Deutschland überfällt die Sowjetunion

    22. Juni 1941 Sowjetunion

    Am 22. Juni 1941 startet Deutschland einen Großangriff auf die Sowjetunion, den kommunistischen Staat, der aus Russland und einigen Nachbarländern besteht. Dieser Angrif hat den Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ und wurde von Hitler und der Wehrmacht monatelang vorbereitet. Drei Millionen deutsche Soldaten überschreiten die Grenze. Damit endet der Nichtangriffspakt zwischen den beiden Ländern, den sie vor dem Überfall auf Polen 1939 geschlossen hatten. Es gibt drei Fronten. Eine richtet sich gegen die von der Sowjetunion annektierten baltischen Staaten im Norden, eine zweite rückt Richtung Moskau vor und eine dritte greift die Ukraine und den Süden Russlands an.

    Der deutsche Angriff überrascht die sowjetische Führung. Stalin, der Diktator des Landes, glaubt nicht, dass Deutschland bereits ausreichend auf einen Krieg vorbereitet ist. Er selbst ist es auch nicht. Deshalb können die deutschen Truppen ohne viel Gegenwehr vorrücken. Hitler hofft auf einen raschen Sieg, denn die strategische Lage und die Getreide- und Ölvorräte der Sowjetunion sind unverzichtbar, wenn Deutschland Europa weiterhin beherrschen will. Während des Feldzuges fallen in den ersten neun Monaten eine Million deutsche Soldaten.

    Deutschland führt einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, das größte kommunistische Land der Welt. Die Nazis betrachten Kommunisten - neben den Juden - als ihren größten Feind. Für die Nazis sind auch die Russen und die Völker im asiatischen Teil der Sowjetunion minderwertige Menschen. Sie sollen deutschen Siedlern weichen. Deshalb behandelt die deutsche Armee die Bevölkerung und die gefangen genommenen Soldaten unmenschlich. Millionen Menschen verhungern, sterben an Krankheiten oder werden ermordet.

    Das Novemberpogrom zeigt: Juden haben in Deutschland keine Zukunft

    9. November 1938 Deutschland

    Am 9. November verüben Nazis in ganz Deutschland, Österreich und im Sudetenland (im heutigen Tschechien) Gewalttaten gegen Juden. Sie demütigen Juden in Umzügen, misshandeln sie und sperren sie in Konzentrationslager. Außerdem zerstören sie jüdisches Eigentum. Ein so gewalttätiger Angriff auf Juden wird Pogrom genannt.

    Wegen der vielen zertrümmerten Schaufensterscheiben wird dieses Pogrom auch als „Kristallnacht“ bezeichnet. Synagogen werden in Brand gesteckt, und die Feuerwehr darf die Brände nicht löschen. Die Jüdinnen und Juden müssen den Schaden selbst bezahlen und bekommen von der Regierung eine gemeinsame „Sühneleistung“ von 1 Milliarde Reichsmark auferlegt.

    Der direkte Anlass für das Novemberpogrom ist die Ermordung eines deutschen Diplomaten in Paris. Herschel Grynszpan, der Attentäter, rächt sich damit für die schlechte Behandlung seiner Familie. Als polnische Juden hatten sie 27 Jahre in Deutschland gelebt und wurden von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) nach Polen abgeschoben.

    Das Novemberpogrom zeigt, wie der Judenhass der Nazis nun in Aggression und Verfolgung mündet - und dass fast niemand den jüdischen Bürger*innen zu Hilfe kommt.

    Hitlers erste militärische Aktion: Deutsche Truppen besetzen das Rheinland

    7. März 1936 Deutschland

    Deutsche Truppen besetzen am Morgen des 7. März 1936 das Rheinland. Dieser Teil Deutschlands grenzt an Frankreich. Im Versailler Vertrag steht, dass Deutschland dort keine Soldaten stationieren darf.

    Hitler geht ein großes Risiko ein, denn er weiß nicht, wie die Länder der Entente reagieren werden. Er setzt nur 3.000 Soldaten ein. Damit seine Armee größer wirkt, marschieren auch Polizisten mit. Alle haben den Befehl, den Rückzug anzutreten, wenn das Ausland eingreift.

    Das geschieht nicht. Das Ausland ergreift so gut wie keine Gegenmaßnahmen. Deutschlands alte Feinde Frankreich und Großbritannien haben mit Problemen im eigenen Land genug zu tun. Sie fürchten sich auch vor einem neuen Krieg. Manche meinen außerdem, dass Deutschland das Rheinland zurück bekommen soll. Das Gebiet war bis nach dem ersten Weltkrieg immer deutsch und schon Hitlers Vorgänger wollten es zurückhaben.

    Hitlers Wagnis geht gut für ihn aus. Das gibt ihm den Mut, zu versuchen, andere internationale Abkommen zu brechen. Mit der Besetzung des Rheinlands hat er außerdem Frankreich einen strategischen Vorteil genommen. Das kann ihm bei einem neuen Krieg nützen, denn er kann seine Armee nun wieder an der Grenze zu Frankreich stationieren. In Deutschland wächst seine Beliebtheit, weil er diesen „Schandfleck“ des Versailler Vertrages beseitigt hat. Deutschland spielt wieder eine Rolle.

    Das ehemalige Versteck wird ein Museum: das Anne Frank Haus

    3. Mai 1960 Amsterdam

    Am 3. Mai 1960 öffnet das Hinterhaus an der Prinsengracht 263 seine Türen für das Publikum. Das gesamte Gebäude ist noch nicht saniert, aber das Hinterhaus kann bereits besichtigt werden. Im Vorderhaus entstehen Räume für Ausstellungen und Dokumentationen.

    Das Hinterhaus bleibt auf Wunsch von Otto Frank leer. Nach der Verhaftung der Untergetauchten hatten die Besatzer es ausgeräumt und Otto will es so lassen.

    Otto Frank sagt bei der Eröffnung: „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich hier in diesem Haus nicht viel zu Ihnen sage. Sie verstehen sicher, dass der Gedanke an alles, was hier geschehen ist, zu schmerzlich für mich ist. Ich kann Ihnen allen nur für das Interesse danken, dass Sie durch Ihre Anwesenheit bekunden. Und ich hoffe, dass Sie auch in Zukunft die Arbeit des Anne Frank Hauses und des Internationalen Jugendzentrums moralisch und in jeder anderen Hinsicht unterstützen.“

    Annes Wunsch geht in Erfüllung: „Das Hinterhaus" erscheint als Buch

    25. Juni 1947 Amsterdam

    Am 25. Juni 1947 geht Annes Wunsch in Erfüllung. An diesem Tag erscheint in den Niederlanden Het Achterhuis. Dagboekbrieven van 14 juni 1942 - 1 augustus 1944 (Das Hinterhaus. Tagebuchbriefe vom 14. Juni 1942 - 1. August 1944). Die erste Auflage besteht aus 3.000 Exemplaren.

    (Zitat von) Anne Frank: „Stell Dir vor, wie interessant es wäre, wenn ich einen Roman vom Hinterhaus veröffentlichen würde. Nur vom Titel her würden die Leute denken, es wäre ein Kriminalroman.“

    Das Buch erhält in den Niederlanden lobende Kritiken. Die niederländische Erstausgabe ist deshalb schnell ausverkauft. Schon nach einem halben Jahr, im Dezember 1947, erscheint die zweite Auflage.

    Die Untergetauchten sind entdeckt worden: Sie werden eingesperrt

    4. August 1944 Amsterdam

    Am Vormittag des 4. August 1944 hilft Otto Frank Peter van Pels beim Englischlernen. Edith ist in ihrem Zimmer. Kriminalbeamte erscheinen im Haus Prinsengracht 263 in Amsterdam. Sie gehen ins Büro im ersten Stock, wo die Helfer*innen der Untergetauchten arbeiten. Die Polizeibeamten verhören Victor Kugler und durchsuchen in seinem Beisein das Haus. Als sie in den Raum mit dem schwenkbaren Bücherschrank gelangen, entdecken sie das Versteck mit den Untergetauchten.

    Die Untergetauchten werden zusammen mit den Helfern Johannes Kleiman und Victor Kugler in das SD-Gefängnis an der Euterpestraat gebracht. Sie werden einzeln verhört und sollen aussagen, ob sie weitere Verstecke von Untergetauchten kennen. Johannes und Victor schweigen. Otto Frank antwortet, dass sie in den 25 Monaten im Hinterhaus jeden Kontakt mit Freunden und Bekannten verloren haben und deshalb nichts wissen.

    Dann werden Untergetauchte und Helfer getrennt. Johannes Kleiman und Victor Kugler müssen in das Gefängnis am Amstelveenseweg, die acht Untergetauchten in das Gefängnis an der Weteringschans. Die Helferinnen Miep Gies und Bep Voskuijl sind nicht verhaftet worden. Nach einer Weile gehen sie in das leere Versteck. Sie finden Annes Tagebücher, die dort zurückgeblieben sind. Miep bewahrt sie bis nach dem Krieg auf.

    Anne und Margot sterben entkräftet im Konzentrationslager Bergen-Belsen

    Februar 1945 Bergen-Belsen

    Anne und ihre Schwester Margot werden Ende 1944 in einem überfüllten Zug in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht. Ihre Mutter Edith bleibt in Auschwitz zurück.

    Anne Frank begegnet in Bergen-Belsen Kindern, die sie aus Amsterdam kennt. Sie spricht zum Beispiel noch mit Nanette Blitz und Hanneli Goslar, ehemaligen Mitschülerinnen.

    Im Winter 1944–1945 verschlimmert sich die Situation in Bergen-Belsen noch sehr stark. Es gibt kaum etwas zu essen und es ist schmutzig und voller Ungeziefer. Viele Gefangene werden krank. Margot und Anne bekommen Fleckfieber und sterben im Februar 1945. Über ihre letzten Tage ist nichts bekannt.

    (Zitat von) Rachel van Amerongen: „Eines Tages waren sie einfach nicht mehr da.“

    Otto kehrt nach Amsterdam zurück

    3. Juni 1945 Amsterdam

    Am 21. Mai 1945 legt das Schiff „Monowai“ in der ukrainischen Hafenstadt Odessa ab. Otto Frank ist einer der Passagiere. Sechs Tage später kommt er im Hafen von Marseille an. Er fährt fast sofort weiter nach Amsterdam und klingelt am Abend des 3. Juni an der Tür von Jan und Miep Gies, die ihm im Versteck geholfen hatten. Johannes Kleiman und seine Frau und Fritz Pfeffers Verlobte kommen sofort vorbei. Auch die anderen Helfer*innen haben den Krieg überlebt.

    Otto weiß, dass Edith gestorben ist, aber er weiß noch nichts über Annes und Margots Schicksal. Jeden Tag geht er zum Amsterdamer Hauptbahnhof und hofft, dass sie unter den Menschen sind, die aus den Konzentrationslagern zurückkehren. Er gibt eine Zeitungsanzeige auf, um etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Otto arbeitet auch wieder für die Firmen Opekta und Pectacon.

    Anne bekommt ein Tagebuch

    12. Juni 1942 Amsterdam

    Zum dreizehnten Geburtstag bekommt Anne Frank ein Tagebuch geschenkt. „Vielleicht ja eins meiner schönsten Geschenke ...“, schreibt sie über das rotkarierte Büchlein. Eine Überraschung ist es nicht, denn Anne hatte es sich selbst ausgesucht ...

    Auf das Vorblatt schreibt sie: „Ich werde dir, hoffe ich, alles anvertrauen können wie sonst noch nie jemandem, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein. Anne Frank. 12. Juni 1942.“

    Zwei Tage später schreibt sie weiter. Über das, was sie erlebt und mit wem, über ihre Geburtstagsfeier, die Geschenke, ihre Freundinnen, ihre Verliebtheit, ihre Familiengeschichte und ihre Schulklasse.

    Fritz Pfeffer flüchtet aus Deutschland in die Niederlande

    9. Dezember 1938 Amsterdam

    Fritz Pfeffer ist Zahnarzt in Berlin. Er ist mit Charlotte Kaletta verlobt, einer Katholikin. Das Paar kann nicht heiraten, da die deutschen Rassengesetze Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden verbieten.

    In der Pogromnacht im November 1938 werden in ganz Deutschland Juden misshandelt und verhaftet. Synagogen werden in Brand gesteckt, Läden und anderer jüdischer Besitz verwüstet. Für Fritz ist das der Moment, aus Deutschland zu fliehen. Seinen kleinen Sohn Werner schickt er am 1. Dezember per Schiff zu seinem Bruder nach Großbritannien. Fritz selber flüchtet in die Niederlande. Charlotte folgt ihm drei Wochen später.

    In den Niederlanden können die beiden auch nicht heiraten, da der niederländische Staat aufgrund eines alten Vertrages das in Deutschland geltende Gesetz befolgen muss. Fritz will in Belgien heiraten, doch dorthin kann er nicht, da sein Pass abgelaufen ist. Er beabsichtigt, nach Chile auszuwandern und dort auf einem Gestüt zu arbeiten. Fritz ist nämlich ein großer Pferdeliebhaber. Der Krieg macht diese Pläne zunichte.

    1942 taucht Fritz im Hinterhaus unter, wo er sich ein Zimmer mit Anne Frank teilt.

    Deutschland bombardiert Rotterdam. Die Niederlande kapitulieren

    14. Mai 1940 Rotterdam

    Rotterdam ist ein wichtiges Ziel während des deutschen Angriffs am 10. Mai 1940. Fallschirmspringer und Soldaten, deren Flugzeuge auf dem Wasser gelandet sind, versuchen die Brücken zu erobern. Die niederländische Armee kämpft entschlossen gegen die Angreifer. Es gelingt den Deutschen nicht, die Stadt einzunehmen. Der deutsche General Schmidt stellt dem niederländischen Befehlshaber deshalb am 14. Mai ein Ultimatum: Wenn Rotterdam sich nicht am selben Nachmittag ergibt, wird die Stadt bombardiert.

    Die Unterhändler in Rotterdam wissen nicht, dass die Wehrmachtsführung in Berlin andere Pläne hat. Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, will mit schweren Bombenangriffen auf zivile Ziele die gesamten Niederlande zur Kapitulation zwingen. Noch ehe das Ultimatum abläuft, erscheinen die deutschen Flugzeuge und werfen ihre Bomben über dem Stadtzentrum ab. Als sich der Rauch verzieht, sind fast 80.000 Menschen obdachlos und ungefähr 850 Menschen tot.

    Deutschland droht, auch die Stadt Utrecht zu bombardieren. Die Niederlande haben keine andere Wahl, als zu kapitulieren. In einem Schulgebäude im Süden Rotterdams unterzeichnet der niederländische General Winkelman am 15. Mai die Kapitulationsurkunde. Damit haben die Niederlande offiziell kapituliert.

    Die Niederlage ist ein harter Schlag für die niederländischen Soldaten und Zivilisten. Zugleich sind viele Menschen auch erleichtert, dass die Anspannung vorbei ist. Für viele jüdische Niederländer*innen ist die Situation eine andere. Sie kennen die schlimmen Berichte über die Nazis. Nun kommen die Nazis auch in die Niederlande und sind eine Bedrohung. In den Monaten nach dem Überfall nehmen sich Hunderte Juden und Jüdinnen das Leben.

    Die niederländische Regierung macht den Personalausweis zur Pflicht

    1. April 1941 Niederlande

    Ab April 1941 müssen alle Niederländer*innen ab 15 Jahren einen Personalausweis haben. Dieser Ausweis enthält ein Passfoto und einen Fingerabdruck sowie eine Nummer. In die Ausweise von Jüdinnen und Juden wird später ein großes „J“ gestempelt. Ab 1. Januar 1942 ist es Pflicht, diesen Ausweis bei sich zu tragen.

    Für die deutschen Besatzer und die niederländische Polizei ist der Ausweis ein wichtiges Hilfsmittel, um Juden und Widerstandskämpfer*innen aufzuspüren oder Menschen, die sich der Pflicht zum Arbeitseinsatz entziehen wollen. Entwickelt wurde der Ausweis von dem niederländischen Beamten Jacob Lentz. Er erstellt auch ein Bevölkerungsregister und ein Register zur Erfassung aller Jüdinnen und Juden.

    Durch die Verwendung von Spezialtinte, Stempeln, Leim und Papier mit einem Wasserzeichen ist es fast unmöglich, den Ausweis zu fälschen. Anhand der Ausweisnummer können die persönlichen Daten außerdem mit dem lokalen oder landesweiten Verwaltungsregister abgeglichen werden.

    So kann ein Polizist bei einer gründlichen Kontrolle sogar eine praktisch perfekte Fälschung entdecken. Eine Fälschung ist nur möglich, wenn die Daten einer nicht existierenden Person in der zentralen Verwaltung registriert sind. Mit diesen Daten kann dann ein neuer Ausweis hergestellt werden. Das geht nur, wenn vertrauenswürdige Beamte mitwirken.

    Lentz‘ Perfektionismus hat viele seiner Landsleute das Leben gekostet oder sie in große Schwierigkeiten gebracht.

    Die letzten Monate in Frankfurt

    10. März 1933 Frankfurt am Main

    Anne, Edith und Margot Frank in einer Passfotokabine mit Waage im Kaufhaus Tietz in Frankfurt. Dies ist eine ist eines der wenigen Fotos, die aus jener Zeit erhalten geblieben sind.

    Im März 1933 ziehen sie um in das Haus ihrer Großmutter Alice Frank in Frankfurt, wo Otto und Edith auch nach ihrer Hochzeit gewohnt haben.

    Otto gründet Opekta in den Niederlanden

    4. Juli 1933 Niederlande

    Im August 1933 zieht Otto nach Amsterdam um. Er war vorher bereits regelmäßig in den Niederlanden wegen seiner Firma Opekta. Das ist die niederländische Filiale eines deutschen Unternehmens. Opekta ist ein Geliermittel für Marmelade. Es wird im Laden verkauft. Opekta macht in Deutschland viel Werbung, und Otto übernimmt die Werbung für die Niederlande. Die ersten Opekta-Anzeigen stehen in Limburger Zeitungen.

    Die Firma startet im Juli 1933. Ende September nimmt Otto mit Opekta an einer Messe in Rotterdam teil, wo moderne Firmen dem allgemeinen Publikum ihre Produkte präsentieren. Es folgen noch viele Produktvorführungen für niederländische Hausfrauen.

    Anne Frank in der Vorschule

    9. April 1934 Amsterdam

    Am 9. April 1934  geht Anne Frank in die Vorschule der Sechsten Montessorischule in Amsterdam. Die Schule ist ein paar Straßen von ihrer Wohnung entfernt. Anne bleibt bis 1941 in der Grundschule.

    Eichmann führt eine Razzia in der Jüdischen Gemeinde Wien durch

    18. März 1938 Wien

    Am 18. März 1938 führt der SS-Mann Adolf Eichmann mit einem Trupp Nazis eine Razzia bei der Jüdischen Gemeinde in Wien durch. Sie durchsuchen das Haus und verhaften die leitenden Angestellten. Diese werden in das Konzentrationslager Dachau gesperrt. Die Jüdische Gemeinde wird von den Nazis aufgelöst.

    Später holt Eichmann den Direktor Josef Löwenherz aus der Gefangenschaft zurück und öffnet die Gemeinde erneut. Eichmann will ihn nämlich zusammen mit seiner Organisation dazu benutzen, Juden aus Österreich hinauszuschaffen.

    Löwenherz engagiert sich schon seit langem für die Emigration von Juden nach Palästina und hat internationale Kontakte. Auch andere jüdische Organisationen werden gezwungen, daran mitzuwirken.

    Das ist der Beginn der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“. Trotz des neutralen Namens handelt es sich um eine Organisation der SS (Schutzstaffel, militärische Abteilung der Nazipartei). Sie soll Juden so schnell wie möglich aus dem Land schaffen und ihnen vorher ihr Geld abnehmen. Mit dem Geld wohlhabender Juden werden die Kosten für arme Juden bezahlt. Das funktioniert so gut, dass die SS diese „Zentralstellen“ auch in Berlin und Prag eröffnet.

    Auch Eichmanns Idee, jüdische Organisationen für die Nazipolitik zu instrumentalisieren, wird an anderen Orten in der Form von „Judenräten“ übernommen. Eichmann missbraucht hinterhältig die Hoffnung der Juden, sich selbst retten zu können.

    Einweihung der liberal-jüdischen Synagoge in Amsterdam

    6. Juni 1937 Amsterdam

    Die Liberale Jüdische Gemeinde existiert in Amsterdam seit 1931. Durch die Flüchtlinge aus Deutschland gewinnt sie viele neue Mitglieder. Deshalb benötigt sie einen Raum für den Gottesdienst. 1937 mietet sie das Veranstaltungszentrum der Theosophischen Gesellschaft und nutzt es als Synagoge. Bei der Einweihung ist auch Heinrich Stern zugegen, der Vorsitzende der Liberalen Juden in Deutschland.

    Auch Otto Frank gehört dem liberalen Judentum an und wirkt bei der Gründung der Synagoge mit.

    Otto Frank auf einer Jugendkonferenz im Anne Frank Haus

    Juli 1968 Amsterdam

    Ab 1963 kommen jeden Sommer Jugendliche aus der ganzen Welt ins Anne Frank Haus. In den internationalen Sommerkonferenzen geht es um Themen wie Emanzipation, Religion und Menschenrechte.

    Engagierter Leiter des Internationalen Jugendzentrums ist der Pädagoge und Psychologe Henri van Praag, ein Bekannter von Otto Frank. In den 60er Jahren finden auch Vorträge und Kurse statt.

    So leitet der Rabbiner Yehuda Aschkenasy, ein Überlebender des Lagers Auschwitz, Begegnungen, die das Verständnis zwischen Juden und Christen fördern. Katholische und evangelische Pfarrer, Rabbiner, aber auch einfache Gläubige kommen zu diesen Veranstaltungen.

    Im Anne Frank Haus finden in den 60er Jahren auch Abende mit Literatur und klassischer Musik statt. Die Interpret*innen bei den Musikabenden sind meist Studierende des Konservatoriums.

    In der zweiten Hälfte der 60er Jahre ist Raum für Gesellschaftskritik. Mit Fotoausstellungen und anderen Mitteln werden zum Beispiel der Vietnamkrieg und die Apartheid in Südafrika angeprangert.

    Johannes Kleiman mit Besuchern im Hinterhaus

    1955 Amsterdam

    Nachdem Otto Frank 1952 in die Schweiz gezogen ist, wird Johannes Kleiman wieder Direktor von Opekta. 1955 verlegen Opekta und Gies & Co den Firmensitz in andere Gebäude in der Stadt. Schon zu diesem Zeitpunkt möchten Menschen aus aller Welt das Hinterhaus besichtigen, das Anne Frank als Versteck gedient hat.

    Wenn es nötig ist, geht Kleiman zurück in das leere Haus und führt Besucher*innen durch den ehemaligen Unterschlupf.

    Otto Franks Tod

    19. August 1980 Basel

    Otto Frank stirbt im Alter von 91 Jahren in Basel am 19. August 1980. Sein Tod bekommt weltweite Aufmerksamkeit. Fritzi Frank-Markowitz, seine Witwe, erhält Hunderte von Beileidsbriefen.  Der niederländische Rabbiner Avraham Soetendorp zelebriert den Trauergottesdienst.

    Annes Tagebücher und ihre anderen Originaldokumente werden dem niederländischen Staat übereignet und vom Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) verwaltet. Das Urheberrecht an Anne Franks Texten erhält der Anne Frank Fonds in Basel, Schweiz.

    Deutsche Soldaten und niederländische Kollaborateure ergreifen die Flucht

    5. September 1944 Niederlande

    Im Garten eines Hauses in Amsterdam - zwischen Keizersgracht und Kerkstraat - haben deutsche Truppenangehörige ihre Waffen zurückgelassen. Wie zahlreiche andere deutsche Soldaten sind sie am Dienstag, dem 5. September 1944, überstürzt geflohen. Sie haben gehört, dass die Alliierten im Süden der Niederlande die Grenze überschritten haben und rasch nach Norden vorrücken. Die Truppeneinheiten, die in Amsterdam zurückbleiben, zerstören in wenigen Tagen mit Sprengstoff die Hafenanlagen von Amsterdam und Rotterdam.

    Aus Angst vor Vergeltung wagen es auch viele Kollaborateure nicht mehr, in den Niederlanden zu bleiben. Sie machen sich am selben Tag in den Osten der Niederlande oder nach Deutschland auf.

    Die deutschen Besatzer räumen das Konzentrationslager Vught und schicken 2.800 Männer nach Sachsenhausen und 650 Frauen nach Ravensbrück. Ungefähr die Hälfte von ihnen stirbt hier schließlich.

    Viele Niederländer gehen auf die Straße oder hängen die niederländische Fahne heraus. Aber die Nachricht von der Ankunft der Alliierten erweist sich als falsch. Sie sind erst seit ein paar Tagen in Belgien. Erst eine Woche späer werden die ersten Orte in den Niederlanden befreit.

    Dieser Tag wird schon bald als „Dolle Dinsdag“ (Verrückter Dienstag) bezeichnet.

    Die Familie van Pels taucht unter

    13. Juli 1942 Amsterdam

    Eine Woche, nachdem die Familie Frank untergetaucht ist, kommen Hermann und Auguste van Pels mit ihrem Sohn Peter auch ins Versteck. Sie erhalten zwei Zimmer im zweiten Stock des Hinterhauses und haben dort wenig Privatsphäre. Der Raum von Hermann und Auguste dient auch als Küche und gemeinsames Esszimmer. Von Peters Zimmer aus führt eine Treppe auf den Dachboden. Dort werden Lebensmittelvorräte aufbewahrt.

    Hermann und Otto haben zusammen mit den Mitarbeitern Victor Kugler und Johannes Kleiman das Versteck vorbereitet. Im Zimmer von Hermann und Auguste war vorher ein Labor, in dem Rezepte getestet wurden. Die Ausstattung dafür steht nun in der Büroküche unter dem Zimmer von Anne und Margot.

    Peter bringt sein Fahrrad mit und hängt es an die Zimmerdecke.

    Februarstreik

    25. und 26. Februar 1941 Amsterdam

    Als Protestaktion gegen die Razzia und die Verhaftung jüdischer Männer einige Tage zuvor ruft die lokale Sektion der CPN (Kommunistische Partei der Niederlande) am 25. Februar 1941 zu einem zweitägigen Streik auf. Der Ausstand beginnt mit der Einstellung des Straßenbahnverkehrs in Amsterdam. Als die Bahnen nicht mehr fahren, merken viele Amsterdamer, dass diese Aktion stattfindet. Danach wird auch an Orten der weiteren Umgebung gestreikt.

    Die Deutschen sind von den Protesten überrascht und reagieren mit brutaler Gewalt. Sie schießen auf Streikende, und es gibt Tote und Verletzte. Streikende werden verhaftet. Die Besatzer erlegen den Städten, in denen gestreikt wird, hohe Bußgelder auf.

    In Amsterdam und Zaandam werden die Bürgermeister ausgetauscht, und Amsterdam bekommt einen deutschfreundlichen Polizeipräsidenten.

    Otto zum ersten Mal in Amsterdam

    1. Januar 1923 Amsterdam

    Von 1923 bis 1929 führt Otto zusammen mit seinem Bruder Herbert und seinem Schwager Erich Elias eine Bankfiliale in Amsterdam mit dem Namen M. Frank en Zonen (M. Frank und Söhne). Ihr Sitz ist im Stadtzentrum. Wegen der schlechten Wirtschaftslage in Deutschland gründen etliche deutsche Banken eine Niederlassung in Amsterdam. Nachdem sich die Lage bessert, werden viele davon wieder aufgehoben, auch die der Franks.

    Johannes Kleiman regelt im Einvernehmen mit der Direktion die laufenden Geschäfte. Kleiman ist später für Opekta tätig und wirkt bei der Gründung von Pectacon mit.

    Margot Frank wird geboren

    16. Februar 1926 Frankfurt am Main

    Am 16. Februar 1926 um 3 Uhr 15 kommt die erste Tochter von Edith und Otto Frank zur Welt: Margot Betti Frank. Den zweiten Namen Betti erhält Margot nach ihrer Großmutter Alice Betty und nach Bettina, der jung verstorbenen Schwester ihrer Mutter Edith.

    Otto Frank und Edith Holländer heiraten

    12. Mai 1925 Achen

    Am 8. Mai 1925 heiraten Otto Frank und Edith Holländer im Rathaus von Aachen. Sie haben sich ein paar Jahre zuvor bei der Verlobung von Ottos Bruder Herbert mit einer Freundin von Edith in Aachen kennengelernt.

    Am 12. Mai, Ottos sechsunddreißigstem Geburtstag, findet die Trauzeremonie in der Aachener Synagoge statt. Abends gibt es für alle Gäste ein großartiges Bankett. Ihre Hochzeitsreise unternehmen Otto und Edith nach San Remo in Italien.

    In den ersten eineinhalb Ehejahren wohnen sie bei Ottos Mutter Alice Frank-Stern in Frankfurt am Main.

    Die deutsche Armee setzt Giftgas gegen französische Truppen ein

    22. April 1915 Ypern

    Im Ersten Weltkrieg setzen die kämpfenden Parteien alles daran, zu gewinnen. Die deutsche Armee setzt als erste tödliches Giftgas auf dem Schlachtfeld in Belgien ein.

    Am 22. April 1915 sehen französische Soldaten, wie eine gelbgrüne Wolke aus Chlorgas auf sie zukommt. Innerhalb von zehn Minuten ersticken Tausende von ihnen.  Mit dem Angriff verstoßen die Deutschen gegen internationale Abkommen, die den Einsatz von Giftgas untersagen. Danach setzen auch die Franzosen und Briten Giftgas ein.

    Die Vereinigten Staaten erklären Deutschland den Krieg

    6. April 1917 Washington

    Am 6. April 1917 erklärt US-Präsident Woodrow Wilson dem Deutschen Reich den Krieg.  Bis dahin waren die USA neutral. Die Kriegserklärung ist eine Reaktion auf den U-Boot-Krieg, den Deutschland seit Januar 1917 führt.

    Deutschland will alle Schiffe versenken, die Großbritannien ansteuern, auch Passagierdampfer und neutrale amerikanische Schiffe. Sie könnten nämlich Hilfe - von Lebensmitteln bis Soldaten - für Deutschlands Gegner transportieren. Deutschland weiß, dass die USA das nicht hinnehmen werden. Es  glaubt jedoch, die Amerikaner würden für die Vorbereitungen ihrer Armee so lange brauchen, dass die Briten vorher kapitulieren. Doch das erweist sich als Irrtum.

    Ein anderer Grund für die amerikanische Kriegserklärung ist das Abfangen der sogenannten Zimmermann-Depesche. Deutschland verspricht darin Mexiko finanzielle Unterstützung und amerikanisches Territorium, wenn es die USA angreift. Mexiko geht darauf nicht ein. Der britische Geheimdienst entziffert die streng geheime Nachricht und die Amerikaner sind darüber sehr wütend.

    Die USA schicken 1917 mehr als eine Millionen Soldaten nach Frankreich. Erst nach einem Jahr kämpfen sie in großem Maßstab zusammen mit den Truppen der Entente.

    Hungersnot in Deutschland

    1917-1919 Berlin

    Am Ende des Ersten Weltkriegs herrscht in Deutschland großer Hunger. Verzweifelt versuchen die Menschen an Essen zu gelangen. Beispielsweise in Berlin, wo hungrige Frauen und Kinder ein Pferd auf der Straße zerlegen. Das Tier wurde bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen getötet. Obwohl in den Straßen geschossen wird, stürzen sich die ausgehungerten Frauen und Kinder auf das Pferd.

    In den vier Kriegsjahren haben Deutschlands Gegner alle Transporte durch eine Seeblockade unterbunden. Dadurch kam es zu einer großen Nahrungsmittelknappheit. Erst ab März 1919 werden wieder Nahrungsmittel an Deutschland geliefert.

    Gescheiterter Putsch in Deutschland

    13. März 1920 Deutschland

    Der Kapp-Putsch ist ein Putsch rechtsgerichteter Militärs in Berlin. Sie stürzen die demokratisch gewählte Regierung und ersetzen sie durch eine autoritäre Leitung, die über das Land herrschen will, ohne von der Bevölkerung gewählt worden zu sein. Die Regierung flieht nach Stuttgart. Sechs Tage lang haben die Putschisten die Macht in Berlin, doch sie wissen nicht, was sie mit ihrer Macht anfangen sollen. Von der Bevölkerung werden sie nicht unterstützt. Bald legt ein Generalstreik die gesamte Stadt lahm. Die Putschisten geben auf. Die Regierung kehrt zurück und unternimmt wenig, um sie zu bestrafen.

    In Deutschland kommt es zu weiteren Versuchen, die demokratisch gewählte Regierung abzusetzen. Ein Jahr später, im März 1921, versuchen Kommunisten mit Anschlägen und Streiks einen Arbeiteraufstand zu beginnen. Nach zwei Wochen hat die Regierung den Aufstand niedergeschlagen.

    Mietstreik in Berlin

    1. September 1932 Berlin

    Die Sparpolitik der Regierung führte zu großer Armut in der deutschen Bevölkerung. In Berlin stellen Arbeiter gemeinsam ihre Mietzahlungen ein. Sie protestieren damit gegen die hohen Mieten und den schlechten Zustand ihrer Wohnungen.

    Das Zentrum des Mietstreiks ist diese, kleine, Köpenicker Straße. Auf der Mauer in der Mitte steht die Losung „Erst Essen, dann Miete“. Aus den Fenstern hängen Fahnen der kommunistischen Partei und der Nazipartei. Beide Parteien kommen bei den Arbeitern an, weil sie versprechen, die Probleme der Armut auf ihre Weise zu lösen.

    Die Eiserne Front demonstriert gegen die Nazis

    1. März 1932 Berlin

    Die Eiserne Front ist ein Zusammenschluss zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), den Gewerkschaften und anderen sozialdemokratischen Organisationen. Am 16. Dezember 1931 gründen sie die bewaffnete Eiserne Front. Die SPD ist eine Befürworterin der Republik und wird von den Kommunisten und den Nazis bekämpft. Aufgrund der zunehmenden Gewalt vonseiten dieser Parteien halten die SPD und ihre Verbündeten es für notwendig, selbst auch den Kampf aufzunehmen. Ihr Symbol sind drei nach links unten gerichtete Pfeile.

    Das Ermächtigungsgesetz: noch mehr Macht für Hitler

    23. März 1933 Berlin

    Am 23. März 1933 stimmt das deutsche Parlament mit großer Mehrheit für das „Ermächtigungsgesetz“. Damit kann Hitler vier Jahre lang Gesetze erlassen ohne Einmischung des Reichspräsidenten, des Reichstags oder des Reichsrats.

    Hitler stellt in seiner Rede vom 23. März die Anwesenden vor die Wahl zwischen „Krieg und Frieden“. Es ist eine verkappte Drohung, um Gegner einzuschüchtern.  Mit 444 Stimmen dafür und 94 Gegenstimmen verabschiedet der Reichstag das Ermächtigungsgesetz. Nur die Sozialdemokraten stimmen dagegen. Von einer demokratischen Abstimmung kann nicht die Rede sein. Die Krolloper, in der das Parlament tagt, ist umstellt von Männern der SA und SS, den bewaffneten Abteilungen der NSDAP.

    Die Abgeordneten der kommunistischen Partei können an der Abstimmung nicht teilnehmen, da sie verhaftet wurden oder auf der Flucht sind. Auch 26 sozialdemokratische Politiker können aus diesem Grund nicht mit abstimmen.

    Durch dieses Gesetz kann Hitler nun als Diktator über Deutschland herrschen.

    Deutschland ist ein Einparteienstaat

    1. Dezember 1933 Deutschland

    Am 1. Dezember 1933 verabschiedet die deutsche Regierung das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“. Die NSDAP und der deutsche Staat sind dadurch „unlöslich“  miteinander verbunden. Das bedeutet, dass die Regierung die Nazipartei unterstützen muss und die Partei selbst auch ohne Zustimmung staatlicher Behörden Macht ausüben kann. Die NSDAP kann nun zum Beispiel Menschen verhaften.

    Dieses Gesetz ist die offizielle Bestätigung der bereits bestehenden Situation. In den Monaten zuvor haben die Nazis mit den anderen politischen Parteien in Deutschland abgerechnet. Die kommunistische und die sozialdemokratische Partei wurden verboten. Andere Parteien haben sich selbst aufgelöst.

    Durch ein Gesetz vom 14. Juli 1933 ist die NSDAP die einzige politische Partei in Deutschland. Neue Parteien dürfen nicht mehr gegründet werden. Am 12. November 1933 finden Neuwahlen für das Parlament statt. Nur eine einzige Partei steht zur Wahl: die NSDAP, deren Leiter Hitler ist.

    Fabrikarbeiter üben den Umgang mit Gasmasken

    13. September 1933 Brandenburg

    Die Regierung will, dass sich die Deutschen auf einen Krieg vorbereiten, obwohl keinerlei Grund für die Annahme besteht, Deutschland sei bedroht. Trotzdem soll die Bevölkerung lernen, wie sie sich bei einem feindlichen Angriff mit Giftgas verhalten muss.

    Die deutsche Luftwaffe bombardiert Guernica

    26. April 1937 Guernica

    Am 26. April 1937 bombardieren deutsche Flugzeuge der Legion Condor zusammen mit der italienischen Luftwaffe die kleine spanische Stadt Guernica (Gernika). Hunderte Menschen werden getötet, und ein großer Teil der Stadt wird zerstört. Die Bombardierung löst weltweit Entsetzen aus.

    In Spanien herrscht seit dem 17. Juli 1936 ein Bürgerkrieg. An diesem Tag beginnt eine Gruppe nationalistischer Armeeoffiziere, darunter der spätere Diktator Francisco Franco, einen Staatsstreich gegen die amtierende republikanische Regierung. Die Putschisten werden von rechtsgerichteten und konservativen Gruppierungen unterstützt. Linksgerichtete Parteien wie die Kommunisten und Anarchisten  stellen sich auf die Seite der Regierung.

    Beide Lager erhalten auch Unterstützung aus dem Ausland. Die Republikaner bekommen Unterstützung von Menschen aus Europa und den USA und Waffen und militärisches Personal von der Sowjetunion. Die Putschisten werden vom faschistischen Italien und Nazi-Deutschland unterstützt. Nach drei Jahren, am 1. April 1939, endet der Kampf mit dem Sieg Francos.

    Die Bombardierung Guernicas ist der erste Einsatz der modernen deutschen Armee. Die Legion Condor wird in Hamburg und Berlin mit Jubel empfangen, als sie nach Francos Sieg im Mai 1939 nach Deutschland zurückkehrt.

    Der „Anschluss“: Deutschland besetzt Österreich

    15. März 1938 Wien

    Am Morgen des 12. März 1938 rückt die deutsche Wehrmacht in Österreich ein. Sie stößt nicht auf Gegenwehr. Hitler kommt später an diesem Tag. Er besucht seinen Geburtsort und das Grab seiner Eltern. Drei Tage später, am 15. März, hält er in Wien eine Rede und erklärt offiziell, dass Österreich dem Deutschen Reich angeschlossen wird. Österreich ist nun eine deutsche Provinz: die „Ostmark“. Hitler ernennt Arthur Seyß-Inquart zum „Reichsstatthalter“.

    Viele Deutsche und Österreicher sind genauso begeistert wie Hitler. Sie wollen schon seit langem, dass die beiden Länder vereint werden.

    Am 10. April veranstalten die Nazis eine Volksabstimmung. Damit wollen sie ihre militärische Aktion legitimieren. Mehr als 99 % der österreichischen Bevölkerung stimmt für den Anschluss an Deutschland. Diese Zahl ist zweifellos so hoch, weil die Abstimmung nicht geheim war. Gegner wagten es nicht, mit Nein zu stimmen.

    Die Nazis in Österreich können durch die Machtübernahme ihren Antisemitismus nun öffentlich zeigen. Sie dringen in die Wohnungen jüdischer Bürger*innen ein, zerschlagen ihre Möbel und berauben sie. In Wien zwingen Nazis Jüdinnen und Juden, proösterreichische Losungen von den Straßen zu schrubben. Viele Menschen jüdischen Glaubens versuchen zu fliehen. Andere nehmen sich das Leben. Innerhalb von zwei Wochen setzen mehr als 200 Wiener Jüdinnen und Juden ihrem Leben ein Ende.

    Das Münchner Abkommen

    30. September 1938 München

    Am 30. September 1938 kehrt der britische Premierminister Neville Chamberlain von einer Konferenz in München zurück. Er hat zusammen mit Frankreich und Italien einen Vertrag mit Hitler geschlossen. Darin steht, dass Hitler das Sudetengebiet, den überwiegend deutschsprachigen Teil der Tschechoslowakei, in das Deutsche Reich eingliedern darf. Im Gegenzug verzichtet Hitler darauf, die gesamte Tschechoslowakei zu annektieren.

    Später an diesem Tag hält Chamberlain eine Rede, in der er sagt: „Ein britischer Premierminister ist aus Deutschland zurückgekehrt, und er bringt einen ehrenvollen Frieden. Ich glaube, dass nun Frieden ist in unserer Zeit.“ Er meint, ein Krieg zwischen Deutschland und Großbritannien sei verhindert worden. Aber viele Menschen glauben nicht daran. Das Münchner Abkommen ist ein Symbol für eine Politik der Zugeständnisse und der Beschwichtigung (appeasement). Bei ihren Bestrebungen, einen Krieg zu verhindern, kommen die Briten und Franzosen Hitlers Forderungen immer wieder entgegen.

    Boykott jüdischer Läden

    1. April 1933 Deutschland

    Am 1. April 1933 organisiert das Naziregime einen Boykott jüdischer Gewerbetreibender. SA-Männer stellen sich vor den Läden jüdischer Inhaber auf. Sie pinseln Davidsterne auf Schaufensterscheiben, hindern Kund*innen daran, die Geschäfte zu betreten und tragen Schilder mit judenfeindlichen Sprüchen.

    Der Boykott ist eine Reaktion auf einen Aufruf jüdischer Organisationen in den USA, aus Protest gegen die Misshandlung und Diskriminierung der Juden in Deutschland Produkte aus diesem Land zu boykottieren.

    Der Boykott ist in Deutschland kein großer Erfolg. Viele Menschen nehmen ihn nur schulterzuckend zur Kenntnis, und die ausländische Presse verurteilt die Aktion. Trotzdem ist es ein wichtiger Moment in der Entwicklung der antijüdischen Maßnahmen. Er zeigt zum ersten Mal deutlich, dass die Nazis den jüdischen Bürger*innen das Leben unmöglich machen wollen.

    Nürnberger Gesetze

    15. September 1935 Nürnberg

    Am 15. September 1935 führen die Nazis die Nürnberger Gesetze ein. Diese rassistischen Gesetze richten sich gegen die jüdischen Deutschen. Sie haben nun weniger Rechte als die anderen deutschen Bürger.

    Die Gesetze definieren, wer aufgrund seiner Abstammung als jüdisch gilt. Wer drei oder vier jüdische Großeltern hat, wird als Jude betrachtet. Juden gelten nicht mehr als „Reichsbürger“  und haben deshalb keinen Anspruch auf bestimmte Bürgerrechte. Sie dürfen nicht mehr wählen und können nicht mehr als Beamte tätig sein.

    Zu den Nürnberger Gesetzen gehört auch das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Es untersagt Eheschließungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen. Außerdem dürfen jüdische Haushalte keine Frauen unter 45 Jahren beschäftigen.

    Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden sind für die Nazis „Rassenschande“.  Im Juli 1935 werden zum Beispiel Julius Wolff und seine nichtjüdische Verlobte Christine Neemann von der SA in einem Umzug durch die Straßen der ostfriesischen Stadt Norden getrieben. Sie müssen Schilder tragen mit der Aufschrift „Ich bin ein Rasseschänder” und  „Ich bin ein deutsches Mädchen und habe mich vom Juden schänden lassen“.

    Christine wird in ein Konzentrationslager gesperrt und nach einem Monat freigelassen.  Julius wird in das Konzentrationslager Esterwegen gebracht und flüchtet nach seiner Freilassung in die USA.

    Die Gestapo schiebt polnische Juden über die polnische Grenze ab

    27. Oktober 1938 Deutschland

    Im Oktober 1938 will die polnische Regierung keine Juden mehr ohne gültigen Pass ins Land lassen, wenn sie länger als fünf Jahre in Deutschland gelebt haben. Viele Juden wollen wegen der antijüdischen Maßnahmen in Deutschland zurück nach Polen. Um ihren Pass zu verlängern, benötigen sie einen Stempel des polnischen Konsulats. Doch den erhalten sie in vielen Fällen nicht und können Deutschland deshalb nicht mehr verlassen.

    Das kommt den Nazis ungelegen. Sie wollen, dass so viele Juden wie möglich das Land verlassen, und viele polnische Juden leben in Deutschland. Deshalb will Gestapochef Reinhard Heydrich alle polnischen Juden aus Deutschland verbannen. Er verfügt ihre Zwangsausweisung.

    Die polnischen Juden werden mit Drohungen und Gewalt gezwungen, illegal die polnische Grenze zu überschreiten. Ihren Besitz müssen sie zurücklassen. Die Abgeschobenen sind jeden Alters. Einige sind in Deutschland geboren und sprechen kein Polnisch.

    Die polnischen Behörden weigern sich jedoch, sie aufzunehmen. Deshalb müssen die meisten von ihnen lange Zeit im Niemandsland oder in einem Lager im polnischen Grenzgebiet verharren. Rund 17.000 Menschen werden auf diese Weise abgeschoben.

    Konferenz von Évian: kein Platz für jüdische Flüchtlinge

    6. Juli 1938 Évian-les-Bains

    Der amerikanische Präsident Roosevelt beruft am 6. Juli 1938 eine internationale Konferenz über jüdische Flüchtlinge aus Deutschland ein. Vertreter aus 32 Staaten tagen im französischen Évian-les-Bains. Darunter sind u.a. die USA, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Australien, die Schweiz, Mexiko und mehrere lateinamerikanische Länder.

    Die meisten Regierungsvertreter bekunden zwar Mitgefühl für die jüdischen Flüchtlinge, weigern sich jedoch, mehr Menschen aufnehmen. Sie meinen, bereits genug Flüchtlinge ins Land gelassen zu haben und befürchten, dass es sonst zu Spannungen zwischen den Neuankömmlingen und der Bevölkerung kommen könnte. Haiti und die Dominikanische Republik sind die einzigen, die bereit sind, Zehntausende von Flüchtlingen aufzunehmen, aber die Vereinigten Staaten werden das Angebot Haitis nicht zulassen. Am Ende finden mehrere hundert Juden in den beiden Ländern Zuflucht.

    Die Konferenz  blieb also für die jüdischen Flüchtlinge ohne Ergebnis.

    Jüdische Flüchtlinge in Amsterdam

    Dezember 1938 Amsterdam

    Nach den Novemberpogromen 1938 fliehen viele deutsche Jüdinnen und Juden in die Niederlande. Das Land nimmt jedoch kaum Flüchtlinge auf. Wer bleiben darf, erhält von einer jüdischen Hilfsorganisation Lebensmittel und Unterstützung bei der Suche nach einer Unterkunft. Verletzte werden in einem jüdischen Krankenhaus behandelt.

    Stummfilm. Die Aufnahmen entstanden für das amerikanische newsreel „The Refugee - Today and Tomorrow“ („March of Time“), das ein Bild von der Aufnahme der geflüchteten Juden in verschiedenen europäischen Ländern vermittelt. Dezember 1938.

    Flüchtlingsschiff darf nicht anlegen

    27. Mai 1939 Havanna

    Am 13. Mai 1939 verlässt das Schiff St. Louis den Hamburger Hafen mit 937 Jüdinnen und Juden an Bord, fast alles Deutsche. Sie wollen nach Kuba und glauben, die richtigen Einreisepapiere zu haben. Das Schiff kommt zwei Wochen später, am 27. Mai, in Kubas Hauptstadt Havanna an. Hier dürfen jedoch nur 28 Passagiere von Bord gehen. Der kubanische Präsident hat die Dokumente der anderen für ungültig erklärt. Nur ein Mann wird später noch ins Land gelassen. Nach einem Selbstmordversuch wird er ins Krankenhaus gebracht.

    Das Schiff fährt weiter nach Nordamerika, doch die USA nehmen auch niemanden auf. Nach einem Monat fährt das Schiff zurück nach Europa. Die Irrfahrt endet in Antwerpen. Die Niederlande, Belgien, Frankreich und Großbritannien erklären sich nach Verhandlungen bereit, jeweils ein Viertel der Passagiere aufzunehmen. Endlich können die Geflüchteten wieder an Land.

    Deutschland und die Sowjetunion schließen einen Nichtangriffspakt

    23. August 1939 Moskau

    In der Nacht vom 23. auf den 24. August 1939 schließen Deutschland und die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt. Er ist als Hitler-Stalin-Pakt oder - nach den beiden Außenministern - als Ribbentrop-Molotow-Pakt bekannt.

    Die beiden Staaten vereinbaren, einander nicht anzugreifen und verteilen bereits insgeheim die Länder, die zwischen ihnen liegen. Deutschland eignet sich Westpolen und einen Teil Litauens an. Die Sowjetunion wird Ostpolen besetzen, die baltischen Länder und einen Teil Finnlands.

    Eine Woche später überfällt Deutschland Polen, zwei Wochen darauf greift die Sowjetunion Polen von Osten her an.

    Deutscher Überfall auf Dänemark und Norwegen

    9. April 1940 Dänemark - Norwegen

    Unter dem Decknamen „Unternehmen Weserübung“ greift Nazi-Deutschland am 9. April 1940 Dänemark und Norwegen an. Noch am selben Tag kapituliert Dänemark und wird besetzt.  Nun hat Deutschland eine gute strategische Basis für den Kampf gegen Norwegen. Die Norweger leisten zwei Monate lang Widerstand, kapitulieren aber am 9. Juni 1940. Frankreich und Großbritannien kommen Norwegen zu Hilfe, müssen sich jedoch zurückziehen, als sie selbst angegriffen werden.

    Dänemark und Norwegen sind zum Zeitpunkt des deutschen Angriffs neutral. Trotzdem greift Deutschland diese Länder an, da es befürchtet, Großbritannien und Frankreich könnten Norwegen besetzen. Durch den Angriff kommt der Zugang zur Ostsee bei Dänemark in deutsche Hände, und das schwedische Eisenerz kann ungehindert nach Deutschland transportiert werden. Schweden bleibt neutral.

    Die Luftschlacht um England

    1940 - 1941 Großbritannien

    Kurz nach der Eroberung Westeuropas greift Deutschland das Vereinigte Königreich an. Der Angriff erfolgt aus der Luft, da die britische Marine der deutschen überlegen ist. Deutschland beginnt im Juli 1940 mit Luftangriffen auf Häfen und Schiffe, Flughäfen und Orte an der britischen Küste. Hitler plant, mit einer Armee einzurücken, doch das erweist sich als unrealistisch, da es der deutschen Luftwaffe nicht gelingt, die Lufthoheit zu erringen. Am 25. August 1940 bombardiert die britische Luftwaffe Berlin. Der Gegenangriff richtet nicht viel Schaden an, führt aber zu einer Änderung der deutschen Pläne.

    Ab 7. September wird London 57 Tage hintereinander bombardiert, und auch andere britische Städte werden schwer getroffen. Die deutschen Luftangriffe gehen weiter bis zum Herbst 1941. Sie werden im englischen Sprachgebrauch insgesamt als „The Blitz“ bezeichnet.

    Die Schlacht um England kostet 27.450 Bürger*innen das Leben, noch höher ist die Zahl der Verletzten. Mehr als eine Million Häuser werden zerstört. Doch das Vereinigte Königreich hält stand und Deutschland verliert die Schlacht um England.

    Jüdische Kinder in letzter Minute nach Großbritannien gerettet

    14. Mai 1940 IJmuiden

    Am 14. Mai 1940, um 19.50 Uhr, verlässt ein Frachtschiff IJmuiden und setzt Kurs auf Großbritannien. An Bord sind 74 junge jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, die nachmittags aus Amsterdam gekommen sind. Das Schiff legt am 19. Mai in Liverpool an. Dort dürfen die Kinder von Bord gehen. Sie leben den ganzen Krieg über in Heimen oder werden von britischen Familien aufgenommen.

    Vor der Reise nach Großbritannien waren die Kinder in Pflegefamilien untergebracht oder im Burgerweeshuis, einem Waisenhaus an der Kalverstraat in Amsterdam. In die Niederlande gelangten sie dank der Hilfe der Niederländerin Truus Wijsmuller-Meijer.

    Im Dezember 1938 spricht Truus mit Adolf Eichmann in Wien. Der erlaubt ihr, 600 Kinder aus Österreich herauszubringen, wenn sie selbst für die Kosten aufkommt. Das ist der Anfang der sogenannten „Kindertransporte“. Dank Truus Wijsmuller-Meijer werden Tausende Kinder aus Deutschland und Österreich in sichere Länder gerettet.

    Während der deutschen Besetzung hilft Truus Wijsmuller weiterhin Jüdinnen und Juden, aus dem Land zu entkommen.

    Die deutsche Wehrmacht rückt in Amsterdam ein

    15. Mai 1940 Amsterdam

    Am 15. Mai 1940 rücken deutsche Soldaten in Amsterdam ein. Beim deutschen Überfall haben sie in der Schlacht am Grebbeberg gegen die niederländische Armee gekämpft. Amsterdams stellvertretender Bürgermeister Kropman erwartet sie bei Duivendrecht. Kropman äußert gegenüber General von Tiedemann die Hoffnung, dass die Deutschen die jüdischen Bürger Amsterdams in Ruhe lassen. Von Tiedemann beruhigt ihn etwas mit den Worten: „Wenn die Juden uns nicht sehen wollen, dann sehen wir die Juden nicht.“

    Beim Einzug der deutschen Soldaten stehen viele Niederländer*innen am Straßenrand und zeigen begeistert den Hitlergruß. Vor dem Rathaus empfängt ein Beamter die Deutschen mit einem Stadtplan.

    Nach diesem Besuch fahren die deutschen Truppen weiter nach Belgien. Dort ist der deutsche Angriff noch in vollem Gange.

    Die Niederlande im Dunkeln

    1940 - 1945 Amsterdam

    Die britische Luftwaffe fliegt vom Kriegsbeginn an Angriffe auf Ziele in besetzten Gebieten und in Deutschland selbst. Häfen und Fabriken werden beschädigt. Damit die Piloten nachts ihren Weg nicht finden können, müssen die gesamten Niederlande in der Zeit von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang verdunkelt werden. Die Fenster müssen schwarz angestrichen oder mit schwarzem Papier bedeckt werden. Die Straßenlaternen dürfen nachts nicht leuchten.

    Die Stadtverwaltung Amsterdam stellt Speziallampen am Straßenrand auf, damit der Verkehr möglichst wenig behindert wird. Gehwegränder, Geländer und die Ränder der Grachten werden weiß markiert, damit sie im Dunkeln besser erkennbar sind. Die Hausnummern werden mit großen weißen Ziffern an die Fassaden gemalt.

    V=Victory

    Frühling 1941 Niederlande

    Im Frühjahr 1941 ruft die BBC alle Hörer*innen im besetzten Europa dazu auf, den Buchstaben V („V for Victory!“) an Mauern und Hauswände zu malen. So können sie ihre Abneigung gegen die Deutschen zeigen. V steht in den Niederlanden für „Vrede“ (Frieden) und „Vrijheid“ (Freiheit) und im Französischen für „Victoire“ (Sieg). Auch Winston Churchill, der britische Premierminister, macht in der Öffentlichkeit oft das V-Zeichen mit Zeige- und Mittelfinger.

    Die BBC übernimmt das V als Erkennungszeichen, indem sie Sendungen für das besetzte Europa mit dem Morsezeichen für diesen Buchstaben beginnt: drei kurze Töne und ein langer Ton: pom-pom-pom-pommmm.

    Die deutschen Besatzer geben dem V die gegenteilige Bedeutung und benutzen es als Zeichen, dass die Deutschen den Krieg gewinnen werden. Es gibt Transparente und Plakate an der Straße mit dem Text: „V=Victorie want Duitsland wint op alle fronten voor Europa”. (V = Viktoria denn Deutschland siegt an allen Fronten für Europa.“)

    Rituelles Schlachten ist verboten

    5. August 1940 Amsterdam

    Schlachten nach jüdischen Ritualvorschriften ist ab 5. August 1940 verboten. Das ist die erste antijüdische Verordnung, auf die noch viele weitere folgen. Die Maßnahmen haben zum Ziel, Menschen jüdischen Glaubens in den Niederlanden das Leben schwer zu machen und sie von der Mehrheitsgesellschaft zu isolieren.

    Café Alcazar wird zerstört

    9. Februar 1941 Amsterdam

    Das Kabarett und Varieté-Theater Alcazar in Amsterdam hat viele jüdische Gäste. Am 9. Februar 1941 überfallen Männer der WA, des Schlägertrupps der NSB, das Lokal. Mit dem Angriff wollen die WA-Männer Schlägereien mit Juden und Antifaschisten provozieren.

    WA ist die Abkürzung für Weerbaarheidsafdeling (Wehrabteilung). Seit Beginn der Besatzung zerstört die WA zusammen mit anderen Antisemiten in Amsterdam jüdische Läden, Lokale und Denkmäler. Die jüdische Bevölkerung wehrt sich mit Hilfe von nichtjüdischen Nachbarn, und es kommt regelmäßig zu Straßenkämpfen. Im Februar kommt bei einem großen Straßenkampf ein WA-Mann ums Leben.

    Seyß-Inquart warnt die niederländischen Juden

    12. März 1941 Amsterdam

    Arthur Seyß-Inquart ist ein österreichischer Nazi, der ab Mai 1940 im Namen Deutschlands die Macht über die Niederlande ausübt. Seine Worte haben großen Einfluss. Im März 1941 hält er eine Rede vor der niederländischen Sektion der NSDAP (der deutschen Nazi-Partei). Er spricht im Concertgebouw in Amsterdam. Die Ansprache wird im Radio ausgestrahlt, für eine Wochenschau im Kino gefilmt und in einer Broschüre veröffentlicht.

    Einige Wochen zuvor hatten die deutschen Besatzer mit Gewalt mehr als 400 jüdische Männer verhaftet. Die Streiks, die aus Protest dagegen folgten, wurden ebenfalls mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Seine Zuhörer haben diese Ereignisse noch frisch in Erinnerung. In seiner Rede warnt Seyß-Inquart die niederländischen Juden und Ihre Helfer: Sie sollten nicht glauben, dass es bei diesen Aktionen der Deutschen bleiben würde.

    Ansprache von Arthur Seyss-Inquart im Concertgebouw, Amsterdam, 12. März 1941.

    Seyß-Inquart sagt in der Rede vom 12. März: „Dann möchte ich jetzt einmal ein offenes Wort zur Judenfrage sprechen. Die Juden werden von uns nicht als ein Bestandteil des niederländischen Volkes angesehen. Die Juden sind für uns nicht Niederländer. Sie sind jene Feinde, mit denen wir weder zu einem Waffenstillstand noch zu einem Frieden kommen können. Erwarten Sie von mir keine Verordnung, die dies festsetzt, außer polizeilichen Regelungen. Aber wir werden die Juden schlagen, wo wir sie treffen können, und wer mit ihnen geht, der wird eben dann mitgetroffen.“

    Die Stadt Amsterdam erstellt ein Register der Juden

    May 1941 Amsterdam

    Im Mai 1941 erstellt die Stadtverwaltung Amsterdam für die deutschen Besatzer eine genaue Übersicht über die Wohnsitze jüdischer Einwohner*innen. Für jede Straße ist durch Punkte angegeben, wie viele Menschen jüdischen Glaubens dort wohnen. Ein Punkt steht für zehn Menschen. Deshalb wird die Karte auch als „Punktkarte“ bezeichnet. In Amsterdam leben zu diesem Zeitpunkt 80.000 der 140.000 niederländischen Jüdinnen und Juden.

    Die Stadtverwaltung erstellt außerdem Stadtpläne, in denen jüdische Einwohner*innen oder Betriebe mit jüdischen Eigentümern verzeichnet sind. Es ist eine eindeutige Form von behördlicher Kollaboration.

    Razzia gegen jüdische Männer in Amsterdam

    11. Juni 1941 Amsterdam

    Am 11. Juni 1941 verhaften die deutschen Besatzer ungefähr 300 jüdische Männer als Vergeltungsmaßnahme für zwei vom Widerstand verübte Bombenanschläge. Ein für deutsche Offiziere beschlagnahmtes Gebäude wurde bei einem der Bombenanschläge beschädigt. Bei dem anderen Anschlag auf die Telefonzentrale der deutschen Luftwaffe auf dem Flughafen Schiphol wurde ein Soldat schwer verletzt.

    Die meisten jüdischen Männer werden von der Amsterdamer Polizei aus ihren Wohnungen geholt. Die Adressen haben die Polizisten vom Sicherheitsdienst erhalten. Wenn jemand nicht zu Hause ist, werden Mitbewohner verhaftet. Die Nazis nehmen auch Männer auf der Straße und in Lokalen fest.

    Die Verhafteten, hauptsächlich junge Männer, werden in das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich deportiert. Bald darauf erhalten ihre Familien die Nachricht, dass sie „verstorben“ oder „auf der Flucht erschossen“ worden seien. Diese Todesnachrichten machen Mauthausen zu einem berüchtigten Ort. Die Besatzer drohen fortan damit, dass Juden, die gegen die Regeln verstoßen, auch dorthin gebracht werden.

    Die USA werfen über Japan Atombomben ab

    6. August 1945 Hiroshima

    Die USA fliegen seit März 1945 schwere Bombenangriffe auf Dutzende von japanischen Städten. Brandbomben zerstören große Teile der Städte, Hunderttausende Zivilisten kommen um. Mit diesen Angriffen bereiten die USA eine Invasion vor. Sie wollen Japan zur Kapitulation zwingen, doch Japan gibt nicht auf.

    Unterdessen arbeiten die USA am Bau von Atombomben, die noch größere Verheerungen anrichten sollen. Am 6. August 1945 wirft ein amerikanischer Bomber zum ersten Mal in der Geschichte eine Atombombe ab. Ziel ist die japanische Stadt Hiroshima. Die Bombe zerstört die Stadt und tötet Zehntausende Menschen. Ein großes Feuer verwüstet die Stadt noch mehr.

    Wegen der schädlichen Strahlung verdoppelt sich die Zahl der Opfer in den Monaten nach der Explosion. Die USA drohen mit weiteren Bombardierungen, wenn Japan nicht kapituliert.

    Drei Tage später werfen sie eine zweite Atombombe ab, diesmal auf die Stadt Nagasaki. Auch hier sterben sofort Zehntausende, und die Stadt wird zerstört.

    Nun kapituliert Japan. Am 15. August 1945 gibt Japans Kaiser Hirohito im Rundfunk bekannt, dass er die bedingungslose Kapitulation akzeptiert. Zwei Wochen später, am 2. September, endet der Zweite Weltkrieg auch in Asien offiziell.

    Kitty und die anderen Tagebuchfreundinnen

    21. September 1942 Amsterdam

    Am 21. September 1942 schreibt Anne in ihrem Tagebuch einen kurzen Brief an Jettje. Ein Stück weiter auch an Emmy. Einen Tag später, am 22. September, schreibt sie an Kitty: „... am schönsten finde ich es aber doch, Dir zu schreiben, das weißt Du ja auch, und ich hoffe, dass es beiderseitig ist.“ Trotzdem schreibt sie später auch noch an Pop, Jackie, Marianne, Conny und andere Mädchen.

    Die meisten dieser Namen hat sie sich ausgedacht, aber nicht alle. Jackie ist Jacqueline, eine ihrer besten Freundinnen, von der sie sich zu ihrem Kummer nicht verabschieden konnte, als sie untertauchen musste. Kitty hat sie sich auch nicht ausgedacht. Es ist eine Figur aus den Büchern von Cissy van Marxveldt über Joop ter Heul, die Anne sehr gern liest. Anne beschreibt Kitty als „ein nettes Mädchen von 14 Jahren“, und sie werden „dicke Freundinnen“.

    Nach Appell von Minister: Anne will ihr Tagebuch veröffentlichen

    28. März 1944 Amsterdam

    Am 28. März 1944 hören die Versteckten im Hinterhaus auf Radio Oranje einen Appell des niederländischen Ministers Bolkestein. Er ist Mitglied der niederländischen Regierung, die 1940 nach London (Großbritannien) geflohen ist.

    Bolkestein bittet die Niederländer*innen, Dokumente aus der Kriegszeit aufzubewahren. Nach dem Krieg weiß dann jeder, was die Menschen unter der deutschen Besatzung durchgemacht haben. Es geht um Briefe, Tagebücher oder auch Ansprachen. Das bringt Anne auf eine Idee: Sie möchte nach dem Krieg ein Buch über ihre Zeit im Versteck veröffentlichen. Einen Titel weiß sie auch schon: „Het Achterhuis“ (Das Hinterhaus). Aber sie bekommt auch Zweifel und schreibt ein paar Wochen später voller Selbstkritik:

    „Ich glaube wirklich, Kit, dass ich heute nicht ganz bei Trost bin, und ich weiß doch nicht, warum. Alles steht hier durcheinander, kein Zusammenhang ist erkennbar, und ich zweifle manchmal ernsthaft daran, ob sich später jemand für mein Geschwätz interessieren wird. „Die Herzensergüsse eines hässlichen jungen Entleins“ wird dann der Titel von dem ganzen Unsinn; Mijnheer Bolkestein oder Gerbrandy (niederländische Minister) werden an meinen Tagebüchern bestimmt nicht so viel haben.

    Deine Anne M. Frank.”

    [14 april 1944]

    Amerikanisches Konsulat geschlossen: Flüchten wird unmöglich

    Juli 1941 Rotterdam

    Ab Anfang Juli 1941 können Menschen in den Niederlanden kein Visum für die USA mehr bekommen. Das gilt auch für Otto Frank und seine Familie.

    Otto hat 1938 einen Einreiseantrag für die Vereinigten Staaten gestellt. Da viele Juden ab 1938 aus Deutschland flüchten wollen, gibt es so viele Anträge, dass es sehr lange dauert, bis sein Antrag bearbeitet wird.

    Am 14. Mai 1940 wird das Konsulat in Rotterdam bei den schweren Bombenangriffen auf die Stadt zerstört. Sämtliche Verwaltungsunterlagen sind verschwunden. Alle Antragsteller müssen die nötigen Dokumente erneut beschaffen und einreichen. Außerdem sind die amerikanischen Behörden strenger geworden. Sie befürchten, dass deutsche Spione ins Land einreisen könnten.

    Auch Otto erneuert seinen Antrag. Seine Bemühungen erleiden jedoch einen schweren Rückschlag. Jeder Immigrant muss für seinen Antrag im US-Konsulat persönlich befragt werden, doch im Juli 1941 wird das Konsulat in den Niederlanden geschlossen. Wenn er überhaupt zu einer solchen Befragung eingeladen würde, müsste er ein Konsulat in Südeuropa aufsuchen. Und das ist für ihn unmöglich.

    Otto bemüht sich danach noch um ein Visum für Kuba. Das wird am 11. Dezember 1941 annulliert. Er hat nun so gut wie keine Möglichkeit mehr, mit seiner Familie in ein sicheres Land zu gelangen.

    Fritz Pfeffer taucht unter

    16. November 1942 Amsterdam

    Am 16. November 1942 taucht Fritz Pfeffer im Hinterhaus unter. Er ist der Zahnarzt von Miep Gies und ein Bekannter von Otto und Edith Frank. Seine Verlobte Charlotte Kaletta war ein Jahr zuvor Gast auf der Hochzeit von Miep und Jan Gies.

    Pfeffer erzählt seinem Vermieter, dass er ins Krankenhaus muss.

    Fritz ist verdutzt, als er die Familie Frank wiederseht. Er hatte gehört, sie seien in die Schweiz gegangen. Fritz wird in Annes Zimmer untergebracht. Vorher schlief Margot dort. Sie schläft nun im Zimmer ihrer Eltern.

    Charlotte bleibt allein zurück. Sie ist keine Jüdin und muss deshalb nicht befürchten, von den Nazis verhaftet zu werden. Aus Sicherheitsgründen darf sie nicht wissen, wo sich Fritz befindet. Sie fehlt ihm sehr. Die beiden bleiben über Briefe in Kontakt. Miep Gies fungiert dabei als Botin.

    Deutsche Offiziere verüben ein Attentat auf Hitler

    20. Juli 1944 Deutschland

    Am 20. Juli 1944 deponiert der deutsche Offizier Claus von Stauffenberg bei einer Besprechung mit Adolf Hitler eine Bombe unter dem Tisch. Nachdem von Stauffenberg gegangen ist, explodiert der Sprengsatz. Wie durch ein Wunder überlebt Hitler das Attentat. Er hat ein paar Brand- und Schürfwunden und seine Trommelfelle sind durch die laute Detonation gerissen. Noch in der Nacht ertönt seine Stimme im deutschen Rundfunk, um der Bevölkerung mitzuteilen, dass er noch lebt.

    Damit ist der Umsturzversuch, an dem von Stauffenberg beteiligt war, gescheitert. Eine große Zahl deutscher Wehrmachtsoffiziere wollte Hitler aus dem Weg räumen. Die Beteiligten hatten jeder ihren eigenen Grund, an der Verschwörung teilzunehmen. Manche wollten mehr Einfluss und Macht, andere wollten verhindern, dass Hitler Deutschland in einem sinnlosen Krieg vernichtete.

    Bereits kurz nach dem Attentat werden Hunderte Menschen verhaftet. Die Verantwortlichen für das Attentat erhalten nach einem Schauprozess die Todesstrafe.

    Die Rote Armee entdeckt das Lager Majdanek

    22. Juli 1944 Lublin

    Am 22. Juli 1944 erreichen die sowjetischen Truppen die polnische Stadt Lublin. Hier entdecken sie am Stadtrand das Arbeits- und Vernichtungslager Majdanek. Die Wachmannschaften sind bereits fort.

    Die Nazis haben versucht, ihre Spuren zu beseitigen. Baracken wurden abgerissen, Körper ermordeter Menschen wurden verbrannt und das Lagerarchiv wurde vernichtet. Aber viele Baracken stehen noch, und die Gaskammern und mehrere Krematorien sind unzerstört. Viele Gefangene sind zurückgeblieben.

    In diesem Lager wurden ungefähr 78.000 Menschen ermordet, darunter 59.000 Juden.

    Es ist das erste Konzentrationslager, das die Alliierten entdecken. Die Sowjets laden Journalisten ein. Einen Monat später berichten Zeitungen zum ersten Mal über Beweise für den Massenmord der Nazis.

    Niederländische Freiwillige für die Waffen-SS

    26. Juli 1941 Den Haag

    Im Juli 1941 ziehen niederländische Soldaten der „Vrijwilligerslegioen Nederland“ (Freiwilligen-Legion Niederlande) an die Ostfront. Sie kämpfen dort zusammen mit der deutschen Wehrmacht. An ihren Zug schreiben sie: „Naar de Jodenhoek“ (Zum Judenviertel) und „We gaan Stalin halen“ (Wir holen Stalin), und sie pinseln Hakenkreuze darauf.

    Die Freiwilligen-Legion Niederlande gehört zur Waffen-SS. Das ist der militärische Verband der SS, einer Eliteeinheit der Nazis. Die Waffen-SS kämpft zusammen mit der deutschen Wehrmacht.

    Die Freiwilligen-Legion Niederlande wurde gegründet, um die Nazis zu unterstützen. Die meisten Freiwilligen kämpfen an der Ostfront gegen die kommunistische Sowjetunion. In den Niederlanden gibt es ungefähr 22.000 Freiwillige.

    Gründung der LO

    November 1942 Winterswijk

    Im November 1942 beginnt die Widerstandskämpferin Helena Kuipers-Rietberg damit, eine Organisation zu gründen, die Untergetauchten hilft. Durch ihre Arbeit für eine christliche Frauenorganisation kennt sie viele Menschen. Sie bittet den Pfarrer Frits Slomp im November 1942 um Hilfe. Er ist ein überzeugter Gegner der Nazis und reist durch die ganzen Niederlande, um Verstecke und Gastfamilien zu finden.

    Im Laufe des Jahres 1943 entsteht aus diesem Netzwerk die Landelijke Organisatie voor Hulp aan Onderduikers - abgekürzt LO (Landesweite Hilfsorganisation für Untergetauchte). Viele bereits existierende Widerstandsgruppen schließen sich der LO an. Die LO besorgt Jüdinnen und Juden und jungen Männern, die nicht für die Besatzungsmacht arbeiten wollen, Verstecke.

    Später entstehen auch die Landelijke Knokploegen (LKP - Landesweite Rollkommandos), die zum Beispiel Verteilungsbüros überfallen, um Lebensmittelmarken für Untergetauchte zu stehlen.

    Helena Kuipers-Rietberg und ihr Ehemann werden im August 1944 vom Sicherheitsdienst verhaftet. In einem Verhör nimmt sie alle Schuld auf sich, und ihr Mann wird freigelassen. Helena wird in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. Hier stirbt sie, geschwächt durch Krankheit, am 27. Dezember 1944.

    Norbert Klein wird aus dem Krankenhaus befreit

    September 1943 Amsterdam

    Norbert Klein ist ein Jude, der aus Deutschland geflohen ist. Er gehört zu den Palästina-Pionieren des Hechaluz, einer Gruppe von Emigranten, die in die Niederlande gekommen sind, um sich auf das Leben und die Arbeit in Palästina vorzubereiten. Nach dem Einmarsch der Deutschen werden sie verfolgt. Viele von ihnen wurden bereits bei verschiedenen Razzien im Jahr 1941 verhaftet. Die Chaluzim haben aber auch eine Widerstandsgruppe gebildet, die eng mit Niederländern zusammenarbeitet.

    Norbert Klein beschafft Verstecke für Untergetauchte und sucht nach Fluchtrouten. Als sogenannter „Halbjude“ braucht er keinen Stern zu tragen. Im September 1943 wird er verhaftet. Namen seiner Freunde in Deutschland gelangen dadurch in die Hände des Sicherheitsdienstes. Diese Freunde können noch rechtzeitig gewarnt werden.

    Beim Verhör springt er aus dem Fenster der Polizeiwache. Schwer verletzt wird er ins Krankenhaus eingeliefert, das Westergasthuis (Wilhelmina-Gasthuis) in Amsterdam. Hier wird er, zusammen mit einem anderen Widerstandskämpfer, von einer Gruppe unter der Leitung des ehemaligen Polizisten Koos Heijdra befreit. Auf einer Tragbahre werden sie aus dem Fenster in ein offenes Auto gehoben und können so entkommen. Bis zum Ende des Krieges taucht Norbert Klein unter.

    Heinrich Himmler in Amsterdam

    18. Mai 1942 Museumplein, Amsterdam

    Am 18. Mai 1942 hält Heinrich Himmler in Amsterdam auf dem heutigen Museumplein eine Rede vor dem neuen „Polizeibataillon Amsterdam“. Die Polizisten dieser Einheit wurden von der SS (Schutzstaffel, eine bewaffnete Abteilung der Nazipartei) ausgebildet. Polizeichef Tulp zufolge gibt sich Himmler freundlich und anerkennend.

    Himmler sagt unter anderem: „Moderne Polizei muss ein Freund der Bevölkerung sein und kein Buhmann.“ Später an diesem Tag erklärt Himmler noch, wie ernst es ihm mit dem Kampf gegen die Juden sei.

    Als „Reichsführer SS“ gehört Himmler zu den treibenden Kräften hinter der Judenverfolgung. Er ist in den Niederlanden, um die Deportationen in das Konzentrationslager Auschwitz vorzubereiten. Diese beginnen im Sommer 1942.

    Der deutschfreundliche Polizeichef Tulp ist Mitglied der NSB (niederländische „Nationalsozialistische Bewegung“) und sorgt dafür, dass die Amsterdamer Polizei bei der Verhaftung der Jüdinnen und Juden in Amsterdam bereitwillig mitwirkt.

    Jagd auf Juden

    1942-1945 Niederlande

    Im Januar 1944 wird das jüdische Ehepaar Wittenburg von „Judenjägern“ verhaftet. Das sind niederländische Polizisten, die speziell auf der Suche nach untergetauchten Juden sind. Von der Polizeiwache aus werden die Eheleute nach Westerbork gebracht und von dort aus in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Heintje, die Frau, wird im April 1944 in der Gaskammer ermordet. Ihr Mann Bram wird 1945 von der Roten Armee befreit.

    Bis zum Herbst 1943 wurden fast alle Jüdinnen und Juden aus den Niederlanden deportiert. Viele sind aber auch untergetaucht, und die Nazis wollen sie unbedingt finden. Da die niederländische Polizei nach Ansicht der Nazis nicht genügend mitwirkt, gründen sie mit prodeutschen Polizisten Spezialabteilungen, die Juden aufspüren sollen. Unter diesen Polizisten sind überzeugte Antisemiten, die Juden hassen, aber auch Opportunisten, die vor allem an der Prämie interessiert sind, die sie für jeden verhafteten Juden bekommen. Zudem bereichern sie sich bei den Verhaftungen heimlich am Besitz der Untergetauchten und der Versteckgeber.

    Die Untergetauchten werden nach Auschwitz gebracht

    3. September 1944 Auschwitz-Birkenau

    Am 3. September 1944 werden die Untergetauchten mit dem Zug vom Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden nach Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen gebracht. Mit 1.011 anderen Menschen sind sie in verriegelten Güterwaggons eingepfercht. Zweieinhalb Tage später kommen sie nachts an.

    Sie müssen aussteigen und ihr Gepäck zurücklassen. Männer und Frauen müssen sich separat aufstellen. Auguste van Pels muss sich von Hermann und Peter trennen, Otto Frank sieht seine Frau und seine Töchter zum letzten Mal.

    Die Gefangenen werden auf ihre Arbeitstauglichkeit beurteilt. Die Untergetauchten überstehen diese Musterung. 371 ihrer Mitgefangenen werden als nicht arbeitsfähig eingeschätzt und in die Gaskammer geschickt. Die Untergetauchten gehen weiter zu der sogenannten Sauna. Dort tätowiert man ihnen eine Nummer auf den Arm. Sie duschen und bekommen Lagerkleidung oder etwas anderes, was gerade verfügbar ist.

    Edith, Margot, Anne und Auguste bleiben im Lager Auschwitz-Birkenau und sind in einer Baracke für Zwangsarbeiterinnen untergebracht. Otto, Hermann, Peter und Fritz müssen in das Lager Auschwitz I drei Kilometer weiter marschieren. Sie müssen schwere Arbeit verrichten.

    Kugler und Kleiman im Straflager Amersfoort

    11. September 1944 Amersfoort

    Die Helfer Johannes Kleiman und Victor Kugler werden nach ihrer Verhaftung am 4. August bis zum 11. September in Amsterdam eingesperrt. Ihre Zellen sind nebeneinander. Dann werden sie in das Straflager Amersfoort überstellt. Das ist ein Lager der SS für politische Gefangene und andere „Straffälle“.

    Johannes Kleiman wird wegen „Arbeitsverweigerung“ verurteilt. Er bleibt nicht lange im Straflager. Er hat schon seit langem Probleme mit Magenblutungen. Deshalb kann er nicht zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt werden. Auf Betreiben des Roten Kreuzes wird er sieben Tage später entlassen.

    Victor Kugler ist wegen „Judenbegünstigung“ verurteilt worden. Er bleibt länger in Haft. Nach drei Wochen im Lager muss er an verschiedenen Orten in den Niederlanden Zwangsarbeit verrichten. Im März 1945 marschiert er in einer Kolonne von etwa 600 Gefangenen in Richtung Deutschland. An der Grenze werden sie von alliierten Flugzeugen beschossen, und er kann fliehen. Ein paar Tage später kommt er in seiner Wohnung in Hilversum an. Bis zur deutschen Kapitulation am 5. Mai hält er sich dort versteckt.

    Anne, Margot und Auguste werden nach Bergen-Belsen gebracht

    1. November 1944 Auschwitz - Bergen-Belsen

    Am 30. Oktober 1944 werden im Lager Auschwitz-Birkenau rund 1.000 Frauen zur Zwangsarbeit in der deutschen Kriegsindustrie ausgesucht. Sie müssen in der Nacht vom 1. November in einen Zug steigen. Unter ihnen sind Anne, Margot und Auguste. Edith bleibt zurück.

    Zwei Tage später kommt der Zug in Bergen-Belsen an. In diesem Konzentrationslager in Norddeutschland sind Kriegsgefangene und Juden eingesperrt. Bergen-Belsen dient auch als Zwischenstation vor dem Transport in andere Lager.

    Die Frauen müssen in Zelten hausen, doch die werden wenige Tage später von einem Sturm zerstört. Danach werden sie in Baracken untergebracht, in denen kaum noch Platz ist. Das Lager ist schmutzig, nass und kalt. Die Menschen leiden Hunger, können sich nicht sauber halten und bekommen ansteckende, tödliche Krankheiten wie Fleckfieber. Da immer neue jüdische Gefangene in das Lager gebracht werden, ist es überfüllt und die Situation wird immer schlimmer.

    Anne, Margot und Auguste begegnen verschiedenen niederländischen Frauen und versuchen, sich gegenseitig zu helfen. Über das, was sie im Lager erlitten haben, ist kaum etwas bekannt.

    Otto reist nach Hause zurück

    5. März 1945 Katowice

    Erst sechs Wochen nach der Befreiung von Auschwitz ist Otto wieder so weit bei Kräften, dass er das Lager verlassen kann. Am 5. März 1945 fährt er nach Katowice, eine Stadt in der Nähe des Lagers. Dort erfährt er von Rosa de Winter, die mit seiner Frau Edith in einer Baracke war, dass Edith gestorben ist.

    Otto schreibt Briefe an seine Angehörigen in der Schweiz und in Großbritannien. Er möchte in die Schweiz zu seiner Familie reisen, doch das geht nicht, weil er keinen Ausweis besitzt. Deshalb muss er sich anderen Niederländern anschließen, die nach Hause reisen.

    Am 2. April bricht Otto nach Odessa in der Sowjetunion (heute in der Ukraine) auf. Drei Wochen später kommt er in der Stadt am Schwarzen Meer an.

    Otto bekommt die Tagebücher

    Juli 1945 Amsterdam

    Im Juli 1945 begegnet Otto Frank den Schwestern Janny und Lientje Brilleslijper. Sie waren zusammen mit Anne und Margot in Bergen-Belsen gefangen. Sie berichten ihm von den schrecklichen letzten Lebensmonaten und dem Tod seiner Töchter als Folge von Fleckfieber.

    Auch Miep erfährt die traurige Nachricht. Sie hat die Tagebücher für Anne aufbewahrt. Doch da Anne nicht wiederkommen wird, übergibt sie alles Otto.

    Eine Zeit lang hat Otto nicht die Kraft, darin zu lesen. Doch als er dann anfängt, ist er sehr ergriffen. „Ich hatte keine Ahnung von der Tiefe ihrer Gedanken und Gefühle gehabt.“

    Otto tippt Teile des Tagebuchs ab und gibt sie Angehörigen und Freunden zum Lesen. Einige von ihnen meinen, er solle das Tagebuch veröffentlichen. Andere sind strikt dagegen. Schließlich entscheidet sich Otto für die Veröffentlichung. Er macht aus dem Tagebuch ein Typoskript und bietet es Verlagen an.

    Todesmärsche aus Konzentrationslagern

    Winter 1945 Deutschland

    Im Sommer 1944 verlieren die Deutschen immer mehr Gebiete an die Rote Armee. Die Front verschiebt sich so schnell nach Westen, dass die Nazis befürchten, ihre Konzentrations- und Vernichtungslager würden entdeckt. Himmler, Chef der SS, befiehlt, Gefangene aus dem besetzten Osteuropa nach Deutschland zu holen. Dann werden die Lager leerer, die Gefangenen können nicht befreit werden und dem Feind etwas berichten, und zudem können sie noch zur Zwangsarbeit eingesetzt werden.

    Zuerst werden die Gefangenen mit Zügen in den Westen gebracht. Aber seit dem Herbst, als die Sowjets weiter vorgerückt sind, müssen sie weite Strecken zu Fuß zurücklegen. Die Gefangenen nennen das „Todesmärsche“. Bei winterlichen Wetterverhältnissen müssen sie Hunderte Kilometer laufen, ohne warme Kleidung und Schuhe, Lebensmittel oder Schlafdecken. Wer vor Erschöpfung nicht mehr weiter kann, wird erschossen oder erschlagen. Die Überlebenschance ist sehr gering.

    Operation Market Garden

    September 1944 Arnheim, Niederlanden

    Nach der Befreiung Frankreichs und Belgiens im August und September 1944 wollen die Alliierten nach Deutschland vorstoßen. Doch die deutsche Verteidigungslinie an der Grenze zu Belgien ist zu stark. Der britische General Montgomery will sie deshalb über die Niederlande umgehen.

    Montgomery hat einen kühnen Plan: Operation Market Garden. Er will wichtige Brücken im Osten der Niederlande erobern, damit die Armeen der Alliierten über die Flüsse hinweg nach Deutschland vorrücken können. Außerdem kann die deutsche Wehrmacht in den westlichen Niederlanden auf diese Weise eingekreist werden. Die Brücken sollen dann von Fallschirmspringern und Luftlandetruppen eingenommen werden. Panzer rücken unterdessen zur Verstärkung über Land vor. Damit Montgomerys Plan gelingt, ist es wichtig, dass die Truppen der Alliierten schneller in Arnhem sind als die deutschen Verstärkungen. Der östlichste Punkt des Unternehmens ist Arnhem, wo sich die letzten strategisch wichtigen Brücken befinden.

    Am 17. September und an den Tagen darauf landen Tausende britische, irische, amerikanische und polnische Soldaten mit Fallschirmen oder Lastenseglern in der Nähe von Eindhoven, Nijmegen und Arnhem, um die Brücken einzunehmen. An manchen Orten haben sie Erfolg, doch bei Arnhem scheitert der Plan. Die Einheiten können sich nicht gut miteinander verständigen, die Bevorratung ist schwierig und die deutsche Armee bietet schon bald großen Widerstand. Viele Soldaten fallen oder geraten in Gefangenschaft. Ein kleiner Teil wird gerettet.

    Die Operation Market Garden misslingt. Arnhem war „a bridge too far“ (eine Brücke zu weit). Die Armee gelangt bis Nijmegen, 25 Kilometer weiter südlich. In den Wochen darauf werden andere Teile der südlichen Niederlande befreit. Danach bleibt es still an der Front bis zum Frühjahr 1945.

    Hungerwinter: Hunger und Kälte in den Niederlanden

    Dezember 1944 Niederlande

    Die Befreiung der südlichen Niederlande im Herbst 1944 hat schlimme Folgen für den besetzten Westen des Landes.

    Die niederländische Exilregierung in London ruft zu einem großen Streik der Eisenbahner auf, um am 17. September 1944 die Operation Market Garden zu unterstützen. 30.000 Bahnangestellte streiken. Bis zum Ende des Krieges fahren keine Züge mehr. Doch als Strafmaßnahme blockieren die deutschen Besatzer sechs Wochen lang die Lebensmitteltransporte in die Provinzen Nord- und Südholland. Mit eigenen Zügen stellen die Deutschen ihre Versorgung sicher.

    Die Zufuhr von Steinkohle aus der Provinz Limburg ist abgeschnitten, denn dazwischen liegt nun die Frontlinie zwischen Deutschland und den Alliierten.

    Im Dezember 1944 frieren außerdem die Flüsse und das IJsselmeer zu. Nun kann auch nichts mehr über Wasser transportiert werden.

    Bald herrscht im Westen der Niederlande großer Mangel an Brennstoff und Lebensmitteln. Von überall her versucht die Bevölkerung Holz zum Heizen aufzutreiben. Die Menschen fällen illegal Bäume, verbrennen alte Möbel und stehlen die Holzschwellen der Straßenbahnschienen. In den verlassenen Häusern deportierter Juden reißen sie alle hölzernen Bauteile heraus, sodass die Häuser manchmal einstürzen.

    Die Nahrungsmittelknappheit führt zu einer Hungersnot. Die Menschen essen alles, was nur irgendwie essbar ist: Tulpenzwiebeln und Zuckerrüben, aber auch Hunde und Katzen. Da es auf dem Land noch Nahrungsmittel gibt, laufen oder radeln Menschen Dutzende Kilometer, um bei Bauern etwas Essbares zu kaufen. Manche dieser Bauern bereichern sich an der Hungersnot und tauschen ihre Produkte nur gegen teuren Schmuck und hohe Geldsummen. Andere helfen, so gut sie können, aber die Lebensmittelknappheit bleibt bestehen. Etwa 20.000 Menschen sterben als Folge des Hungerwinters.

    Verhaftung und Freilassung Karl Silberbauer

    1963 Wien

    1963 wird der ehemalige Nazi Karl Silberbauer in Wien festgenommen. Er ist der SD-Mann, der die acht Untergetauchten 1944 verhaftet hat. Seit 1946 arbeitet er wieder - wie vor dem Zweiten Weltkrieg - als Polizist in Wien. Der „Nazijäger“ Simon Wiesenthal hat Silberbauer in Wien aufgespürt.

    In einer schriftlichen Erklärung sagt Silberbauer aus, er hätte die Verhaftung der Untergetauchten wahrscheinlich vergessen, wenn Anne Frank und ihr Tagebuch nicht so berühmt geworden wären. Er nennt noch viele Einzelheiten der Verhaftung, äußert sich aber nicht zu einem Verräter.

    Die Wiener Polizei hat Silberbauer während der Ermittlungen vom Dienst suspendiert. Doch er darf seine Arbeit danach weiter ausüben, weil er nicht strafrechtlich verfolgt werden kann. Die Begründung lautet, er habe 1944 „auf Befehl“ gehandelt und sich bei der Verhaftung „korrekt“ verhalten.

    Aufstellung Skulptur von Anne Frank in Utrecht

    12. April 1960 Utrecht

    Am 30. April 1959 schenken die Kinder und Jugendlichen von Utrecht der Stadt eine Statue von Anne Frank. Es ist ein Dank dafür, dass die Stadtverwaltung die verschiedenen Jugendorganisationen in der Stadt unterstützt.

    Um die Statue bezahlen zu können, haben die Kinder Schrott und Papier gesammelt. Die Bronzeskulptur wird von Pieter d’Hont geschaffen. 1960 wird sie auf dem Utrechter Platz Janskerkhof aufgestellt.

    Es ist die erste Statue von Anne Frank auf der ganzen Welt.

    Im Dezember 1985 wurde die Statue durch Vandalismus unwiederbringlich zerstört. Im darauffolgenden Jahr wurde eine Nachbildung aufgestellt.

    Eine Kopie der Statue wurde am 8. August 2021 in Edmonton, Kanada, enthüllt.

    Zeitungsartikel über das Tagebuch

    3. April 1946 Amsterdam

    Am 3. April 1946 steht ein Artikel auf dem Titelblatt der Amsterdamer Zeitung „Het Parool“. Er hat den Titel „Kinderstem“ (Kinderstimme) und stammt von dem bekannten Historiker Jan Romein. Tief beeindruckt berichtet er von Anne Franks Tagebuch, ohne ihren Namen zu nennen.

    Er hat das Manuskript gelesen, das Otto aus Annes Tagebüchern zusammengestellt hat. Das Tagebuch sei „intelligent“, schreibt er, „menschlich“ und „in beneidenswert reinem und klarem Niederländisch verfasst“. Es zeige „eine unfehlbare Einsicht in die menschliche Natur“. Das Tagebuch rufe ihm die Kriegszeit in die Erinnerung zurück und es sei ein Zeugnis für die Verbrechen der Nazis.

    Aufgrund des Artikels interessieren sich mehrere Verlage für das Tagebuch.

    Das Tagebuch wird in Hollywood verfilmt

    1959 Los Angeles

    1959 hat der Film The Diary of Anne Frank Premiere. Regisseur ist George Stevens, das Drehbuch stammt von Frances Goodrich und Albert Hackett, die auch das Theaterstück geschrieben haben.

    Der Film wurde in Amsterdam und in einem Studio in Hollywood gedreht. Otto besucht das Filmset. Shelley Winters, die Darstellerin der Gusti van Pels, merkt, wie sehr es ihn mitnimmt, die Schauspieler und die Kulissen im Stil der Zeit des Untertauchens zu sehen.

    Otto Frank sagt voraus, dass Shelley Winters einen Oscar für ihre Rolle bekommen wird. Das geschieht tatsächlich. Der Film wird mit zwei weiteren Oscars ausgezeichnet. Einen für „Beste Kamera - schwarz-weiß“ (William C. Mellor) und einen für „Best Art-Direction – Szenenbild, schwarz-weiß“ (Lyle R. Wheeler, George W. Davis, Walter M. Scott, Stuart A. Reiss).

    Novemberrevolution: Deutschland wird eine Republik

    9. November 1918 Deutschland

    Im Herbst 1918 haben viele Menschen in Deutschland den Krieg mehr als satt. Es herrscht großer Mangel an Lebensmitteln, und im ganzen Land kommt es zu Protesten und Demonstrationen. Die Bevölkerung gibt Kaiser Wilhelm II. die Schuld am Krieg und will, dass er abdankt. Auch viele Soldaten sind kampfesmüde und wollen, dass der Krieg aufhört.

    Am 9. November 1918 dankt der Kaiser notgedrungen ab. Aber es ist unklar, wer die Macht erhalten soll. Die etablierten Parteien befürchten, dass die kommunistischen Revolutionäre die Macht ergreifen. Um das zu verhindern, ruft der sozialdemokratische Politiker Philipp Scheidemann noch am Nachmittag dieses Tages die Republik aus.

    Ein paar Stunden später erklärt Karl Liebknecht, der Führer des kommunistischen Spartakusbundes, dass Deutschland nun eine „freie sozialistische Republik“ sei. Daraufhin kommt es zu einem Machtkampf zwischen der sozialdemokratischen Partei und den Kommunisten.

    Im Januar 1919 erreichen die Unruhen einen Höhepunkt. Linke Arbeiter rufen zu einem Generalstreik auf, dem Spartakusaufstand. Um eine linksradikale Revolution zu verhindern, setzen die gemäßigten Sozialdemokraten die Armee und die Freikorps ein. Diese kämpfen auf den Straßen gegen die Revolutionäre. Ein Freikorps ist eine selbstständige Einheit freiwilliger Soldaten. Sie sind sowohl gegen die Kommunisten als auch gegen die Republik.

    Am 15. Januar verhaften Mitglieder eines Freikorps die beiden führenden Personen des Aufstandes, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, und misshandeln und ermorden sie. Damit endet der Aufstand. Es bleibt aber noch monatelang unruhig in Deutschland.

    Deutschland schließt Waffenstillstand mit Großbritannien und Frankreich

    11. November 1918 Compiègne

    Im Herbst 1918 zeichnet sich ab, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen kann. Die Gegner sind wirtschaftlich und militärisch zu stark. Zudem geben immer mehr Bündnispartner des Deutschen Reichs den Kampf auf. In Deutschland selbst herrscht große Unruhe. Dem Land bleibt nichts anderes übrig, als den Krieg zu beenden.

    Am 9. November 1918 treffen sich Vertreter der Entente und des Deutschen Reichs in einem Bahnwaggon im Wald von Compiègne, einer kleinen Stadt 60 Kilometer nördlich von Paris. Der deutsche Abgesandte Matthias Erzberger will noch über die Bedingungen des Waffenstillstands verhandeln. Darauf lässt sich die Delegation der Entente nicht ein. Sie verlangt von Deutschland die bedingungslose Kapitulation. Zwei Tage später, am 11. November, unterzeichnet Deutschland den Waffenstillstand, der am selben Tag um 11.00 Uhr in Kraft tritt.

    Deutschland verliert durch den Waffenstillstand viel. Im Vertrag steht, dass Deutschland innerhalb von zwei Wochen alle Truppen vom französischen und belgischen Territorium zurückziehen muss. Das Rheinland, ein Gebiet an der Grenze Deutschlands zu Belgien und Frankreich, wird von Truppen der Entente besetzt. Deutschland muss die Gebiete in Osteuropa zurückgeben, die es im Krieg erobert hat. Außerdem muss das Land große Mengen Kriegsmaterial an die Siegermächte abtreten.

    Nazis veranstalten Parteitag in Nürnberg

    1. August 1927 Nürnberg

    1927 veranstaltet die NSDAP zum ersten Mal ihren Parteitag - die jährliche landesweite Parteiversammlung - in der Stadt Nürnberg. Der Parteitag wird gut vorbereitet und zu Propagandazwecken benutzt. So wollen die Nazis zeigen, wie großartig ihre Bewegung ist.

    Deutschland greift die Niederlande, Belgien und Frankreich an

    10. Mai 1940 Westeuropa

    Am 10. Mai 1940 überfällt Deutschland die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Luxemburg wird noch am selben Tag besetzt. Die Niederlande kapitulieren am 15. Mai, Belgien am 28. Mai. Großbritannien unterstützt die Niederlande, Belgien und Frankreich, zieht sich später jedoch zurück.

    Am 5. Juni startet die deutsche Wehrmacht einen Großangriff gegen Frankreich. Am 14. Juni besetzen deutsche Truppen Paris. Die französische Regierung und viele Einwohner*innen der Stadt sind bereits geflohen. Der französischen Regierung gelingt es nicht, die Armee gut zu führen, und sie verliert das Vertrauen der Bevölkerung. Der französische Premierminister tritt zurück. Marschall Philippe Pétain wird sein Nachfolger.

    Am 22. Juni unterzeichnet die französische Armee die Kapitulation in einem Bahnwaggon bei Compiègne, einer kleinen Stadt 60 Kilometer nördlich von Paris. Dieser Ort hat eine besondere Bedeutung für die Deutschen. 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, unterzeichnete Deutschland hier die Kapitulation. Das empfanden viele Deutsche als große Demütigung.

    Deutschland besetzt nicht das gesamte Gebiet Frankreichs. Südlich der Front ist eine neue französische Regierung unter Marschall Pétain an der Macht. Dieses „Vichy-Regime“, benannt nach dem Regierungssitz im Kurort Vichy, arbeitet mit den Deutschen zusammen. Nicht alle Franzosen finden sich damit ab. Manche gehen in den Widerstand, andere fliehen nach London. Dort gründet General Charles de Gaulle das „Freie Frankreich“ mit dem Ziel, gegen die deutsche Besetzung Frankreichs zu kämpfen.

    Deutschland überfällt mit Bündnispartnern Griechenland und Jugoslawien

    6. April 1941 Jugoslawien - Griechenland

    Zusammen mit den Bündnispartnern Italien, Bulgarien und Ungarn überfällt Deutschland am 6. April 1941 Griechenland und das Königreich Jugoslawien. Drei Tage lang bombardiert die deutsche Luftwaffe Belgrad, die Hauptstadt Jugoslawiens. Am 17. Mai kapituliert Jugoslawien.

    Gebiete Jugoslawiens werden Deutschland und dessen Bündnispartnern angegliedert. Im Westen annektiert Italien den Süden Sloweniens und einen Streifen an der Adriaküste. Deutschland besetzt einen Teil Serbiens und nimmt den Norden Sloweniens ein, Ungarn einen anderen Teil Sloweniens und Serbiens. Bulgarien annektiert Mazedonien.

    In einem großen Teil Jugoslawiens entsteht ein neuer Staat: der Unabhängige Staat Kroatien. Dieses Land arbeitet mit Italien und Deutschland zusammen. Es wird von der faschistischen Ustascha-Bewegung unter Ante Pavelić regiert. Diese Regierung verübt schreckliche Kriegsverbrechen gegen Serben, Juden, Roma und Sinti.

    Italien hat 1939 Albanien besetzt und greift von dort aus im Oktober 1940 Griechenland an. Da sich Griechenland für Italien als zu stark erweist, kommt Deutschland im April 1941 über Jugoslawien und Bulgarien zu Hilfe. Im Mai landen deutsche Fallschirmjäger auf Kreta. Nach 11 Tagen schwerer Kämpfe besetzen sie die ganze Insel, und am 1. Juni 1941 fällt Griechenland.

    Die deutsche Armee steckt in der Sowjetunion fest

    Oktober 1941 Moskau

    Der deutsche Vormarsch in der Sowjetunion kommt im Oktober 1941 vor Moskau zum Stillstand. Als die herbstliche Regenzeit hereinbricht, bleiben die Panzer im Schlamm stecken. Dann setzt früh der Winter ein.

    Es wird der kälteste Winter seit Jahrzehnten. Die Fahrzeuge versagen bei den eisigen Temperaturen. Da die deutsche Armeeführung mit einem schnellen Sieg gerechnet hatte, haben die Soldaten keine angemessene Winterkleidung und leiden unter der Kälte. Doch die Kälte ist nicht das einzige Problem. Moskau ist so weit von Deutschland entfernt, dass es sehr schwierig ist, Waffen und Lebensmittel zu den Truppen zu schaffen.

    Siege der Alliierten in Nordafrika

    November 1942 Nordafrika

    Am 9. November 1942 landen britische und amerikanische Truppen in Nordafrika. Es ist ihre erste militärische Zusammenarbeit in diesem Krieg. Die alliierten Truppen gehen an mehreren Orten in Marokko und Algerien an Land. In Algier, Algeriens Hauptstadt, helfen jüdische Widerstandskämpfer den Alliierten dabei, die Stadt einzunehmen. Vichy-Frankreich (die französische Regierung, die mit Nazi-Deutschland zusammenarbeitet) kapituliert in Marokko und Algerien.

    Mit dieser Invasion greifen die Alliierten Deutschland im Rücken an. Dreitausend Kilometer weiter östlich, in Ägypten und Libyen, kämpft Deutschland nämlich schon länger gegen die britische Armee. Dort wird das Land am 11. November 1942 bei El-Alamein besiegt.

    Ein halbes Jahr später, im Mai 1943, werden Deutschland und Italien ganz aus Nordafrika vertrieben.

    Schlacht in der Javasee

    27. Februar 1942 Niederländisch-Indien

    Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor erklären die Niederlande Japan den Krieg. Zusammen mit den alliierten Bündnispartnern USA, Großbritannien und Australien stellen die Niederlande eine Armee auf. Diese Armee heißt ABDACOM: American-British-Dutch-Australian Command. ABDACOM soll eine japanische Invasion in Südostasien verhindern. Doch das gelingt nicht. Von Dezember 1941 bis Februar 1942 erobert Japan Malaysia, Singapur und Teile von Niederländisch-Indien.

    Am 27. Februar 1942 ist eine japanische Flotte unterwegs, um Truppen auf Java (Niederländisch-Indien) an Land zu setzen. Die alliierte ABDACOM-Flotte versucht diese Invasion zu stoppen. Die Schiffe stehen unter dem Befehl des Niederländers Karel Doorman auf dem Schiff „Hr. Ms. De Ruyter“.

    Japans Flotte ist zu stark. Sie besitzt mehr Schiffe, bessere Waffen und Aufklärungsflugzeuge. Die ABDACOM-Flotte hat schlechte Kommunikationsmittel. In einer siebenstündigen Seeschlacht verlieren die Alliierten fünf Schiffe und mehr als 1.000 Soldaten. In den Tagen darauf zerstört die japanische Marine die übrigen Schiffe.

    Am 28. Februar 1942 landen die japanischen Truppen auf Java. Die Niederlande spielen für den Rest des Zweiten Weltkriegs keine bedeutende militärische Rolle mehr.

    Japan besetzt Niederländisch-Indien

    9. März 1942 Niederländisch-Indien

    Am 8. März 1942 unterzeichnet der Befehlshaber der niederländischen Streitkräfte in Niederländisch-Ostindien die Kapitulation gegenüber Japan. Am nächsten Tag wird die Kapitulation im Radio verkündet.
    Zwei Wochen zuvor hat Japan die niederländische Flotte bei der Schlacht in der Javasee zerstört. Die Niederlande sind nun nicht nur von Deutschland besetzt, sondern haben auch ihre größte Kolonie verloren. Das ist ein großer Schlag für die Alliierten. In Niederländisch-Indien wird viel Erdöl gefördert, und es besitzt auch andere wichtige Rohstoffe wie Bauxit (für Aluminium) und Kautschuk. Diese Rohstoffe gelangen nun in den Besitz Japans.

    Die niederländischen Bewohner*innen und auch viele Indonesier*innen werden in Lagern interniert. Tausende niederländische und alliierte Kriegsgefangene und Zehntausende Indonesier müssen Zwangsarbeit in anderen von Japan besetzten Ländern leisten.

    Indonesische Nationalisten, die die Unabhängigkeit von den Niederlanden anstreben, werden von Japan als Mitstreiter im Krieg akzeptiert. Japan erlaubt ihnen jedoch nicht, dass sie das Land „Indonesien“ nennen.

    Juden werden im besetzten Polen gedemütigt

    1. Oktober 1939 Besetztes Polen

    Polen wird 1939 von Deutschland besetzt. Sofort nimmt der Antisemitismus gegenüber polnischen Juden und Jüdinnen zu. SS-Leute und andere Deutsche schneiden religiösen Juden die Bärte ab, zünden Synagogen und jüdische Häuser an und zwingen Juden zu Zwangsarbeit.

    Die Nazis richten auch Ghettos ein. Das sind Viertel in einer Stadt oder einem Dorf, in denen Menschen jüdischen Glaubens wohnen müssen. Sie dürfen die Ghettos nicht verlassen. Die Lebensumstände dort sind menschenunwürdig. Es gibt zu wenig Wohnraum, das Essen ist knapp, und die hygienischen Verhältnisse sind schlecht.

    Einsatzgruppen: spezielle Mordkommandos

    1941-1942 Sowjetunion

    Nach dem Überfall auf die Sowjetunion stellen die Nazis in den eroberten Gebieten sogenannte Einsatzgruppen auf. Diese Mordkommandos sollen Jüdinnen und Juden und kommunistische Funktionäre töten. Die Wehrmacht unterstützt sie dabei.

    Die Einheiten fordern ihre Opfer dazu auf, sich an zentralen Punkten zu sammeln, oder sie treiben sie bei Razzien zusammen. Dann ermorden sie die Menschen am Rand von Schluchten oder vor ausgehobenen Gräben. Manchmal bringen sie die Menschen erst in Ghettos unter und ermorden sie später.

    Eines der berüchtigtsten Massaker findet im September 1941 in der Schlucht Babi Jar bei Kiew statt. Bei einem Anschlag des NKWD (Geheimdienst der Sowjetunion) wird das Armeehauptquartier der Deutschen beschädigt. Die Nazis beschließen, als Vergeltungsmaßnahme alle Juden in Kiew zu ermorden.

    Die Einsatzgruppe C befiehlt den jüdischen Bewohnern Kiews auf Flugblättern, sich für eine „Umsiedlung“ zu melden. Mehr als 30.000 Menschen befolgen den Befehl. Sie werden zu der Schlucht Babi Jar getrieben. Dort müssen sie alles abgeben, was sie besitzen, und sich entkleiden. Dann werden sie erschossen.

    Die Einsatzgruppe C ermordet hier innerhalb von zwei Tagen 33.771 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Auch Kollaborateure aus der Stadt sind an dem Massaker beteiligt. Ende 1941 haben die Einsatzgruppen circa 300.000 Menschen ermordet. Ein halbes Jahr später sind es ungefähr eine halbe Million. Neben Juden sind darunter auch Zehntausende sowjetische Parteifunktionäre, Partisanen, Behinderte und Roma.

    Aktion Reinhard: Ermordung der Juden im besetzten Polen

    1942 - 1943 Besetztes Polen

    Im Herbst 1941 beginnen die Nazis mit den Vorbereitungen für eine großflächige Mordaktion: die Auslöschung der mehr als zwei Millionen Jüdinnen und Juden, die im besetzten Teil Polens leben. Der Befehl dazu kommt von Heinrich Himmler, dem „Reichsführer SS“. Nachdem im Juni 1942 ein Attentat auf den SS-Funktionär Reinhard Heydrich verübt wurde, wird der Einsatz nach ihm benannt: „Aktion Reinhardt“.

    Die Nazis errichten drei Vernichtungslager, um ihren Plan auszuführen. Diese liegen in schwer zugänglichen Gebieten: Belzec, Sobibor und Treblinka. Das Arbeitslager Majdanek existiert bereits und erhält nun Gaskammern. Die Lager sind im Frühjahr 1942 fertig. Die Juden und Jüdinnen aus den Ghettos werden in diese Lager gebracht und gleich nach der Ankunft in Gaskammern ermordet.

    Ende 1942 sind fast 1,3 Millionen Menschen umgebracht worden. Im November 1943 endet die „Aktion Reinhardt“. Die Lager werden geräumt und die Leichen der Opfer ausgegraben und verbrannt. Danach pflanzen die Nazis Bäume auf dem Gelände, um die Spuren ihrer Verbrechen zu tilgen. Alle jüdischen Gefangenen des Lagers Majdanek werden ermordet.

    Dieser Aktion fielen insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen zum Opfer. Neben den jüdischen Polinnen und Polen wurden in den Lagern auch Menschen jüdischen Glaubens aus Frankreich, Jugoslawien, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, der Slowakischen Republik, Österreich und aus Balkanländern umgebracht. In Sobibor werden 1943 mehr als 34.000 jüdische Niederländer*innen ermordet.

    Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz

    März 1942 Auschwitz-Birkenau

    Ende 1941 wird das Konzentrationslager Auschwitz im besetzten Polen um einen zweiten Ort erweitert: Birkenau. Ab Mitte 1942 verschleppen die Nazis Jüdinnen und Juden aus ganz Europa in dieses Lager, um sie zu ermorden.

    Das erste Lager von Auschwitz wurde im Mai 1940 als Gefängnis für politische Gefangene und Kriegsgefangene errichtet. Bei den Kriegsgefangenen handelte es sich vor allem um Polen und Sowjets. Da der Platz für die wachsende Zahl der Gefangenen nicht ausreicht, wird 1942 wenige Kilometer weiter das Lager Birkenau gebaut.

    Auschwitz-Birkenau ist ein weiträumiges, 175 Hektar großes Gelände. Es hat Hunderte Baracken, in denen jeweils mehrere hundert Menschen untergebracht sind.

    Das Lager hat den Zweck, Menschen umzubringen. Nach der Ankunft werden sie ermordet, es sei denn, die Nazis können sie als Zwangsarbeiter gebrauchen. Die hygienischen Umstände sind sehr schlecht, und es gibt zu wenig und schlechtes Essen. Gefangene sterben vor Entkräftung und durch Krankheiten.

    Das Lager hat vier große Gaskammern, in denen die Gefangenen mit dem Gift Zyklon B ermordet werden.

    Mehr als 57.000 Jüdinnen und Juden aus den Niederlanden werden in Auschwitz ermordet. Nur 970 jüdische Niederländer*innen überleben das Lager.

    Insgesamt wurden in Auschwitz und seinen Nebenlagern mehr als 1 Million Menschen ermordet: circa 1 Million Juden, 70.000 Polen und 21.000 Roma und Sinti. Fast alle 15.000 sowjetischen Kriegsgefangenen in diesem Lager starben. Außerdem kamen Tausende politische Häftlinge und Widerstandskämpfer aus mehreren Ländern Europas um.

    Niederländische Juden werden beraubt

    8. August 1941 Amsterdam

    Am 8. August 1941 eröffnet an der Sarphatistraat in Amsterdam die Liro-Bank. Es scheint sich um eine Filiale des jüdischen Bankhauses Lippmann, Rosenthal & Co zu handeln. Doch das stimmt nicht. Es ist eine „Raubbank“, von den Nazis eingerichtet, um Geld und Wertsachen von Juden zu stehlen.

    Die Nazis ergreifen viele Maßnahmen, um Juden in den Niederlanden ihres Besitzes zu berauben. Ab 8. August 1941 müssen sie Bargeld und Bankguthaben, das 1000 Gulden überschreitet, bei der Liro-Bank einzahlen. Sie dürfen keine Konten mehr bei anderen Banken besitzen. Im September müssen Juden ihren Grundbesitz registrieren lassen. Im Mai 1942 müssen ihre übrigen Wertsachen wie Schmuck, Gold, Kunstwerke und Antiquitäten abliefern.

    Ab Januar 1942 werden die Aktien aus jüdischem Besitz an der Börse veräußert. Auch Kunstwerke werden verkauft und landen in deutschen Museen. Die Erlöse gehen nicht an die ehemaligen Eigentümer*innen, sondern an die Liro-Bank. Im Juni 1942 durften Juden weder für sich noch für ihren gesamten Haushalt mehr als 250 Gulden Lohn erhalten. Alles, was sie darüber hinaus verdienten, musste auf ihr Konto bei der Liro-Bank eingezahlt werden. 1943 kündigt die Liro-Bank Lebensversicherungen von Juden und behält die ausgezahlten Beträge ein.

    Mit dem Geld wird die Deportation der Jüdinnen und Juden mit Straßenbahnen und Zügen bezahlt. Auch die Erweiterung des Durchgangslagers Westerbork und der Bau des Konzentrationslagers Vught werden damit finanziert.

    Insgesamt raubt die Liro-Bank den niederländischen Jüdinnen und Juden eine enorm hohe Summe. Schätzungen gehen von 325 bis 455 Millionen Gulden aus.

    Jüdische Diamantenhändler werden durchsucht

    17. April 1942 Amsterdam

    Am 16. April 1942 müssen jüdische Diamantenhändler ihre Bestände beim „Rijksbureau voor Diamant“ (Reichsstelle für Diamanten) abliefern. Einen Tag später durchsuchen Beamte unter der Leitung eines Amsterdamer Kriminalbeamten die Taschen der jüdischen Händler in der Diamantenbörse in Amsterdam. Sie gehen dabei brutal und erniedrigend vor. Händler, die noch Diamanten besitzen, müssen diese abliefern.

    Einrichtung „Bureau Joodsche Zaken“ Abteilung für jüdische Angelegenheiten

    1. Juni 1942 Amsterdam

    Der Präsident der Amsterdamer Polizei, Sybren Tulp, richtet am 1. Juni 1942 die „Abteilung für jüdische Angelegenheiten“ ein. Er ist der Ansicht, dass die Amsterdamer Polizei Juden besser aufspüren kann als deutsche Instanzen, da sie sich in der Stadt besser auskennt. Die Abteilung hat ihren Sitz im Zentrum Amsterdams. Geleitet wird sie von Rudolf Dahmen von Buchholz, NSB-Mitglied und Antisemit.

    Die „Abteilung für jüdische Angelegenheiten“ ist zuständig, wenn Juden gegen die antijüdischen Gesetze und Verordnungen oder gegen allgemeine Gesetze verstoßen. Die Beamten spüren auch jüdische Untergetauchte auf. Bei Festnahmen wenden sie Gewalt an und stehlen jüdisches Eigentum. Die Diebstähle geraten stark außer Kontrolle. Deshalb wird die Abteilung Anfang 1943 unter die Leitung des Sicherheitsdienstes gestellt.

    Die Alliierten landen auf Sizilien

    10. Juli 1943 Sizilien

    Die Alliierten beginnen am 10. Juli 1943 mit der Landung auf der Insel Sizilien. Die Insel liegt an der Spitze des italienischen Festlandes. Über Wasser und durch die Luft werden Truppen und Material an Land geschafft. Das schlechte Wetter erschwert die Militäroperation, sorgt jedoch auch für ein Überraschungsmoment. Die Deutschen und die Italiener erwarten bei dem starkem Wind keinen Angriff.

    Am Ende des ersten Tages haben die Alliierten zwei Häfen erobert. So können neue Truppen schnell an Land gelangen. Nach einem heftigen Kampf gewinnen die Alliierten die Oberhand. Ende Juli beginnen Deutschland und Italien, ihre Truppen zurückzuziehen. Zwei Wochen später ist ganz Sizilien in den Händen der Alliierten.

    Von Sizilien aus können die Briten und Amerikaner weiter in Italien vorrücken und mit der Befreiung Europas beginnen.

    Letzte Razzien in Amsterdam: 17.000 Jüdinnen und Juden verhaftet

    20. Juni 1943 Amsterdam

    Am 20. Juni 1943, einem Sonntag, führen die deutschen Besatzer eine Großrazzia in Amsterdam durch. Die Nazis haben die Aktion im Geheimen vorbereitet. Deutsche und niederländische Polizisten riegeln die Wohnviertel in Amsterdam-Ost und Amsterdam-Süd ab. Hier wohnen die meisten Jüdinnen und Juden.

    Ab morgens 3 Uhr 30 fahren Lautsprecherwagen durch die Straßen. Den Menschen wird befohlen, sich an Sammelplätzen einzufinden. Wer nicht freiwillig kommt, wird mit Gewalt aus der Wohnung geholt. Die Razzia dauert die ganze Nacht und geht auch am nächsten Tag weiter. Etwa 5.500 Menschen werden verhaftet.

    Einen Monat später führen die Besatzer noch eine kleinere Razzia durch. Schließlich folgt am 29. September 1943 eine letzte Großrazzia. Rund 10.000 Menschen werden verhaftet und in das Lager Westerbork gebracht. Nun leben kaum noch Jüdinnen und Juden in Amsterdam.

    Leere jüdische Wohnungen

    1945 Amsterdam

    Ungefähr 60.000 Menschen jüdischen Glaubens werden von 1941 bis 1945 von den Nazis aus Amsterdam verschleppt. Die meisten werden ermordet. In ihre Wohnungen ziehen oft andere Niederländer. Viele Häuser bleiben aber auch leer, die Türen werden verrammelt. Im Hungerwinter werden sie halb abgerissen für Brennholz. Im Transvaal-Viertel und im Judenviertel sind ganze Straßenzüge verlassen. Die Häuser sind zu Ruinen geworden.

    Übersicht der Holocaust-Opfer

    1945 Europa

    Die Nazis ermorden während des Zweiten Weltkriegs jüdische Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa. Diese Karte zeigt die Zahl der jüdischen Opfer in jedem Land.

    Hitlers letzter Angriff: die Ardennenoffensive

    16. Dezember 1944 Belgien

    Im Dezember 1944 unternimmt Deutschland einen letzten Versuch, die Alliierten zu besiegen. Hitler und seine Generäle hoffen, die Alliierten mit einem Großangriff zum Waffenstillstand zu zwingen.

    Von den Alliierten unbemerkt verlegen die Deutschen immer mehr Truppen über die Grenze nach Belgien und Luxemburg. Hier startet die Wehrmacht am 16. Dezember den Angriff. Die Armee der Alliierten wird von der Attacke überrascht.

    Die Alliierten sind zahlenmäßig unterlegen, und aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse kann ihre Luftwaffe nicht aufsteigen. Der Vormarsch der deutschen Armee wird durch den Schnee gebremst.

    Am 23. Dezember klart es wieder auf, und die Alliierten können mit ihren Flugzeugen die deutschen Stellungen bombardieren. Trotzdem dauert es noch bis zum 3. Januar 1945, bevor die Alliierten eine große Gegenoffensive starten. Erst Ende Januar haben sie die Deutschen auf die Ausgangspositionen ihres Angriffs zurückgedrängt.

    Auf beiden Seiten sind die Verluste hoch. Zehntausende Soldaten sind tot, vermisst oder verwundet.

    Deutschland kapituliert

    7. Mai 1945 Reims

    Hitler begeht am 30. April 1945 Selbstmord. In den Tagen darauf erfolgt der endgültige Zusammenbruch Nazi-Deutschlands. Berlin wird von der sowjetischen Armee besetzt. Die Deutschen haben nur noch Macht über ein paar kleinere, unzusammenhängende Gebiete in Deutschland und in den besetzten Ländern. Teile der Wehrmacht haben bereits kapituliert. Die Alliierten fordern die bedingungslose Kapitulation. Die Wehrmachtsführung hat keine Wahl mehr und muss die Forderung akzeptieren.

    Am 7. Mai 1945 unterzeichnet der deutsche General Alfred Jodl in der französischen Stadt Reims die Kapitulation. Eisenhowers Stabschef und ein sowjetischer General unterzeichnen für die Alliierten. In dem Dokument steht, dass alle deutschen Streitkräfte am 8. Mai 1945 um 23.01 die Kampfhandlungen einstellen müssen.

    Am nächsten Tag erklärt die Sowjetunion, dass sie die Kapitulation nicht akzeptiert. Sie fordert eine separate Kapitulation Deutschlands gegenüber der Roten Armee. Diese wird am 8. Mai von Feldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin in Gegenwart von General Georgi Schukow, Generalstabschef der Roten Armee, unterzeichnet. Einen Tag später tritt die Kapitulation in Kraft.

    Aufgrund der zwei verschiedenen Zeitpunkte der Kapitulation gibt es zwei Tage, an denen sie von den Alliierten gefeiert wird. In Westeuropa ist es der VE-Tag (Victory in Europe Day) am 8. Mai, in Russland feiert man am 9. Mai den Tag des Sieges.

    Befreiungsfeste in den Niederlanden

    Mai 1945 Niederlande

    Am 5. Mai 1945 tritt die Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Kraft. Die Niederlande sind nach fünf Jahren von der Besatzungsmacht erlöst. Im ganzen Land feiern die Menschen auf den Straßen die Befreiung.

    Obwohl viele Menschen noch unter den Nachwirkungen der schweren Jahre leiden, überwiegt nach der Befreiung die Freude. Die Menschen tanzen, singen und schwenken die niederländische Fahne.

    Die britischen und kanadischen Soldaten werden bei ihrem Einzug in die Städte als Helden empfangen. Menschen fahren auf ihren Panzern und Jeeps mit. Die Soldaten verteilen Kaugummi und Schokolade. Die Feierstimmung hält monatelang an.

    Verhaftung NSB-Leiter Anton Mussert

    7. Mai 1945 Den Haag

    Anton Mussert, der Leiter der niederländischen Nationalsozialistischen Bewegung (NSB), wird am 7. Mai 1945 in Den Haag verhaftet. Vor dem Sondergerichtshof in Den Haag wird er im selben Jahr zum Tode verurteilt. Der Niederländer Mussert erhält diese Strafe, weil er bei der deutschen Herrschaft mitgewirkt und die Besatzer unterstützt hat.

    Am 7. Mai 1946, ein Jahr nach seiner Verhaftung, wird Mussert von einem Erschießungskommando hingerichtet. Die Exekution findet auf der Waalsdorpervlakte statt. Hier haben die Deutschen im Krieg viele niederländische Widerstandskämpfer ermordet.

    Hinrichtung von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß

    16. April 1947 Oświęcim

    Rudolf Höß wird am 16. April 1947 auf dem Lagergelände von Auschwitz unweit des ehemaligen Krematoriums erhängt. Höß war der Kommandant des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Er war für den Tod von fast einer Million Juden und anderer Gefangener im Lager verantwortlich.

    Nach dem Krieg lebt Höß eine Zeit lang unter falschem Namen. Im März 1946 spürt ihn ein britisches Ermittlerteam auf. Im Nürnberger Prozess sagt er dann als Zeuge aus.

    Die Alliierten liefern ihn an Polen aus. Als die Deutschen das Land besetzt hielten, hatten sie dort das Lager Auschwitz errichtet. Deshalb wird er in Polen vor Gericht gestellt.

    In der Gefängniszelle schreibt er seine Autobiografie. Darin bedauert er, was geschehen ist. Er ist sich jedoch keiner Schuld bewusst und sagt, er habe nur Befehle befolgt. Im März 1947 wird er für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

    Gedenken an die Opfer öffentlicher Hinrichtungen

    5. Mai 1945 Amsterdam

    Schon am 5. Mai 1945 legen Einwohner*innen von Amsterdam Blumen und Kränze an den Orten nieder, an denen Gefangene und Zivilisten erschossen worden waren. Viele Menschen nehmen daran teil.

    Die Nazis erschießen seit September 1944 regelmäßig öffentlich Menschen als Vergeltung für Anschläge von Widerstandskämpfern. Manchmal holen sie Gefangene aus der Zelle, aber sie nehmen auch willkürlich Menschen aus der Umgebung des Anschlags fest. Passanten müssen zuschauen.

    Auf dem Weteringplantsoen erschießen die deutschen Besatzer am 12. März 1945 dreißig politische Gefangene. Das Massaker ist eine Vergeltungsaktion für die Erschießung eines Beamten des Sicherheitsdienstes in einem Haus an der Stadhouderskade ganz in der Nähe. Die Exekution fordert unbeabsichtigt noch ein weiteres Todesopfer. Der untergetauchte Jan Koopmans wird von einem Querschläger getroffen, als er während der Exekution aus dem Fenster schaut.

    Kurz nach der Exekution legen Mitglieder des Widerstandes die niederländische Fahne über die Opfer.

    Das Nationalmonument auf dem Dam

    13. Dezember 1947 Amsterdam

    Königin Wilhelmina legt am13. Dezember 1947 einen Kranz am Nationalmonument auf dem Dam nieder. Vertreter der niederländischen Provinzen stellen Urnen in das Monument.

    Die Urnen enthalten Erde aus allen Provinzen und von besonderen Orten: von den Stätten, an denen Menschen erschossen wurden, vom Grebbeberg, wo im Mai 1940 schwere Kämpfe stattfanden, und aus Walcheren, wo die Truppen der Alliierten gelandet waren. Die Erde aus der Provinz Nord-Brabant ist mit der Asche von eingeäscherten Gefangenen aus dem Lager Vught vermischt. Das Nationalmonument wird damit zu einem symbolischen Grab für alle Menschen, die ihr Leben für das Vaterland gegeben haben.

    Am 4. Mai 1956 enthüllt Königin Juliana (die Tochter von Wilhelmina) ein neues Denkmal. Es wurde am Ort des alten Monuments errichtet und ist bis heute das Nationalmonument auf dem Dam.

    Die Vereinten Nationen beschließen die Völkermord-Konvention

    9. Dezember 1948 Paris

    Am 9. Dezember 1948 beschließt die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Völkermord-Konvention. Am 12. Januar 1951 tritt das Abkommen in Kraft. Die offizielle Bezeichnung lautet Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide. Damit soll Genozid (Völkermord) verhindert werden, und Täter sollen strafrechtlich verfolgt werden.

    Genozid oder Völkermord gilt damit im internationalen Recht als Verbrechen. Darunter fallen alle „Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.“

    Den Begriff Genozid prägte der polnisch-jüdische Jurist Raphael Lemkin. Er ersann dieses Wort, um die Verbrechen der Nazis zu beschreiben. Für Lemkin war die Annahme der Völkermord-Konvention auch eine persönliche Angelegenheit. Der größte Teil seiner Familie wurde im Krieg von den Nazis ermordet.

    Japan bombardiert Pearl Harbor: Hitler erklärt den USA den Krieg

    7. Dezember 1941 Pearl Harbor

    Am Samstagmorgen, dem 7. Dezember 1941, trifft eine japanische Kriegsflotte im amerikanischen Marinestützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii ein. Mit Bomben und Torpedos greifen die Japaner die Amerikaner an. Mehr als 3.500 Amerikaner sterben oder werden verletzt. Achtzehn Kriegsschiffe werden versenkt, Hunderte Flugzeuge zerstört oder beschädigt.

    Japan greift die Vereinigten Staaten an, um zu verhindern, dass die Amerikaner die japanischen Pläne zur Gebietsvergrößerung in Asien vereiteln. Der Überraschungsangriff wurde perfekt ausgeführt, doch Japan hat die USA damit nicht besiegt. Die angerichteten Schäden lassen sich in kurzer Zeit beheben, und die wichtigsten amerikanischen Flugzeugträger liegen zu diesem Zeitpunkt in anderen Häfen. Die Vereinigten Staaten können deshalb schnell zurückschlagen.

    Japan greift an diesem Tag auch Singapur, Malaysia, Hongkong, Thailand und amerikanische Stützpunkte auf den Philippinen und Guam an. Dadurch tritt Japan in den Krieg mit Großbritannien und Kanada ein. Auch Australien, Neuseeland und die Niederlande erklären Japan den Krieg, der sich schnell über Ostasien verbreitet.

    Die amerikanische Bevölkerung sieht den Angriff als heimtückischen Akt und steht geschlossen hinter der Entscheidung der Regierung, Japan den Krieg zu erklären. Daraufhin erklärt Hitler am 11. Dezember 1941 den USA den Krieg. Deutschland ist nämlich ein Bündnispartner Japans. Hitler hat es jetzt mit einem neuen, starken Gegner zu tun. Die USA kämpfen von nun an gemeinsam mit den Allierten gegen Nazideutschland.

    Wannseekonferenz. Nazis organisieren die Ermordung der europäischen Juden

    20. Januar 1942 Wannsee, Berlin

    Am 20. Januar 1942 treffen sich fünfzehn hochgestellte Nazis in einer Villa am Wannsee in Berlin. Auf dieser Konferenz besprechen sie die geplante Ermordung von elf Millionen europäischer Juden.

    Die Nazis haben eine Zeitlang gedacht, sie könnten Juden ins Ausland emigrieren lassen, doch durch die Kriegsumstände ist das nicht mehr möglich. Statt dessen sollen die Juden in den Osten „evakuiert“ werden. Es wird damit gerechnet, dass „ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird“. Die übrig gebliebenen Juden werden „entsprechend behandelt“.

    Ihre wahre Absicht verbergen sie hinter bürokratischer Sprache. Diese Worte stammen aus einem erhalten gebliebenen Protokoll der Konferenz. Was dort eigentlich steht, ist die Tatsache, dass die Nazis einen Völkermord organisieren. „Evakuieren“ bedeutet die Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager, und „entsprechend behandeln“ steht für „Mord“.

    Hitler hat bereits eher beschlossen, dass alle europäischen Juden ermordet werden sollen. In der Sowjetunion agieren ab Juli 1941 deutsche Spezialeinheiten, sogenannte Einsatzgruppen, und töten jüdische Männer, Frauen und Kinder. Und im besetzten Jugoslawien finden seit dem Frühjahr 1941 Hinrichtungen statt. Anfang 1942 sind bereits mehr als eine Million Juden ermordet worden.

    Einführung des gelben Sterns in den Niederlanden

    3. Mai 1942 Niederlande

    Am 29. April 1942 kündigen die Nazis eine neue Schikane für die jüdischen Niederländer*innen an. Ab 3. Mai müssen sie ein Erkennungszeichen tragen: einen sechszackigen gelben Davidstern mit dem Wort „Jude“ in der Mitte.

    Durch den Stern sind Menschen auf der Straße als Juden erkennbar. Die deutschen Besatzer wollen sie damit weiter von den nichtjüdischen Niederländern isolieren. Wer den Stern nicht trägt, wird streng bestraft. Man kann dafür in ein Konzentrationslager kommen.

    Der „Judenrat“ erhält den Auftrag, die Sterne innerhalb von drei Tagen unter den jüdischen Niederländer*innen zu verbreiten. Sie sind verpflichtet, vier Sterne pro Person zu kaufen, für vier Cent pro Stück. Schon Kinder ab 6 Jahren müssen den Stern tragen. Insgesamt werden 569.355 „Judensterne“ verbreitet.

    Manche Menschen tragen den Stern mit Stolz, viele andere empfinden es als Demütigung. Auch nichtjüdische Niederländer*innen zeigen, was sie von der neuen Verordnung halten. Manche Menschen protestieren dagegen, indem sie einen selbst gemachten Stern mit der Aufschrift „Katholik“ oder „Arier“ tragen. Andere grüßen Juden auf der Straße oder überlassen ihnen ihren Sitzplatz in der Straßenbahn. Doch nach einiger Zeit nimmt die Empörung ab und die Kluft zwischen Juden und Nichtjuden wird größer.

    Die Familie Frank taucht unter

    6. Juli 1942 Amsterdam

    Am 5. Juli 1942 erhält Margot einen Aufruf für ein Arbeitslager in Deutschland. Sie gehört zu der ersten Gruppe von Jüdinnen und Juden in den Niederlanden, die solch einen Deportationsbescheid erhalten. Ihre Eltern wollen sie nicht gehen lassen, doch wer sich widersetzt, wird verhaftet. Otto und Edith sind vorbereitet und planen, am 16. Juli unterzutauchen. Otto hat im hinteren Bereich seines Firmengebäudes ein Versteck eingerichtet. Wegen Margots Aufruf gehen sie früher.

    Am Morgen des folgenden Tages verlassen sie ihre Wohnung. Ihrem Untermieter sagen sie, sie würden in die Schweiz gehen.

    Anne schreibt ein paar Tage später im Tagebuch über das Leben im Versteck:

    „Aus dem Fenster schauen oder nach draußen gehen dürfen wir natürlich nie. Außerdem müssen wir leise sein, denn unten dürfen sie uns nicht hören.“

    Die Familie Frank erhält Hilfe von sechs Angestellten und Freunden von Otto, aber die Lagerarbeiter im Erdgeschoss wissen nichts vom Versteck. Nur der Vater der Helferin Bep Voskuijl ist eingeweiht. Er ist Lagermeister und hat auf alles ein wachsames Auge.

    Schlacht um Stalingrad: eine große Niederlage für Deutschland

    Februar 1943 Stalingrad

    Der deutsche Generalfeldmarschall Friedrich Paulus und seine 6. Armee ergeben sich am 31. Januar 1943 der Roten Armee (der Armee der Sowjetunion). Von der deutschen Armee ist fast nichts mehr übrig. Nach fünf Monaten Kampf erlebt Deutschland eine vernichtende Niederlage.

    Ende August 1942 startet die deutsche Wehrmacht einen Großangriff, um die russische Stadt Stalingrad zu erobern. Die Eroberung hat nicht nur ein strategisches Ziel. Da die Stadt den Namen des sowjetischen Staatsführers Josef Stalin trägt, hat sie einen großen symbolischen Wert.

    Beschießungen und Bombardierungen verwüsten Stalingrad, doch um die Stadt zu erobern, müssen die deutschen Soldaten Haus für Haus gegen die Soldaten der Roten Armee kämpfen. Sie werden dabei von Heckenschützen beschossen, die sich in den Trümmerbergen verstecken. Als der strenge russische Winter einsetzt, wird die Lage noch schwieriger.

    Für die Rote Armee hingegen ist der Winter ein Vorteil. Das Eis ist nun so dick, dass Panzer die Flüsse überqueren können. Während die Straßenkämpfe weitergehen, gelingt es den Sowjets Ende November 1942, die Stadt mit ihren Panzern einzukesseln. Die deutsche Armee sitzt in der Falle, aber gibt noch nicht auf. Erst nach sechs Wochen fällt der Vorhang. Auf beiden Seiten sind Hunderttausende Soldaten gefallen.

    Die Schlacht um Stalingrad ist ein wichtiger Wendepunkt im Krieg. Nun hat sich gezeigt, dass die deutsche Wehrmacht nicht unbesiegbar ist. Das gibt der Sowjetunion und auch den Menschen in den besetzten Gebieten neue Hoffnung.

    Der Widerstand verübt einen Anschlag auf das Einwohnermeldeamt Amsterdam

    27. März 1943 Amsterdam

    Am Samstagabend, 27. März 1943, verüben neun Mitglieder einer Widerstandsgruppe einen Anschlag auf das Melderegister der Stadt Amsterdam. Als Polizisten verkleidet, überwältigen sie die Wachleute. Die Widerstandkämpfer öffnen die Aktenschränke, werfen die Dokumente auf den Boden und übergießen sie mit einer brennbaren Flüssigkeit. Dann bringen sie Sprengsätze an und verlassen den Ort. Kurz darauf gibt es fünf Explosionen, und ein Großfeuer bricht aus, das noch im weiten Umkreis zu sehen ist.

    Die Männer gehören zu einer Widerstandsgruppe, die gefälschte Ausweise herstellt. Weil das Risiko besteht, dass die Fälschungen bei einem Datenabgleich mit dem Melderegister entdeckt werden, will die Gruppe das Register vernichten.

    Der Anschlag gelingt nur zum Teil. Ein Teil des Hauses ist verbrannt und eingestürzt, doch der größte Teil steht noch. Nur 15% des Datenbestandes geht vollständig verloren. Trotzdem ist das Register noch lange Zeit unbrauchbar, und in dem Durcheinander können Beamte, die mit dem Widerstand zusammenarbeiten, auch neue, falsche Personendaten in der Kartei unterbringen.

    Durch Verrat entdeckt der deutsche Sicherheitsdienst schon bald, wer hinter dem Anschlag steckt. Fast alle Beteiligten und ihre Helfer werden am 2. Juli 1943 von den Nazis erschossen. Drei von ihnen landen im Gefängnis. Einige andere können untertauchen.

    Alle Juden aus Amsterdam werden deportiert

    20. Mai 1943 Polderweg, Amsterdam

    Am 20. Mai 1943 melden sich ungefähr 750 Jüdinnen und Juden beim Gebäude der Militärpolizei am Bahnhof Muiderpoort in Amsterdam. Sie befolgen eine Anordnung von „SS- und Polizeiführer“ Rauter, dass sich kein einziger Jude mehr ohne Genehmigung in Amsterdam aufhalten darf. Nur Juden mit einer sogenannten „Sperre“ dürfen noch in der Stadt bleiben.

    Die Menschen kommen abends in Westerbork an. Mindestens zwei von ihnen, ein Ehepaar, werden fünf Tage später in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt und dort am 28. Mai 1943 vergast. Was mit den anderen geschah, ist nicht bekannt, da ihre Namen nicht bekannt sind.

    Rauter ist unzufrieden, weil nur so wenig Menschen an diesem Tag die Aufforderung befolgt haben. Wenige Tage später veranstalten die Deutschen eine Großrazzia im Zentrum Amsterdams. Sie nehmen ungefähr 3.000 Menschen fest und bringen sie nach Westerbork. Außerdem zwingen die Deutschen den „Judenrat“, die „Sperre“ für eine große Zahl von Menschen aufzuheben und sie auf die Liste für das Lager Westerbork zu setzen.

    D-Day: Die Alliierten landen in Frankreich

    6. Juni 1944 Normandie

    Am 6. Juni 1944 beginnt kurz nach Mitternacht D-Day, eine groß angelegte Militäroperation. Mehr als 5.000 Schiffe transportieren 150.000 alliierte Soldaten und 1.500 Panzer an die Küste der Normandie in Frankreich.

    Zwei Jahre lang wurde die „Operation Overlord“ hinter den Kulissen vorbereitet. Ziel ist die Errichtung eines Militärstützpunkts auf dem europäischen Festland. Von dort aus können die Alliierten die von Deutschland besetzten Länder befreien und in Richtung Berlin vorrücken. Und wenn Deutschland auch im Westen kämpfen muss, wird der Kampf für die Sowjetunion etwas erleichtert.

    Die Deutschen erwarten einen Angriff in Calais und nicht in der Normandie. Denn in Calais ist der Ärmelkanal, die Meerenge zwischen Großbritannien und Frankreich, am schmalsten. Entlang der gesamten französischen Küste hat die deutsche Wehrmacht eine halbe Million Soldaten stationiert. Außerdem haben die Deutschen dort den Atlantikwall errichtet, eine stabile Verteidigungslinie.

    Die Alliierten gehen an mehreren Küstenabschnitten der Normandie an Land. Der Angriff wird durch Bombardierungen und Landungen von Fallschirmspringern unterstützt. An einigen Stellen können sie die Deutschen leicht zurückdrängen, doch an anderen Orten stoßen sie auf größere Gegenwehr. An der Landungszone „Omaha Beach“ ist es den amerikanischen Bombern nicht gelungen, die deutsche Verteidigungslinie massiv zu treffen. Dort schießen die Deutschen die Soldaten nieder, die versuchen, an Land zu gelangen. Manche kommen nicht einmal so weit und ertrinken, nachdem sie das Schiff verlassen haben.

    Am Ende des D-Day haben die Alliierten einen Stützpunkt auf dem Festland errichtet. Die Deutschen versuchen lange, ihre Stellungen zu halten. In der Normandie wird noch zwei Monate lang gekämpft, bevor es den Alliierten gelingt, in Frankreich weiter vorzurücken. Am 15. August landen die Alliierten auch in Südfrankreich. Die Hauptstadt Paris wird am 25. August befreit, und Mitte September 1944 ist die deutsche Armee fast aus Frankreich vertrieben.

    Die Rote Armee erobert Berlin

    2. Mai 1945 Berlin

    Am 2. Mai 1945 besetzen sowjetische Truppen den Berliner Reichstag und hissen auf dem Dach die sowjetische Fahne. Es ist der Höhepunkt eines zwei Wochen dauernden Kampfes, um die deutsche Hauptstadt zu erobern.

    Die Militäroperation beginnt am 16. April mit einem Großangriff auf die Seelower Höhen, die deutsche Verteidigungslinie an der Oder. Die Rote Armee feuert bei diesem Angriff eine Million Granaten ab. Obwohl es Nacht ist, ist der Horizont von Explosionen und Suchscheinwerfern erleuchtet, die die deutsche Armee blenden. Nach zwei Tagen mit schweren Kämpfen durchbricht die Rote Armee die deutsche Verteidigung und am 25. April hat die sowjetische Armee Berlin eingeschlossen.

    Hitler hat befohlen, die Stadt „bis auf den letzten Mann“ zu verteidigen. In den Straßen sind Barrikaden errichtet worden, damit Panzer und Soldaten nicht weiterkommen. Da es nicht genügend Soldaten gibt, bekommen die Jungen der Hitlerjugend und die älteren Männer vom Volkssturm den Befehl, bei der Verteidigung der Stadt zu helfen. Mit Handfeuerwaffen und Granaten haben sie keine Chance gegen die Rote Armee, und viele sterben einen sinnlosen Tod.

    Am 2. Mai kapituliert Helmuth Weidling, der Befehlshaber der Berliner Verteidigungstruppen. Deutschland ist nun fast völlig besiegt.

    Deutschland kapituliert: Die Niederlande sind befreit.

    5. Mai 1945 Wageningen

    Am 4. Mai 1945 ergibt sich die deutsche Armee in Nordwesteuropa den Alliierten unter dem Kommando des britischen Generals Montgomery. Am folgenden Tag soll nicht mehr gekämpft werden.

    Am 5. Mai wird in Wageningen über die Kapitulation der deutschen Truppen in den Niederlanden verhandelt. Es wird festgelegt, wie sich die Deutschen zurückziehen und wann die Alliierten die Macht übernehmen.

    Der kanadische General Charles Foulkes und der deutsche General Johannes Blaskowitz unterzeichnen die Vereinbarungen des Kapitulationsdokuments nachmittags um 16.30 Uhr. Auch Prinz Bernhard der Niederlande ist anwesend. Er ist der Kommandant der „Binnenlandse Strijdkrachten“, einer paramilitärischen Organisation des niederländischen Widerstandes. Am nächsten Tag werden die Einzelheiten weiter ausgearbeitet. Am 7. Mai übernehmen die Briten und Kanadier die Befehlsgewalt über die Niederlande.

    Der Krieg ist nun vorbei. Seit 1946 feiern die Niederlande am 5. Mai den Befreiungstag.

    Hohe Nazis stehen in Nürnberg vor Gericht

    20. November 1945 Nürnberg

    Vom 20. November 1945 bis 1. Oktober 1946 findet der erste Nürnberger Prozess statt. 24 hohe Funktionäre des Naziregimes stehen wegen ihrer Verbrechen im und vor dem Krieg vor Gericht. Nicht alle hochrangigen Nazis können zur Verantwortung gezogen werden. Hitler, Himmler und Goebbels haben Selbstmord begangen. Andere Nazis sind vermisst oder auf der Flucht. Der Prozess findet vor dem Internationalen Militärgerichtshof statt. Es gibt acht Richter, zwei für jedes Land der Alliierten: Frankreich, USA, Großbritannien und
    Sowjetunion. Die vier Anklagepunkte lauten: Verschwörung, Führung eines Angriffskriegs, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    Das Tribunal verhängt zwölfmal die Todesstrafe. Sieben Angeklagte erhalten Gefängnisstrafen von 10 Jahren bis lebenslänglich. Drei werden freigesprochen. Zwei andere werden nicht weiter strafrechtlich verfolgt.

    Nach dem Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher folgen noch zwölf weitere Prozesse in Nürnberg. Hier stehen unter anderem Ärzte, Wehrmachtsoffiziere, Richter, Industrielle und Mitglieder der Einsatzgruppen vor Gericht.

    Israel entführt Adolf Eichmann, den „Architekten des Holocaust“

    11. Mai 1960 Buenos Aires - Jerusalem

    Am 11. Mai 1960 wird Adolf Eichmann in Buenos Aires von einer Einheit des Mossad (des israelischen Geheimdienstes) entführt. Das Entführungskommando schmuggelt ihn aus dem Land und bringt ihn nach Israel, wo er vor Gericht gestellt wird.

    Eichmann ist zu diesem Zeitpunkt schon seit 15 Jahren auf der Flucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht er unter falschem Namen nach Argentinien, um sich nicht für seine Verbrechen während des Krieges verantworten zu müssen. Als SS-Angehöriger organisierte er die Deportation von Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager. Eichmann war ein wichtiges Kettenglied bei der Planung und Umsetzung des Mordes an den europäischen Juden. Deshalb wird er manchmal auch als „Architekt“ des Holocaust bezeichnet.

    Ein Jahr darauf beginnt der Prozess gegen Eichmann, der vier Monate dauert. Die ganze Welt ist Zeuge, da im Fernsehen, Rundfunk und in der Presse darüber berichtet wird. Durch die vielen Zeugenaussagen im Prozess erfährt das große Publikum die schrecklichen Einzelheiten des Holocaust. Zum ersten Mal findet die Verfolgung der Juden breite Aufmerksamkeit. Eichmann wird zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1962 gehängt.

    Gedenken an den Februarstreik und die Judenverfolgung in Amsterdam

    25. Februar 1947 Waterlooplein, Amsterdam

    Ein schwarzes Tuch hängt um einen Mast. Am Fuß liegt ein Davidstern aus Tulpen. Eine Ehrenwache aus ehemaligen Widerstandskämpfern steht vor einem Kreis aus Tausenden Blumen, die im Laufe des Tages von der Bevölkerung niedergelegt wurden. In ganz Amsterdam halten die Behörden und der öffentliche Nahverkehr eine Schweigeminute. Nach Angaben der Presse haben sich 10.000 Menschen auf dem Waterlooplein eingefunden. So gedenkt die Stadt des Februarstreiks und der Judenverfolgung, die sechs Jahre zuvor begann.

    Die UNO verkündet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

    10. Dezember 1948 Paris

    Am 10. Dezember 1948 verkündet die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die unterzeichnenden Staaten erkennen damit die Existenz von Menschenrechten an, die für alle gelten.

    Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist eine Reaktion auf die Verbrechen der Nazis. Um die Freiheit von Menschen zu respektieren und zu garantieren, sind bestimmte Rechte notwendig. So steht in der Erklärung, dass Menschen gleiche Rechte haben, ungeachtet ihrer Herkunft. Diskriminierung ist also verboten. Außerdem haben Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit und eine unabhängige Gerichtsbarkeit. Andere Rechte betreffen den sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Das sind u.a. das Recht auf Arbeit und das Recht auf eine eigene Kultur.

    Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gilt noch immer als allgemeiner moralischer Standard und bildet die Grundlage für Organisationen, die sich für die Menschenrechte einsetzen.

    Eröffnung internationales Jugendzentrum des Anne Frank Hauses

    3. Mai 1961 Amsterdam

    Ein Jahr nach der Eröffnung des Hinterhauses als Museum wird auch das Internationaal Jeugdcentrum (Internationales Jugendzentrum) eröffnet. Es ist im Nachbarhaus untergebracht, Prinsengracht 265.

    Im Jahr zuvor hat Otto Frank in einem Rundfunkinterview erklärt, was er mit dem Internationalen Jugendzentrum beabsichtigt:
    „Das Anne Frank Haus ist eine Basis, aber das Internationale Jugendzentrum wird alles tun, um Anne Franks Ideale weiterzutragen: helfen und eintreten für Frieden, Toleranz und Verständnis.“

    Kriegsbegeisterung

    2. August 1914 Europa

    Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird von vielen Menschen freudig begrüßt. Am 2. August 1914 gehen junge Deutsche auf die Straße und feiern mit patriotischen Liedern, dass sich ihre Armee für den Krieg bereit macht. Auch in Großbritannien und Frankreich ist die Begeisterung groß. So mancher meldet sich spontan als Freiwilliger zum Militär.

    Viele Intellektuelle und Künstler reagieren euphorisch auf den Kriegsausbruch. Sie hoffen auf Veränderung und große Taten. In den am Krieg beteiligten Ländern empfinden viele ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit ihren Landsleuten, da sie nun einem gemeinsamen Feind gegenüberstehen. Sie sehen ihren Gegner als Anstifter des Konflikts und betrachten ihre eigene Reaktion deshalb als gerechtfertigt. Eine Rolle spielt auch, dass fast alle mit einer kurzen Dauer des Krieges rechnen und von ihrem Sieg überzeugt sind.

    Weniger begeistert sind die Bauern. Weil sie und ihre Söhne an die Front müssen, können sie die Ernte nicht einbringen. Pazifist*innen und Sozialist*innen protestieren sogar gegen den Krieg. Letztere sehen den Krieg als ein Machtspiel der herrschenden Klassen und sind der Ansicht, die Arbeiter sollten sich besser international vereinigen, statt aufeinander zu schießen.

    Hitler als Soldat im Ersten Weltkrieg

    1. Juli 1916 France

    Als der Erste Weltkrieg ausbricht, meldet sich Adolf Hitler begeistert als Freiwilliger zum deutschen Heer. Er wird den Bodentruppen an der Westfront zugeteilt. Als Meldegänger überbringt er Nachrichten der Armeeführung an die Front. Es ist eine gefährliche Tätigkeit, jedoch bei weitem nicht so gefährlich wie das Leben der Frontsoldaten. Im Dezember 1914 erhält Hitler das Eiserne Kreuz II. Klasse für seine Tapferkeit. In einem Brief an seinen ehemaligen Hauswirt schreibt er: „Es war der glücklichste Tag meines Lebens.“

    Am 5. Oktober 1916 wird er von einem Granatsplitter verwundet. Fünf Monate später ist er wieder zurück an der Westfront. Die Hälfte von Hitlers Regiment wird im April 1918 bei Angriffen verwundet oder fällt. Hitler erhält, möglicherweise auf Fürsprache eines jüdischen Offiziers, seine zweite Auszeichnung: das Eiserne Kreuz I. Klasse.

    Als Deutschland im November 1918 den Krieg verliert, liegt Hitler in einem Lazarett. Durch einen Giftgasangriff ist er vorübergehend erblindet. Die Nachricht von der deutschen Kapitulation stürzt ihn in eine tiefe Krise. Hitlers Kriegserfahrungen haben einen großen Einfluss auf sein Leben und Denken. Unter dem Eindruck des verlorenen Krieges radikalisiert er sich und wird politisch aktiv.

    Trümmerhaufen nach der Dritten Flandernschlacht

    5. Oktober 1917 Ypern

    Die Dritte Flandernschlacht, auch als Dritte Ypernschlacht oder Schlacht von Passendale bekannt, findet zwischen dem 31. Juli und dem 10. November 1917 statt. Sie ist eine der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkrieges. Belgische, britische, kanadische, australische und neuseeländische Truppen kämpfen gegen die deutsche Armee bei der belgischen Stadt Ypern. Auf beiden Seiten fallen Hunderttausende Soldaten oder werden verwundet.

    Der deutsche Kaiser flieht in die Niederlande

    10. November 1918 Eijsden

    Am 10. November 1918 meldet sich der deutsche Kaiser Wilhelm II. am niederländischen Grenzübergang in Eijsden. Am Tag zuvor wurde er abgesetzt, und er fürchtet sich vor deutschen Revolutionären. Die Entente-Mächte wollen ihn wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stellen. Da die Niederlande im Ersten Weltkrieg neutral waren, bittet er in diesem Land um politisches Asyl. Die niederländische Regierung ist über sein Kommen bereits im Bilde und lässt ihn einreisen.

    Wilhelm II. wohnt zuerst im Schloss Amerongen. Ab 1920 erhält er ein festes Domizil: Haus Doorn. Hier stirbt er 1941 im Alter von 82 Jahren. Er wird in einem kleinen Mausoleum im Park von Haus Doorn beigesetzt.

    Die belgische Armee besetzt Aachen

    30. November 1918 Achen

    Am 30. November 1918 überschreiten belgische Truppen die deutsche Grenze und marschieren in Aachen ein. Damit beginnt die Besetzung des linksrheinischen Gebietes von Aachen bis Kleve.

    Nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 muss sich Deutschland auf seinem Territorium bis hinter den Rhein zurückziehen. Die Armeen Belgiens und Frankreichs übernehmen entlang ihren Grenzen die Macht auf deutschem Gebiet.

    Nach eineinhalb Jahren zieht die belgische Armee ab, und die Franzosen übernehmen die Kontrolle über ihr Gebiet. Sie bleiben bis 1929. Großbritannien hält das Gebiet rund um Köln bis 1926 besetzt.

    Die Polizei bewacht eine Bäckerei in Berlin

    1923 Berlin

    Im Jahr 1923 ist das deutsche Geld so wenig wert, dass Lebensmittel unbezahlbar werden. Die Polizei muss vor Läden für Ordnung sorgen. Die Menschen haben sehr viel Geld bei sich. Sie müssen lange warten, bis sie an der Reihe sind, weil es so lange dauert, das Geld zu zählen.

    Deutschland hat nach dem Ersten Weltkrieg große finanzielle Probleme. Die deutsche Regierung hat den Krieg über Anleihen finanziert, die zurückgezahlt werden müssen. Außerdem muss das Land Reparationen an Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien und Großbritannien leisten.

    Da die deutsche Wirtschaft nicht genügend Einnahmen erbringt, z.B. durch Handel mit dem Ausland, reicht das Geld nicht aus, um die Schulden zu bezahlen. Um trotzdem an Geld zu kommen, lässt die Regierung immer mehr Papiergeld drucken und wechselt es gegen ausländische Währung ein. Doch dieses Geld ist nicht durch materielle Gegenwerte gedeckt. Das führt zu einer Hyperinflation, also einer drastischen Verringerung des Geldwertes. Während ein Dollar im August 1922 den Wert von 1000 Reichsmark hatte, war der Kurs bis Ende 1923 auf 4,2 Billionen (4.200.000.000.000) Reichsmark gestiegen.

    Die Menschen können sich für ihr Geld nichts kaufen und gehen zu Tauschgeschäften über. Viele werden arbeitslos, und Ersparnisse haben sich in Nichts aufgelöst. Erst Ende 1923 gelingt es einer neuen Regierung, die Inflation zu stoppen mit Hilfe einer neuen Währung: der Rentenmark.

    Die Dolchstoßlegende

    18. November 1919 Berlin

    Im Jahr 1919 befragt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Oberbefehlshaber des deutschen Heeres, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, zu den Ursachen für die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg. Hindenburg ist der Ansicht, Deutschland habe verloren, weil die neue deutsche Regierung ihn nicht unterstützt und Friedensverhandlungen aufgenommen habe. Außerdem sei das deutsche Heer durch die revolutionäre Stimmung in der Armee und im Inland geschwächt gewesen. Er zitiert einen britischen General, der gesagt haben soll: „Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden.“

    Hindenburg spielt damit auf die Dolchstoßlegende an. Das ist eine Verschwörungstheorie, die besagt, das deutsche Heer sei nicht auf dem Schlachtfeld besiegt worden, sondern hätte aufgrund von Verrat seitens sozialdemokratischer, jüdischer und kommunistischer Politiker den Waffenstillstand akzeptieren müssen. In Wirklichkeit hat die Heeresleitung Fehler gemacht, und die deutsche Armee war nicht in der Lage, noch länger zu kämpfen. Generäle wie Hindenburg und Ludendorff verbreiteten jedoch diese Lesart, um nicht ihre Fehler bei der Kriegsführung zugeben zu müssen.

    Rechtsextreme, nationalistische und antisemitische Gruppierungen sehen diesen „Dolchstoß“ als Folge einer internationalen jüdischen Verschwörung.

    Ähnliche Lügengeschichten kursieren bereits während des Krieges über die angeblich fehlende Vaterlandsliebe bei den deutschen Juden. Deshalb veranstaltet die deutsche Regierung im Jahr 1916 sogar eine „Judenzählung“ in der Armee. Daraus geht hervor, dass Juden im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung genau so häufig an der Front kämpfen wie Nichtjuden. Doch die Ergebnisse dieser Untersuchung werden nicht veröffentlicht.

    Verleumderische Propaganda wie die Dolchstoßlegende trägt zu Antisemitismus und Hass gegen die Regierung bei. 1921 ermorden Mitglieder eines Freikorps den Politiker Matthias Erzberger, der 1918 den Waffenstillstand unterzeichnet hatte. Mehrere jüdische und sozialdemokratische Politiker werden in den folgenden Jahren Opfer von rechtsextremistischen Mordanschlägen.

    Erster Synagogengottesdienst nach dem Krieg

    9. Mai 1945 Amsterdam

    Am 9. Mai 1945 versammeln sich rund tausend überlebende Jüdinnen und Juden in der Portugiesischen Synagoge Amsterdams zu einem Gottesdienst. Manche sind kilometerweit zu Fuß gelaufen. Zehn Tage später findet ein Gottesdienst in der Gerard Dou Synagoge statt, der einzigen anderen Amsterdamer Synagoge, die im Krieg nicht beschädigt wurde.

    Die Negba fährt nach Israel

    6. Oktober 1948 Amsterdam

    Eines der ersten Schiffe, die legale Einwanderer nach Israel bringen dürfen, ist die Negba. Am 6. Oktober 1948 läuft das Schiff in Amsterdam aus. An Bord sind 670 Reisende aus den Niederlanden und anderen Ländern, die die Judenverfolgung überlebt haben, darunter mehr als 500 jüdische Kinder, die in den Niederlanden und in Schweden Aufnahme gefunden hatten. Nach 12 Tagen läuft das Schiff in Haifa ein. Danach fährt es im Liniendienst zwischen Amsterdam und Haifa.

    In den ersten acht Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen fast 4500 Jüdinnen und Juden die Niederlande. Die meisten gehen in die USA und nach Kanada. Etwa 1500 wandern nach Israel aus.

    Der Reichstagsbrand

    27. Februar 1933 Berlin

    Am 27. Februar bricht ein Brand aus im Berliner Reichstag. Die Wachleute überwältigen einen mutmaßlichen Brandstifter: den niederländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe. Das Gebäude wird schwer beschädigt. Das Parlament muss danach woanders tagen. Die Naziführer nehmen die Brandstiftung als willkommenen Anlass, mit ihren politischen Gegnern abzurechnen: den Kommunisten und den Sozialdemokraten. Hitler überzeugt sein Kabinett davon, dass die Brandstiftung Teil eines Putschversuchs sei. Reichspräsident Paul von Hindenburg verkündet deshalb den Ausnahmezustand. Diese sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“ schränkt die Freiheiten und Rechte der Bevölkerung stark ein. Damit ist die Basis für die Nazidiktatur geschaffen.

    Aufgrund der Notverordnung sind die Freiheit der Meinungsäußerung, die Versammlungsfreiheit und das Briefgeheimnis außer Kraft gesetzt. Die Polizei kann willkürlich Hausdurchsuchungen machen und Menschen festnehmen. Die Nazis benutzen diese Befugnisse, um ihre politischen Gegner zu verfolgen. Schon innerhalb weniger Wochen werden 10.000 Kommunisten verhaftet.

    Marinus van der Lubbe kann seine Unschuld nicht beweisen und wird zum Tode verurteilt. Es gibt auch Hinweise, der Naziführer Hermann Göring habe die Brandstiftung veranlasst, um die Kommunisten beschuldigen zu können. Doch auch das konnte nie bewiesen werden.

    Dachau errichtet: Das erste Konzentrationslager

    22. März 1933 Dachau

    Im März 1933 eröffnen die Nazis in Dachau in der Nähe von München ihr erstes Konzentrationslager. Kurz darauf folgt das Konzentrationslager Oranienburg nördlich von Berlin. Im Emsland nahe der niederländischen Grenze entstehen die Lager Esterwegen und Börgermoor. In diesen Lagern müssen die Gefangenen Zwangsarbeit in der Moorkultivierung leisten.

    In diese Lager sperren die Nazis die Tausende von Menschen, die sie seit Hitlers Machtübernahme verhaftet haben. Alle Gefängnisse sind überfüllt. Allein im Monat April werden Zehntausende Menschen festgenommen. Viele Opfer werden ohne Anklage inhaftiert. Die Nazis nennen das „Schutzhaft“.

    Die Konzentrationslager sollen die Bevölkerung auch einschüchtern. Sie machen deutlich, was mit den Menschen geschieht, die sich gegen die Regierung wenden. Schon bald verbreiten sich Geschichten und Gerüchte über die Missstände in den Lagern.

    Die Gefangenen werden misshandelt und gefoltert, manche sogar ermordet. Insbesondere jüdische Häftlinge und bekannte Gegner des Naziregimes haben es schwer.

    Die Nazis bauen Autobahnen

    23. September 1933 Frankfurt am Main

    Adolf Hitler setzt den ersten Spatenstich für den Bau der Autobahn von Frankfurt am Main nach Heidelberg.

    Anders als oft geglaubt, war die Autobahn keine Erfindung der Nazis. Die ersten Pläne für eine Schnellstraße in Deutschland gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg. Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer war für den Bau einer 1932 fertiggestellten Schnellstraße zwischen Bonn und Köln verantwortlich.

    Die Nazis waren am Anfang sogar gegen Schnellstraßen. Sie hielten Autobahnen für einen überflüssigen Luxus – nur zum Vergnügen der Reichen und ohne Nutzen für das Volk. Aber als sie an die Macht kommen, wird die Autobahn zu einem Symbol des Fortschritts, der Arbeitsbeschaffung und des Wohlstandes, den das Naziregime verspricht. Deshalb werden die Autobahnen als „Straßen Adolf Hitlers“ bezeichnet. Allerdings werden weniger Schnellstraßen angelegt als geplant, da immer mehr Menschen für das Militär und die Kriegsindustrie benötigt werden.

    Bücherverbrennungen an deutschen Universitäten

    10. Mai 1933 Deutschland

    Am 10. Mai 1933 organisieren nationalsozialistische Studenten Bücherverbrennungen an Universitäten in ganz Deutschland. Es ist eine symbolische Aktion, gerichtet gegen alles, was nach Ansicht der Nazis nicht zu Deutschland gehört. Werke von jüdischen, linken und pazifistischen Autoren wie Sigmund Freud, Karl Marx und Erich Maria Remarque gehen in Flammen auf.

    Auf dem Berliner Opernplatz ist Propagandaminister Joseph Goebbels einer der vielen Anwesenden. Er schaut beifällig zu, wie ein Studentenführer brüllt: „Übergebt alles Undeutsche dem Feuer!“ Für die Nazis ist alles „undeutsch“, was nicht ihrer Ideologie entspricht.

    Der ins Ausland geflohene linke Schriftsteller Oskar Maria Graf verfasst einen flammenden Protest. Er verlangt, dass auch seine Bücher verbrannt werden, damit sie „nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen.“

    Hitler unternimmt einen Putschversuch

    8. November 1923 München

    Anfang der Zwanzigerjahre herrscht in Deutschland eine politische und ökonomische Krise. Rechtsextremisten und Nationalisten versuchen in diesem Chaos, ihre Macht auszuweiten. Unter ihnen sind Adolf Hitler und Erich Ludendorff, ein General aus dem Ersten Weltkrieg. Sie meinen, die Zeit sei reif für einen Putsch. Sie wollen die Macht im Freistaat Bayern ergreifen und dann nach Berlin marschieren, um die Reichsregierung abzusetzen.

    Am Abend des 8. November 1923 dringt Hitler zusammen mit SA-Männern (Sturmabteilung - die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP) in den Münchner Bürgerbräukeller ein. Dort tagen gerade bayerische Politiker. Um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, feuert Hitler mit einem Revolver in die Decke und erklärt dann, die „nationale Revolution“ habe begonnen. Anschließend geht er mit dreien der Politiker in einen Nebenraum. Er nimmt ihnen das Versprechen ab, ihn bei seinem Vorhaben, die Regierung in Berlin zu Fall zu bringen, zu unterstützen. Doch am nächsten Tag widerrufen die drei ihr Versprechen und schalten Polizei und Armee ein.

    Hitler und seine Spießgesellen veranstalten daraufhin einen Marsch durch München. Sie hoffen, dass die Bevölkerung und die Armee sich ihnen anschließen. Das ist nicht der Fall. Die Polizei stellt sich ihnen entgegen, und es kommt zu einem Feuergefecht. Sechzehn von Hitlers Mitstreitern kommen durch Polizeikugeln um, darunter der Mann, der neben Hitler marschiert.

    Zwei Tage später verhaftet die Polizei Hitler in seinem Versteck. Im Prozess gegen die Putschisten zeigen sich die Richter empfänglich für Hitlers Argumente, er habe Deutschland retten wollen. Die Presse berichtet ausführlich über das Verfahren, und Hitler erhält so eine Bühne, um sich und seine Vorstellungen zu präsentieren. Er wird lediglich zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt und schon nach knapp neun Monaten vorzeitig entlassen. Während der Haft hat er viele Freiheiten, und er schreibt in dieser Zeit sein Buch „Mein Kampf“.

    Spareransturm auf eine Berliner Bank

    13. Juli 1931 Berlin

    Ansturm deutscher Sparer*innen auf eine Filiale der Sparkasse in Berlin nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank (Darmstädter und Nationalbank). Sie wollen ihre Ersparnisse abheben und in ausländische Währung umtauschen. Die Danat-Bank ist die zweitgrößte Bank Deutschlands.

    Der Ansturm auf die Banken ist eine Folge der weltweiten Finanzkrise, die im Oktober 1929 mit dem Börsenkrach begann, also den massiven Kurseinbrüchen an der New Yorker Wall Street.

    Deutsche Firmen liehen sich bis dahin Geld von Banken in den USA, und dadurch kam die deutsche Wirtschaft wieder in Gang. Auch der deutsche Staat nahm Darlehen auf, um die im Versailler Vertrag festgelegten Reparationen zahlen zu können. Doch aufgrund der Krise verleihen die amerikanischen Banken kein Geld mehr.

    Da das Deutsche Reich stark abhängig ist von diesen Darlehen, geht es mit der deutschen Wirtschaft zunehmend bergab. Nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank vertrauen deutsche Investoren und Sparer auch anderen Banken nicht mehr. Sie heben ihre Ersparnisse ab und tauschen sie in ausländische Währung um. Um das zu stoppen, schließt die Regierung zwei Tage lang alle Banken und verbietet es, Reichsmark umzutauschen. Die Börsen bleiben für fast drei Wochen geschlossen. Danach wird die Wirtschaftskrise noch größer.

    In Frankfurt kommt die NSDAP an die Macht

    13. März 1933 Frankfurt am Main

    Am Tag nach ihrem Sieg bei der Stadtverordnetenwahl hissen die Nazis eine Hakenkreuzfahne am Römer, dem Rathaus von Frankfurt am Main. Zwei Tage zuvor hat der Nazi Jakob Sprenger eine hasserfüllte antisemitische Rede gehalten: „Es ist eine Schande, dass zu dieser Stunde noch offiziell Juden und Judengenossen Frankfurts Rathaus beherrschen. Ich glaube, Frankfurt folgt morgen der Stimme des Führers der Deutschen. Morgen wird dieses Ungeziefer von Frankfurt, wird es ausgebrannt wie Wanzen, wird, wird es ausgeräuchert wie pestverdächtige Ratten, die (...) das Schiff nicht verlassen wollen. Frankfurt wird morgen deutsch, wird von morgen ab ein Fundament des nationalsozialistischen dritten Reiches.“

    Jakob Sprenger ist „Gauleiter“ (regionaler Parteileiter der NSDAP) des Gaues Hessen-Nassau. Die NSDAP hat die Mehrheit in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und stellt den neuen Oberbürgermeister, den Nazi Friedrich Krebs. Der jüdische Oberbürgermeister Ludwig Landmann hat unter großem Druck der Nazis am 11. März seinen Rücktritt eingereicht und flieht nach Berlin, da die SA ihn verhaften will.

    Julius Streicher spricht im Berliner Sportpalast

    15. August 1935 Berlin

    Am 15. August 1935 findet im Berliner Sportpalast eine Massenveranstaltung der Nazis statt. Von den Tribünen hängen Spruchbänder mit antisemitischen Losungen. Zehntausende Menschen warten gespannt auf die Rede von Julius Streicher. Der Platz reicht nicht aus für den großen Andrang. Über Lautsprecher wird die Rede auch in die überfüllten Tennishallen neben der Haupthalle übertragen.

    Julius Streicher ist bereits seit 1923 Herausgeber des Hetzblattes „Der Stürmer”, das antisemitische Propaganda verbreitet, häufig mit fast pornographischen Inhalten. In seiner Rede sagt er nichts Neues, doch weil er so selten in Berlin ist, wollen die Leute ihn persönlich sehen.

    Ein Journalist der Prager Presse schreibt: „Die Rede war eine gesprochene Stürmernummer und enthielt detaillierte Schilderungen über die intimsten Dinge. (...) Streicher ist ein demagogischer Volksredner, er versteht es an die niedrigsten Instinkte seiner Zuhörer zu appellieren.”

    Ein Flüchtling muss zurück nach Deutschland

    1939 Zevenaar, Nederland

    Zwischen 1933 und 1938 kommen rund 25.000 deutsch-jüdische Flüchtlinge in die Niederlande. Die meisten machen hier nur einen Zwischenstopp und reisen weiter in andere Länder. Die Regierung will keine Flüchtlinge anziehen und macht es Emigranten deshalb schwer, sich eine Existenz in den Niederlanden aufzubauen.

    Im Januar 1938 werden strenge Regelungen eingeführt. Die Regierung ordnet an, dass prinzipiell kein einziger Flüchtling mehr ins Land gelassen werden darf. Jeder Geflüchtete gilt von nun an als unerwünschter Ausländer, sofern es keinen Beweis dafür gibt, dass sein Leben in Gefahr ist. Im Mai schließt die Regierung die Grenzen für deutsche Flüchtlinge völlig.

    Als nach dem Novemberpogrom Tausende Juden aus Deutschland und Österreich fliehen, nimmt der Druck auf die niederländische Regierung zu. Sie erlaubt die Einreise von siebentausend Menschen.

    Für alle Geflüchteten gilt, dass sie Deutschland aus Angst vor Verfolgung verlassen haben. Sie werden in Lagern untergebracht und haben keinerlei Bewegungsfreiheit. Zweitausend illegale Flüchtlinge kommen in separate Lager unter militärischer Aufsicht.

    Neben Juden fliehen auch Sozialdemokraten und Kommunisten, linke politische Gegner der Nazis, in die Niederlande. Manche von ihnen sind jüdischen Glaubens und deshalb doppelt in Gefahr. Die Kommunisten werden von der niederländischen Roten Hilfe unterstützt, einer kommunistischen Organisation, die Tausenden Menschen hilft. Die niederländische Regierung wiederum ist gegen die Einreise von „roten Flüchtlingen“ und schiebt sie oft wieder nach Deutschland ab. Sogar Menschen, die aus einem Konzentrationslager entkommen sind, werden manchmal wieder an die Deutschen ausgeliefert.

    Aufnahme von Geflüchteten: ein Lager bei Westerbork

    August 1939 Westerbork

    Zehntausende Juden fliehen aus Deutschland und Österreich in die Niederlande, um den Nazis zu entrinnen. Viele von ihnen reisen weiter in andere Länder, aber das gelingt nicht jedem. Für die Juden, die in den Niederlanden zurückbleiben, wird ein zentraler Unterbringungsort geschaffen: Centraal Vluchtelingenkamp (Zentrales Flüchtlingslager) Westerbork in der Provinz Drenthe. Niederländische Juden müssen auf Anordnung der Regierung die Errichtung des Lagers bezahlen.

    Im Sommer 1939 beginnen die Bauarbeiten. Arbeiter in der „werkverschaffing“ (Arbeitsbeschaffung), einer staatlichen Maßnahme zur Beschäftigung von Arbeitslosen, zimmern die Baracken. Die ersten jüdischen Flüchtlinge, die im Oktober im Lager aufgenommen werden, sind Passagiere des Schiffs St. Louis, das in Kuba nicht anlegen durfte und nach Europa zurückgeschickt wurde. Sie helfen bei der Fertigstellung des Lagers mit.

    Als Deutschland im Mai 1940 die Niederlande überfällt, wird versucht, die Bewohner des Lagers mit Zügen zu Häfen zu bringen, damit sie nach Großbritannien entkommen können, doch das misslingt. Die Flüchtlinge kehren zurück und können nicht mehr weg.

    Adolf Hitler in Paris

    23. Juni 1940 Paris

    Adolf Hitler besucht Paris am Tag nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands durch Frankreich. Er bewundert die Architektur in der Stadt und besucht Sehenswürdigkeiten. Auf den Eiffelturm kann er nicht, denn kurz vor der deutschen Besetzung haben die Franzosen die Aufzugkabel durchtrennt.

    Schlacht um den Grebbeberg

    11. Mai 1940 Rhenen

    Einen Tag nach dem Einmarsch in die Niederlande erreicht ein Teil der deutschen Wehrmacht die Grebbelinie, etwa 60 Kilometer hinter der Grenze. Diese Verteidigungslinie besteht aus einem großen Hügel mit steilen Hängen. Am Fuß befinden sich Verteidigungsanlagen, und das Gelände davor wurde überflutet.

    Der Angriff beginnt am 11. Mai. Einen Tag später haben die Deutschen die niederländische Verteidigung überrollt und den Grebbeberg fast komplett eingenommen. Am nächsten Morgen startet die niederländische Armee einen Gegenangriff, jedoch ohne Erfolg. Am späten Nachmittag geben die Niederländer den Kampf auf und die Truppen ziehen sich auf eine neue Verteidigungslinie weiter westlich zurück.

    Die Deutschen merken erst nach ein paar Stunden, dass die Grebbelinie verlassen wurde. Die deutschen Truppen beginnen mit der Verfolgung, stoßen jedoch nur an wenigen Orten auf niederländische Einheiten.

    Dann ist es schon der 14. Mai. Die deutsche Wehrmacht erreicht Utrecht, und ihr Kommandant droht schon bald mit einer Bombardierung der Stadt. Das ist für General Winkelman, den Oberbefehlshaber der niederländischen Armee, Anlass zur Kapitulation. Kurz zuvor wurde Rotterdam schwer bombardiert, und das darf nicht auch noch mit Utrecht geschehen.

    In der Schlacht um den Grebbeberg kamen 420 niederländische und rund 250 deutsche Soldaten ums Leben.

    Königin Wilhelmina flieht nach Großbritannien

    13. Mai 1940 Hoek van Holland

    Während des deutschen Überfalls befindet sich die niederländische Königsfamilie im Palast Noordeinde in Den Haag. In der Umgebung von Den Haag sind deutsche Truppen gelandet. Der Angriff wird abgewehrt, doch die Truppen wurden nicht völlig besiegt. Die Kämpfe spielen sich vor allem in Brabant, Rotterdam, Gelderland und Friesland ab. In einem abgestürzten deutschen Flugzeug wird ein Plan gefunden, der vorsieht, die niederländische Regierung und das Königshaus gefangen zu nehmen. Die niederländische Heeresleitung weiß nicht, wie lange die Armee standhalten kann. Die Deutschen sind militärisch überlegen.

    Während des deutschen Überfalls befindet sich die niederländische Königsfamilie im Palast Noordeinde in Den Haag. In der Umgebung von Den Haag sind deutsche Truppen gelandet. Der Angriff wird abgewehrt, doch die Truppen wurden nicht völlig besiegt. Die Kämpfe spielen sich vor allem in Brabant, Rotterdam, Gelderland und Friesland ab. In einem abgestürzten deutschen Flugzeug wird ein Plan gefunden, der vorsieht, die niederländische Regierung und das Königshaus gefangen zu nehmen. Die niederländische Heeresleitung weiß nicht, wie lange die Armee standhalten kann. Die Deutschen sind militärisch überlegen.

    Als am folgenden Tag bekannt gegeben wird, dass die Königin und die Regierung geflohen sind, ist das ein harter Schlag für die Menschen in den Niederlanden. Bis dahin hatten die Zeitungen hauptsächlich über niederländische Erfolge berichtet. Nun zeigt sich, dass die Lage ernster ist als gedacht. Manche Niederländer kritisieren die Königin und bezeichnen sie als feige. Doch während der Besatzungszeit wird die Königin zu einem wichtigen Symbol des Kampfes gegen Nazi-Deutschland.

    Jüdische Beamte werden entlassen

    21. November 1940 Niederlande

    Ende November 1940 werden jüdische Beamte in den Niederlanden entlassen. Juden, die in der Verwaltung, bei der Polizei und in der Justiz tätig sind sowie Lehrer verlieren ihre Anstellung. Die Entlassung geschieht auf Befehl der deutschen Besatzungsmacht.

    Einen Monat zuvor mussten alle niederländischen Beamten eine „Ariererklärung“ unterzeichnen. Damit erklären sie, ob sie nach der Definition der Nazis Jude sind oder nicht. So wissen ihre Vorgesetzten, wer entlassen werden kann. Fast alle Beamten haben diese Erklärung unterzeichnet.

    Es gibt Nichtjuden, die gegen die Entlassungen protestieren. Der Professor Rudolph Cleveringa hält am 26. November 1940 eine Rede, in der er gegen die Entlassung seiner Kollegen an der Universität Leiden protestiert. Die Ansprache ist so beeindruckend, dass sie innerhalb weniger Tage heimlich im ganzen Land verbreitet wird. Die Deutschen inhaftieren Cleveringa daraufhin für acht Monate im sogenannten Oranjehotel (dem deutschen Gefängnis in Scheveningen). Er inspiriert viele Studierende zu aktivem Widerstand. An manchen Schulen wird gestreikt, und auch einige Kirchengemeinden protestieren. Doch die Verordnung wird nicht zurückgenommen.

    Die Ermordung behinderter Menschen

    August 1939 Berlin

    Im Sommer 1939 erteilt Adolf Hitler zwei SS-Männern den Befehl, die Ermordung von unheilbar Kranken zu organisieren. Er schreibt: „Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“

    Die beiden Nazis entwickeln ein umfangreiches „Euthanasie”- oder „Gnadentod“-Programm: Kinder und Erwachsene mit einer seelischen, geistigen oder körperlichen Erkrankung, die unheilbar ist, dürfen in manchen Fällen ermordet werden. Die Nazis sehen in diesen Menschen eine Bedrohung für die Gesundheit, die Kraft und den Fortbestand des ganzen deutschen Volkes. Die Kranken können nicht arbeiten, und ihre Versorgung ist nach Ansicht der Nazis zu teuer.

    Die beteiligten Ärzte schicken Fragebögen zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Patienten an Anstalten und Pflegeheime. Der wirkliche Grund dafür wird nicht bekannt gegeben. Die Angaben in den Formularen werden dazu benutzt, zu entscheiden, welche Patienten für „Euthanasie“ in Betracht kommen. Die ausgewählten Patienten werden anschließend abgeholt und in Krankenhäuser verlegt. Von dort aus werden sie in eine Tötungsanstalt gebracht und innerhalb von 24 Stunden ermordet. Ihre Leichname werden verbrannt. Die Familien der Toten erhalten Sterbeurkunden mit einer fiktiven Todesursache wie Lungen- oder Blinddarmentzündung.

    Das Euthanasieprogramm bleibt nicht geheim. Die Sterbeurkunden sind nicht immer glaubwürdig, die Krematorien der Tötungsanstalten sind durch ihren Rauch erkennbar, und die Patienten sind spurlos verschwunden. Nach Protesten einiger kirchlicher Würdenträger und aus der Bevölkerung lässt Hitler das Programm am 24. August 1941 stoppen. Bis dahin sind 70.000 Menschen ermordet worden. Im Geheimen läuft es weiter, und die Tötungsanstalten werden danach auch dazu benutzt, Gefangene zu ermorden.

    Die Nazis probieren verschiedene Mordmethoden aus und entscheiden sich in Absprache mit Hitler für das Vergasen mit Kohlenmonoxid. Dazu werden spezielle Gaskammern errichtet. Viele der Täter setzen das erworbene Wissen und ihre Erfahrungen später beim Massenmord an den Juden in Osteuropa ein.

    Aufgrund der Adresse der Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, erhielt dieser Massenmord später den Namen Aktion T4.

    Ghettos im besetzten Polen

    8. Oktober 1939 Piotrków Trybunalski

    Am 8. Oktober 1939 richten die Deutschen das erste Ghetto für Juden ein in Piotrków Trybunalski, einer Stadt im Westen des eroberten Polen. Alle Juden aus dem Ort müssen dort hinziehen, und Juden aus der Umgebung werden in das Ghetto gebracht. Wer nicht freiwillig umzieht, wird von den Deutschen mit Gewalt ins Ghetto gebracht. Schon bald folgen weitere Ghettos. 1940 richten die Nazis ungefähr 90 Ghettos ein.

    Das Ghetto von Piotrków ist offen, doch die meisten Ghettos sind mit Mauern, Zäunen und Stacheldraht umschlossen. Juden müssen in den Ghettos wohnen, damit sie keinen Kontakt mehr mit Nichtjuden haben. Außerdem können die Nazis so ihre Lebensumstände beherrschen. In einigen Ghettos, wie dem von Łódź, arbeiten die Bewohner als billige Zwangsarbeiter in deutschen Fabriken.

    In den Ghettos leben die Menschen unter schrecklichen Umständen. Sie können nicht selbstständig für ihr Essen sorgen, und es gibt keine medizinische Versorgung. Sie wohnen sehr beengt, da sie ihre Wohnungen mit anderen, ihnen oft unbekannten Menschen teilen müssen. Nichtjüdische Polen, die ihnen helfen, werden schwer bestraft. Juden sterben dort an Hunger und durch Krankheiten.

    Die Zahl der Bewohner von Ghettos variiert von 500 bis zu Zehntausenden. Das größte Ghetto wird im Oktober 1940 in Warschau eingerichtet. Dort müssen ungefähr 450.000 Juden wohnen, von denen mehr als die Hälfte aus anderen Orten kommt.

    Manche Ghettos werden nach einiger Zeit wieder aufgehoben, und die Menschen dort werden in andere Ghettos gebracht. Die meisten Juden bleiben jedoch in den Ghettos wohnen, bis die Nazis sie 1942 in neu errichtete Vernichtungslager bringen.

    90% der jüdischen Bevölkerung im ehemaligen Polen wurde von den Nazis ermordet: fast 3 Millionen Menschen.

    Juden werden aus Südwestdeutschland deportiert

    22. Oktober 1940 Baden

    Am 22. Oktober 1940 werden mehr als 6500 Juden in den damaligen Gauen Baden und Saarpfalz aus ihren Wohnungen geholt, zusammengetrieben und in ein Lager in Gurs, Südfrankreich, deportiert. Es ist die größte Massendeportation seit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die Menschen werden zudem völlig überrumpelt, da die Aktion während des jüdischen Laubhüttenfestes stattfindet.

    Die Deportation beginnt nach dem Sieg über Frankreich, als Naziführer aus Elsass-Lothringen Juden über die Grenze nach Vichy-Frankreich abschieben. Als Hitler davon erfährt, fordert er sie auf, das Gebiet völlig „judenfrei“ zu machen. Das veranlasst sie dazu, auch die Juden in den anderen Grenzregionen Baden und Saarpfalz festzunehmen und abzuschieben.

    Juden aus allen Dörfern und Städten werden an Bahnhöfen gesammelt und mit Zügen in den unbesetzten Teil Frankreichs transportiert. Die französische Regierung kann ihre Aufnahme nicht verweigern und schickt sie weiter in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen. Die Fahrt dauert vier Tage. Manche Menschen können fliehen, da die Züge oft stehen bleiben.

    Im Lager Gurs sind die Lebensumstände sehr schlecht. Die Menschen müssen selber sehen, wie sie an Nahrungsmittel kommen. Männer, Frauen und Kinder leben in separaten Teilen des Lagers. Ein Drittel der Deportierten schafft es, zu überleben, indem sie in Frankreich untertauchen oder ins Ausland fliehen. 1942 werden alle übrig gebliebenen Juden im Lager den Nazis übergeben und in Konzentrations- und Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert.

    Die Deportation aus Baden und Saarpfalz ist eine Blaupause für die Deportationen von Juden aus Deutschland und den besetzten Gebieten, die später in Gang kommen.

    Aus Wien werden bereits ab 1939 Tausende Juden in das Generalgouvernement (ein Teil des besetzten Polen) gebracht. Im Oktober 1941 beginnen die Nazis mit der Deportation von Juden aus anderen Gebieten Deutschlands. Sie verschleppen sie in Ghettos und Arbeitslager und in Konzentrations- und Vernichtungslager im Generalgouvernement und in den gerade eroberten Gebieten der Sowjetunion.

    Am 19. Mai 1943 verkünden die Nazis, dass Deutschland „judenrein“ sei. Es gibt zu diesem Zeitpunkt nur noch etwa 20.000 Juden in Deutschland, darunter Ehepartner von Nichtjuden oder Untergetauchte.

    Insgesamt ermorden die Nazis ungefähr 165.000 deutsche Bürger jüdischen Glaubens.

    Trawniki: Ausbildungslager für KZ-Wachmannschaften

    Juli 1941 Trawniki

    Im Juli 1941 richten die Nazis ein Kriegsgefangenenlager ein in Trawniki, einem Dorf im „Generalgouvernement“ (dem südlichen Teil des von Deutschland besetzten Polen). Es ist für gefangen genommene sowjetische Soldaten nach dem Überfall auf die Sowjetunion bestimmt.

    Die sowjetischen Kriegsgefangenen erhalten das Angebot, der Gefangenschaft zu entgehen, wenn sie als sogenannte „Hilfswillige“ („Hiwis“) für die SS arbeiten. Vor allem antikommunistische und antisemitische Ukrainer, Letten und Litauer nehmen dieses Angebot an. Sie werden in Trawniki ausgebildet und ab September 1941 eingesetzt. Als die Zahl der Kriegsgefangenen abnimmt, weil die Deutschen im Krieg gegen die Sowjetunion weniger Erfolge erzielen, werden auch Zivilisten angeworben. Mehr als 5000 Männer werden in dem Lager ausgebildet.

    Die „Hilfswilligen“ helfen den Nazis bei Razzien und der Räumung von Gettos im besetzten Polen. Sie nehmen an Einsätzen gegen Partisanen teil und unterstützen die Einsatzgruppen. Sie sind Wachleute in Vernichtungslagern und bedienen dort die Mordeinrichtungen.

    Ab Sommer 1942 werden jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in dem Lager eingesperrt. Sie sind der brutalen Behandlung durch die Lagerleitung und deren Handlanger ausgesetzt.

    Im Juli 1944 verlassen die Nazis das Lager, und Soldaten der Roten Armee entdecken es.

    Große Razzia in Paris

    16. und 17. Juli 1942 Paris

    Während einer zweitägigen Razzia in Paris und Umgebung verhaftet die französische Polizei im Auftrag der deutschen Besatzer mehr als 13.000 ausländische Juden, darunter 4000 Kinder. Mehr als 8000 Menschen werden vorübergehend in die Radsporthalle „Vélodrome d’Hiver“ gepfercht. Die anderen kommen in das Sammel- und Durchgangslager Drancy in der Nähe von Paris oder in Lager in der Provinz. Sie leben unter schlechten Umständen. In den Wochen darauf werden die Menschen nach Auschwitz deportiert, und die meisten von ihnen werden dort sofort ermordet.

    Die deutschen Besatzer haben schon ein Jahr zuvor Juden verhaftet, und nach der großen Razzia im Juli werden auch in anderen Teilen Frankreichs Juden festgenommen. Die französische Polizei wirkt dabei mit.

    In Frankreich hat die Regierung mehr Einfluss auf die Judenverfolgung als zum Beispiel in den Niederlanden. Nach kirchlichen Protesten gegen die Deportationen bittet der französische Minister Laval die Nazis, als Kompromiss vor allem ausländische Juden zu verhaften. Die meisten der 75.000 Juden, die aus Frankreich in Vernichtungslager deportiert wurden, stammen aus dem Ausland. Viele von ihnen waren in den Dreißigerjahren aus Nazi-Deutschland und den von Deutschland annektierten Gebieten nach Frankreich geflohen. Ein großer Teil der 130.000 französischen Juden konnte einer Verhaftung entgehen. Sie haben deshalb die Judenverfolgung überlebt.

    Deportation ungarischer Juden

    26. Mai 1944 Ungarn

    Von den 1500 Transporten, die in Auschwitz ankommen, wurde nur einer fotografiert: der Zug, der am 26. Mai 1944 in Auschwitz-Birkenau einfährt. Er bringt Juden aus dem Norden Ungarns in das Lager. Zwei SS-Männer fotografieren die Menschen, die aussteigen. Die Aufnahmen zeigen, dass sie sich in Reihen vor den SS-Offizieren aufstellen müssen. Männer und Frauen, die zur Zwangsarbeit ausgewählt wurden, gehen in Häftlingskleidung in das Lager. Eine andere Gruppe muss in der Nähe der Gaskammern warten.

    Der Transport umfasst 3500 der 437.000 ungarischen Juden, die zwischen dem 15. Mai und dem 8. Juli 1944 nach Auschwitz deportiert wurden. Fast alle von ihnen wurden ermordet.

    Im März 1944 hat Nazi-Deutschland Ungarn besetzt. Bis dahin war Ungarn ein Bündnispartner Deutschlands, doch die ungarische Regierung glaubt nicht mehr an einen deutschen Sieg und will mit den Alliierten Frieden schließen. Die Deutschen übernehmen daraufhin die Macht im Land und setzen eine neue Regierung ein, die zur Zusammenarbeit mit den Nazis bereit ist.

    Nun ergreifen die Nazis die Gelegenheit, die mehr als 700.000 ungarischen Juden zu ermorden. SS-Mann Adolf Eichmann kommt in das Land, um die Transporte zu organisieren. Auschwitz-Birkenau wird auf die große Zahl neuer Gefangener vorbereitet. Ein neues Bahngleis wird verlegt, das bis ins Lager führt und auf den Aufnahmen zu sehen ist.

    In Ungarn werden wie in anderen Ländern Ghettos eingerichtet, in denen die Juden bis zu ihrer Deportation bleiben müssen. Sie müssen wie in anderen besetzten Ländern einen gelben Stern tragen. Die ungarische Polizei hilft bei ihrer Verhaftung und Deportation. Die Juden in der Hauptstadt Budapest kommen als letzte an die Reihe. In dieser Stadt müssen sie gemeinsam in großen, mehrgeschossigen Häusern wohnen, die mit gelben Sternen gekennzeichnet sind.

    Am 15. Mai 1944 geht der erste der 151 Transporte, die Tausende Juden pro Tag nach Auschwitz-Birkenau bringen. Am 8. Juli werden die Transporte auf Anordnung des ungarischen Staatsoberhaupts Miklós Horthy eingestellt. Die Alliierten und der Papst haben ihn unter Druck gesetzt, nachdem sie einen Bericht über das Schicksal der Juden in Auschwitz erhalten hatten.

    Im Oktober 1944 kommt eine antisemitische Partei an die Macht, die die Judenverfolgung fortsetzt. 80.000 Juden werden in Budapest erschossen, und noch einmal Tausende kommen durch andere Mordaktionen um. Zwischen 1940 und 1945 sterben 568.000 ungarische Juden.

    Amerikanischer Militärfriedhof in Margraten

    10. November 1944 Margraten

    Ende 1944 bereitet sich die US-Armee darauf vor, nach Berlin vorzurücken. Da mit vielen Toten gerechnet wird und die Armeeführung keine Soldaten auf feindlichem Boden begraben will, sucht sie nach einem Ort in den Niederlanden für einen Militärfriedhof. Er findet sich in der Gemeinde Margraten, die bereits seit 13. September befreit ist.

    Am 10. November 1944 werden die ersten Gefallenen dort bestattet. Später müssen manchmal fünfhundert Soldaten an einem Tag beerdigt werden. Die lokale Bevölkerung hilft beim Ausheben der Gräber. In einem separaten Abschnitt werden auch deutsche Soldaten bestattet. Im Mai 1945 liegen hier fast 17.000 Soldaten begraben.

    Nach dem Krieg wird ein großer Teil der Soldaten exhumiert und in den USA erneut bestattet. Heute ruhen 8.301 Soldaten in Gräbern mit identischen weißen Kreuzen oder mit Davidsternen, wenn die Gefallenen jüdischen Glaubens waren. Außerdem gibt es eine Mauer, auf der die Namen von 1722 vermissten Soldaten eingraviert sind.

    Aus Dankbarkeit für die Befreiung hat die niederländische Regierung das Gelände den USA für immer als Leihgabe überlassen.

    Denkmal für die jüdischen Opfer in Bergen-Belsen

    16. April 1946 Bergen-Belsen

    Im September 1945 stellen ehemalige jüdische Häftlinge des Konzentrationslagers Bergen-Belsen ein hölzernes Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer in diesem Lager auf. Am 16. April 1946 wurde es durch ein Denkmal aus Stein ersetzt. Dieses steht noch heute. Auf dem Stein ist zu lesen: "Earth conceal not the blood shed on thee" ("Erde, verbirg nicht das Blut, das an dir vergossen wurde").

    Auch andere Gruppen ehemaliger Häftlinge errichten Gedenkstätten. Am 2. November 1945 wird ein großes Holzkreuz für die polnischen Opfer errichtet. Ende 1945 errichtet die Sowjetunion eine Gedenkstätte für die etwa zwanzigtausend hier gestorben sowjetischen Kriegsgefangenen.

    Auschwitz wird Museum und Gedenkstätte

    14. Juni 1947 Oświęcim

    Am 14. Juni 1947 wird auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz ein Museum eröffnet. In mehreren Gebäuden auf dem Lagergelände erhalten die Besucher Informationen über das Leben im Lager und über die mehr als eine Million Menschen, die dort umgekommen sind. Berge aus Koffern, Schuhen, Brillen und anderen Besitztümern der ermordeten Jüdinnen und Juden sind zu sehen. Im ersten Jahr verzeichnet das Museum 170.000 Besucher. Derzeit sind es mehr als zwei Millionen.

    In den 1960er Jahren wird das Museum mit nationalen Ausstellungen erweitert. Darin geht es um die Judenverfolgung in verschiedenen europäischen Ländern.

    In Auschwitz-Birkenau, dem zweiten Ort des Lagers, wird 1967 ein Denkmal errichtet. Auf diesem großen Gelände stehen Häftlingsbaracken, andere Gebäude und Ruinen der Gaskammern.

    Würdigung des Februarstreiks

    19. Dezember 1952 Amsterdam

    Am 1. Dezember 1952 wird die Statue „De Dokwerker“ (Der Dockarbeiter) enthüllt. Sie verkörpert einen mutigen Hafenarbeiter und erinnert an den Februarstreik 1941, der als Protest gegen die Deportation der Amsterdamer Juden stattfand. Die Statue steht mitten im jüdischen Viertel von Amsterdam auf dem Jonas Daniël Meijerplein, wo am 22. und 23. Februar 1941 die ersten Razzien in den Niederlanden stattfanden.

    Auf dem Sockel steht:

    Februaristaking 1941
    Daad van verzet der
    burgerij tegen de
    Jodenvervolging door
    de Duitse bezetter

    (Februarstreik 1941
    Widerstandsakt der
    Bürger gegen die
    Judenverfolgung durch
    die deutschen Besatzer)

    Jedes Jahr am 25. Februar gedenken die Menschen hier des Februarstreiks.

    Enthüllung von „De verwoeste stad“ (Die zerstörte Stadt)

    15. Mai 1953 Rotterdam

    13 Jahre nach der deutschen Bombardierung Rotterdams enthüllt J.M. van Walsum-Quispel, die Frau von Bürgermeister van Walsum, die Plastik „De verwoeste stad“ (Die zerstörte Stadt) des weißrussisch-französischen Künstlers Ossip Zadkine.

    Der Bürgermeister sagt: „Diese Skulptur soll über die Jahrhunderte hinweg die Erinnerung an einen der tiefsten Punkte in der Geschichte unserer Stadt und unseres Volks wachhalten.“

    Für Zadkine symbolisiert die Plastik „eine Stadt ohne Herz“, da Rotterdams Stadtzentrum von den Bomben zerstört wurde.

    Gründung von Yad Vashem

    29. Juli 1954 Jeruzalem

    Am 29. Juli 1954 erfolgt die Grundsteinlegung für Yad Vashem in Westjerusalem, Israel. Yad Vashem ist eine offizielle Erinnerungsstätte zum Gedenken an die Opfer der Judenverfolgung durch die Nazis und deren Handlanger in Europa. Die Gedenkstätte sammelt Dokumente und Zeugenberichte, betreibt Forschung und klärt über die Geschichte des Holocaust auf, unter anderem mit Ausstellungen.

    Yad Vashem ehrt Menschen, die Jüdinnen und Juden in den Jahren des Holocaust gerettet oder ihnen geholfen haben. Sie erhalten den Titel „Gerechte unter den Völkern“ („Righteous Among the Nations), eine Medaille und eine Urkunde. Ihr Name wird in einer Gedenkmauer eingraviert.

    Auch die Helfer und Helferinnen der Untergetauchten im Hinterhaus – Miep und Jan Gies, Johannes Kleiman, Victor Kugler und Elly van Wijk-Voskuijl – wurden auf Vorschlag von Otto Frank in Yad Vashem geehrt.

    Otto Frank verteidigt das Tagebuch vor Gericht

    April 1959 Lübeck

    Anfang 1959 erstattet Otto Frank Anzeige gegen den deutschen Lehrer Lothar Stielau. Stielau, ein Rechtsextremist, hatte in einer Schülerzeitung behauptet, Anne Franks Tagebuch sei eine Fälschung. Nachdem eine Untersuchung der Manuskripte die Echtheit des Tagebuchs erwiesen hat, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Stielau. Er nimmt seine Anschuldigungen zurück, und Otto Frank erklärt sich mit dem Vergleich einverstanden.

    Es ist das erste, jedoch nicht das letzte Mal, dass Otto Frank sich an die Justiz wenden muss, um Annes Tagebuch gegen derartige Anschuldigungen zu verteidigen.

    Es gibt verschiedene Gründe, weshalb manche Menschen behaupten, das Tagebuch sei nicht echt. Einer der Hauptgründe ist, dass sie zu beweisen versuchen, der Holocaust habe nicht stattgefunden. Indem sie Zweifel säen an den Berichten von Betroffenen, hoffen sie zeigen zu können, dass die Nazis nicht so schlecht sind, wie behauptet wird. Oft benutzen sie angeblich wissenschaftliche Argumente, die von Laien schwer einzuordnen sind. Doch unter Historikern bestehen keinerlei Zweifel über den Mord an sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs.

    Gründung der Vereinten Nationen

    24. Oktober 1945 San Francisco

    Schon während des Zweiten Weltkriegs gibt es Überlegungen, wie Kriege künftig verhindert werden können. Um Zusammenarbeit und Verhandlungen zu fördern, wird eine internationale Organisation gegründet: die Vereinten Nationen (VN). 51 Staaten unterzeichnen den Gründungsvertrag, der am 24. Oktober 1945 in Kraft tritt.

    In dieser Charta sind die Ziele und Befugnisse der VN sowie die Pflichten der beteiligten Länder festgelegt. So haben die Vereinten Nationen einen Internationalen Gerichtshof, der bei Konflikten zwischen Staaten vermittelt. In der Charta steht auch, dass die VN in der ganzen Welt militärisch eingreifen können, um Verbrechen zu stoppen. Inzwischen sind 193 Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen.

    Gründung des Staates Israel

    14. Mai 1948 Tel Aviv

    Am 14. Mai 1948 ruft David Ben-Gurion die Unabhängigkeit des neuen Staates Israel aus. Die Staatsgründung stößt international auf erheblichen Widerstand, doch das Land erhält auch viel Unterstützung, da es eine Heimstätte für die Überlebenden der deutschen Judenverfolgung in Europa sein kann.

    Für gläubige Juden ist das Land heilig. Ihre Verbundenheit mit dem Land wird in der Thora beschrieben, dem heiligen Buch des Judentums. Viele Jüdinnen und Juden sehen das Land auch als einen sicheren Ort an. Sie wollen hier nicht mehr unter dem Judenhass leiden, den sie in Europa jahrhundertelang erlitten haben. Schon seit Jahrzehnten waren Juden aus Europa nach Palästina ausgewandert. Das ging nicht friedlich vonstatten. Es kam zu Kämpfen zwischen Juden, im Land lebenden Arabern und Truppen des Vereinigten Königreichs, unter dessen Mandat das Land seit 1917 stand.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wollen viele Jüdinnen und Juden Europa verlassen und nach Palästina gehen. Großbritannien erlaubt ihnen die Einreise nicht und schickt die jüdischen Emigrant*innen zurück oder sperrt sie in Lager.

    1947 willigen die Vereinten Nationen ein, das Gebiet Palästinas zwischen den Juden und den Arabern aufzuteilen. Viele Araber und jüdische Organisationen sind damit nicht einverstanden. In den Auseinandersetzungen, die darauf folgen, siegen die Juden.

    Einen Tag, nachdem Israel als neuer Staat proklamiert worden ist, greifen die arabischen Nachbarländer Israel an. Aus diesem Krieg, der fast ein Jahr dauert, geht Israel als Sieger hervor.

    Viele arabische Einwohner des alten Palästina wurden vertrieben oder sind geflüchtet. Sie und die Araber, die zurückbleiben, werden künftig als Palästinenser bezeichnet.

    In den ersten drei Jahren nach der Gründung kommen ungefähr 600.000 Juden aus Europa nach Israel.

    Der Marshallplan

    5. Juni 1947 Cambridge (Mass.), USA

    Am 5. Juni 1947 präsentiert der amerikanische Außenminister George C. Marshall das European Recovery Program (ERP). Schon bald erhält es den Namen Marshallplan. Zwischen 1948 und 1952 unterstützen die USA Europa mit Geld, Waren und Expertise im Wert von 13 Milliarden Dollar. Auch Westdeutschland. Ein Teil davon ist ein Geschenk, der Rest ein Darlehen.

    Mit der Hilfsleistung wollen die USA verhindern, dass Westeuropa in eine Krise gerät und sich möglicherweise für den Kommunismus entscheidet. Ein wirtschaftlich gesundes Europa ist auch deshalb in ihrem Interesse, weil es ein großer Absatzmarkt für amerikanische Waren sein kann.

    Für Europa ist die Marshallplan-Hilfe eine wichtige Unterstützung beim Wiederaufbau.

    Die deutsche Zivilbevölkerung wird mit den Kriegsverbrechen konfrontiert

    17. Mai 1945 Nammering

    Die Alliierten konfrontieren die deutsche Bevölkerung mit den Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden. Im münsterländischen Burgsteinfurt zwingt die britische Armee 4000 Einwohner*innen des Ortes, sich den Film Atrocities: the Evidence anzusehen. Der Film zeigt Bilder aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Bergen-Belsen, die nach der Befreiung aufgenommen wurden.

    Auch an anderen Orten müssen sich die Deutschen solche Dokumentationen ansehen.

    Aus Zorn über das, was sie in Konzentrationslagern und an anderen Orten vorfinden, zwingen alliierte Soldaten die Bevölkerung, verstorbene Lagerinsassen und Opfer von Hinrichtungen erneut zu begraben oder an Tausenden Leichnamen toter Gefangener entlangzugehen, damit sie begreifen, was das Naziregime angerichtet hat.

    Verhaftung und Selbstmord von Heinrich Himmler

    22. Mai 1945 Bremervörde

    Als Leiter der SS war Heinrich Himmler an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt. Die Ermordung von Juden, Roma und Sinti und politischen Gegnern geschah unter seiner Verantwortung.

    Im April 1945, als der Krieg fast vorbei ist, versucht Himmler seiner Strafe zu entgehen, indem er mit den Alliierten verhandelt. Als Gegenleistung für die deutsche Kapitulation fordert er Immunität. Die Alliierten weigern sich und setzen ihn auf die Liste gesuchter Kriegsverbrecher.

    Himmler nimmt deshalb eine falsche Identität an. Am 22. Mai 1945 verhaften ihn britische Soldaten an einem Kontrollposten. Seine nagelneuen Papiere und seine Nervosität sind zu auffällig. Himmler wird zur Vernehmung in ein Gefangenenlager gebracht. Am nächsten Tag gibt er sich bei einem Verhör zu erkennen. Während einer Leibesvisitation durch einen Arzt zerbeißt er plötzlich eine Zyankalikapsel, die er im Mund verborgen hatte. Eine Viertelstunde später ist er tot. Sein Leichnam wird in einem anonymen Grab in der Lüneburger Heide bestattet.

    Der erste Bergen-Belsen-Prozess

    17. September 1945 Lüneburg

    Im September 1945 beginnt der erste Bergen-Belsen-Prozess. 45 Personen müssen sich vor einem britischen Militärgericht verantworten. Als Gerichtssaal dient eine Turnhalle. Angeklagt sind der Lagerkommandant Joseph Kramer, andere SS-Leute, Bewacherinnen und einige Kapos (Gefangene, die andere Häftlinge beaufsichtigen, zum Beispiel bei der Arbeit). Anklagepunkte sind: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Misshandlung von Häftlingen und andere Missstände im Lager. Der Prozess dauert zwei Monate. Am Ende werden elf der Angeklagten zum Tode verurteilt. Andere erhalten Haftstrafen von einem Jahr bis lebenslänglich. Fünfzehn Personen werden freigesprochen.

    1946 und 1948 folgen zwei weitere Prozesse gegen ehemaliges Lagerpersonal von Bergen-Belsen.

    April-Mai-Streiks

    29. April 1943 Niederlande

    Am 29. April 1943 streiken die Beschäftigten der Maschinenfabrik Stork in Hengelo. Der Streik weitet sich schnell auf andere Teile der Provinz Twente und einen Tag später auch auf die anderen Provinzen der Niederlande aus.

    Die Streikwelle ist eine Reaktion auf den Beschluss der deutschen Besatzer, die niederländischen Soldaten erneut zu Kriegsgefangenen zu machen. Einen Monat nach dem deutschen Überfall im Mai 1940 waren die gefangen genommenen niederländischen Soldaten freigelassen worden unter der Bedingung, dass sie keinen Widerstand gegen die Besatzungsmacht leisten würden. Die Besatzer entdecken jedoch, dass viele Soldaten dem Ordedienst angehören, einer Widerstandsbewegung. Deshalb wollen sie die Soldaten zum Arbeitseinsatz verpflichten.

    Der Streik überrascht die Besatzer, die brutal zurückschlagen. Das Standrecht wird eingeführt: Ein dreiköpfiges SS-Gericht kann Verdächtige sofort verurteilen und verhängt oft die Todesstrafe. Mit weiterer Gewalt und Drohungen gelingt es den Deutschen, die Streiks schnell niederzuschlagen. Achtzig Personen werden standrechtlich exekutiert. Bei Beschießungen der Streikenden kommen 95 Menschen um und 400 werden verletzt.

    Der Streik ist ein Wendepunkt in der Haltung der niederländischen Bevölkerung. Der organisierte Widerstand nimmt seitdem stark zu.

    Jüdische Kinder aus der Hollandsche Schouwburg gerettet

    juli 1943 Amsterdam

    Das neugeborene jüdische Mädchen Ruth wird 1943 von Pauline van Waasdijk und Hester van Lennep aus den Händen der deutschen Besatzer gerettet. Sie wird bei der Stadtverwaltung als Marijke van Waasdijk angemeldet. Pauline und Hester retten rund achtzig Kindern das Leben.

    Pauline und Hester gehören zu einer großen Gruppe von Menschen, die jüdische Kinder aus der Hollandsche Schouwburg retten. In den Jahren 1942 und 1943 benutzen die Deutschen dieses ehemalige Theater als Sammelstelle für jüdische Männer, Frauen und Kinder, die von dort aus in das Lager Westerbork gebracht werden sollen.

    Da die Hollandsche Schouwburg zu klein ist für die vielen Inhaftierten, bringen die Deutschen die Kinder in einer „crèche“ unter. Dieses „Kinderhaus“ befindet sich gegenüber der Schouwburg an der Plantage Middenlaan. Die Direktorin Henriëtte Pimentel ist im Widerstand aktiv. Der Garten der „crèche“ grenzt an den Garten der „Kweekschool“ (Pädagogische Hochschule). Der Direktor dieser Schule, Johan van Hulst, schmiedet zusammen mit Henriëtte Pimentel einen Plan zur Rettung der Kinder.

    Mit Hilfe des Direktors der Hollandsche Schouwburg, dem jüdischen Deutschen Walter Süskind, sorgen sie dafür, dass die Kinder aus der Kartei der Deutschen verschwinden. Anschließend werden die Kinder über die „Kweekschool“ aus dem Haus geschmuggelt: versteckt in Taschen, Koffern oder zwischen der Schmutzwäsche oder auch einfach zu Fuß, wenn die Bewacher es nicht merken. Rund sechshundert Kinder werden so vor dem Tod gerettet.

    Radio Oranje: „die Stimme der kämpfenden Niederlande“

    10. Mai 1943 London

    Am 10. Mai 1943, drei Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande, spricht Königin Wilhelmina auf Radio Oranje. Sie erinnert an „den niederträchtigen Angriff, welchen die Moffen auf unser Vaterland verübt haben“ und an die Menschen, die im Kampf gegen Deutschland gestorben sind. Dann erteilt sie ihrem Schwiegersohn, Prinz Bernhard, das Wort. Er spricht über seinen „Glauben an den bevorstehenden Sieg der Freiheit und des Rechts über Barbarentum und Sklaverei.“

    Radio Oranje ist ein Programm, das vom britischen Rundfunksender BBC ausgestrahlt wird. Jede Sendung beginnt mit den Worten: „Hier Radio Oranje, die Stimme der kämpfenden Niederlande“. In den Sendungen wird über die Entwicklungen des Krieges berichtet, und die niederländische Bevölkerung wird dazu aufgerufen, nicht mit den Besatzern zusammenzuarbeiten. Manchmal werden auch verschlüsselte Nachrichten an den niederländischen Widerstand durchgegeben.

    Die deutschen Besatzer wollen verhindern, dass die niederländische Bevölkerung dadurch beeinflusst wird. Deshalb müssen am 13. Mai 1943 alle Niederländer ihre Rundfunkgeräte abliefern. Längst nicht jeder hält sich daran. Bei geschlossenen Vorhängen und leise gestelltem Radio hören sie trotzdem die Nachrichten aus dem Ausland.

    Bombardierungen der Alliierten auf Amsterdam

    17. Juli 1943 Amsterdam

    Am 17. Juli 1943 wollen die Alliierten die Fokker-Werke im Norden von Amsterdam bombardieren. Diese Flugzeugfabriken arbeiten für die deutsche Kriegsindustrie. Wegen eines Versehens verfehlen die Bomben ihr Ziel und und treffen ein Wohnviertel im Norden von Amsterdam. Mehr als 150 Zivilisten kommen sofort ums Leben. Viele andere sterben später an ihren Verletzungen. Mehrere hundert Häuser werden beschädigt.

    Anne Frank kann die Bombardierungen hören, denn das Hinterhaus ist nur wenige Kilometer entfernt.

    Sie schreibt am 19. Juli 1943: „Am Sonntag ist Amsterdam-Nord schwer bombardiert worden. Die Verheerung muss schrecklich sein, ganze Straßenzüge liegen in Trümmern. Man hört von Kindern, die verloren in den schwelenden Ruinen ihre toten Eltern suchen. Mir läuft es noch kalt den Rücken hinunter, wenn ich an das dumpfe, dröhnende Donnern in der Ferne denke.“

    Die Untergetauchten sind sich der Gefahr einer Bombardierung bewusst. Sie können ihr Versteck nicht verlassen, um sich in einen Luftschutzkeller zu flüchten. Und sie könnten entdeckt werden, wenn das Hinterhaus beschädigt werden sollte.

    Am 25. Juli 1943 sehen Anne und die anderen Untergetauchten „Rauchsäulen über dem IJ“. Fokker wurde zum zweiten Mal bombardiert. Diesmal werden die Fabriken zum Teil getroffen. Drei Tage später unternehmen die Alliierten einen weiteren Versuch, doch auch jetzt gelingt es nicht. 17 Zivilisten kommen ums Leben. Anne schreibt ins Tagebuch: „Ich habe die Zähne zusammengebissen und so Tapferkeit trainiert.“

    Insgesamt fordern die drei Bombardierungen der Fokker-Werke mehr als 200 Todesopfer unter der Zivilbevölkerung.

    Anmeldepflicht für den Arbeitseinsatz

    8. Mai 1943 Niederlande

    Am 8. Mai 1943 verkündet die deutsche Besatzungsmacht in den Niederlanden die Pflicht zum „Arbeitseinsatz“ für alle niederländischen Männer von 18 bis 35 Jahren. Das bedeutet, dass sie in Deutschland arbeiten müssen. Die Niederländer sollen sich freiwillig melden. In Deutschland fehlen Arbeitskräfte, denn die meisten arbeitsfähigen Männer sind beim Militär.

    Die deutschen Besatzer gehen davon aus, dass sie 170.000 Arbeiter aus den Niederlanden rekrutieren können. Es melden sich aber nur 54.000 Männer. Die meisten Niederländer wollen nicht für den Feind arbeiten. Viele tauchen unter oder besorgen sich eine Bescheinigung, dass sie arbeitsunfähig oder zu Hause oder am Arbeitsplatz unabkömmlich sind.

    Daraufhin steigern die Deutschen den Druck. Sie erweitern das Alter auf 17 bis 40 Jahre und veranstalten Razzien. Jeder Mann kann von der Straße weg verhaftet und nach Deutschland verschleppt werden. Es gelingt den Deutschen, eine Viertelmillion niederländischer Männer zur Arbeit einzusetzen.

    Die berüchtigtste Razzia findet in Rotterdam statt. Dort werden am 10. und 11. November 1944 im gesamten Stadtgebiet 52.000 Männer festgenommen.

    Die Arbeit in Deutschland ist oft schwer. Die Verpflegung ist schlecht, die Behandlung streng. Gefährlich ist es außerdem, da die Alliierten die Fabriken bombardieren, um die deutsche Kriegsproduktion zu stören. Manche Niederländer haben es jedoch nicht so schlecht und schätzen die Freiheiten, die sie haben, seitdem sie nicht mehr zu Hause wohnen.

    Jüdische Kinder müssen separate Schulen besuchen

    1. September 1941 Amsterdam

    Nach den Sommerferien 1941 dürfen jüdische Kinder nicht mehr in ihre alte Schule zurück. Auch katholische und evangelische Kinder müssen ihre christlichen Schulen verlassen, wenn sie nach den Kriterien der Nazis jüdischer Abstammung sind. Jüdische Kinder dürfen auf Anordnung der deutschen Besatzungsmacht ab 1. September nicht mehr gemeinsam mit nichtjüdischen Kindern die Schule besuchen.

    In Amsterdam gibt es viele Kinder aus jüdischen Familien. Dort werden neue jüdische Schulen eröffnet, und auch die Lehrkräfte sind jüdischen Glaubens. Außerdem werden in der Stadt Schulbezirke neu eingeteilt: Im Transvaal-Viertel müssen zum Beispiel die nichtjüdischen Kinder eine Schule verlassen, da diese Schule nur noch von jüdischen Kindern besucht werden darf.

    Die Montessori-Schule, auf die Anne Frank geht, müssen 91 jüdische Kinder verlassen. Eigentlich hätte Anne noch ein Jahr in dieser Schule vor sich gehabt, doch das ist nun verboten. Sie wechselt nicht in eine andere Grundschule, sondern gleich in die Sekundarschule. Sie kommt in die erste Klasse des Joods Lyceum, einer neu gegründeten Oberschule. Ihre Schwester Margot kommt dort in die vierte Klasse.

    Nach dem Sommer 1942 erscheinen immer weniger Kinder im Unterricht. Sie wurden deportiert, und einige sind untergetaucht. Nach der letzten Razzia in Amsterdam, im September 1943, schließt das Joods Lyceum. Es gibt keine Schüler und Schülerinnen und keine Lehrkräfte mehr.

    Märkte nur für Juden

    september 1941 Amsterdam

    Ab September 1941 dürfen Jüdinnen und Juden in Amsterdam nur noch auf speziellen jüdischen Märkten einkaufen. Diese Märkte werden auf Plätzen und Schulhöfen eingerichtet, die abgeriegelt werden können. So werden die jüdischen von den nichtjüdischen Niederländern getrennt.

    In Amsterdam sind die jüdischen Märkte auf den Schulhöfen am Waterlooplein, in der Joubertstraat und in der Gaaspstraat zu finden. Später öffnet auch ein Markt auf dem Minervaplein.

    Jüdische Männer müssen in Arbeitslager

    10. Januar 1942 Amsterdam

    Die deutschen Besatzer haben im Oktober 1941 angeordnet, dass jüdische Arbeitslose in Arbeitslagern arbeiten müssen. Viele von ihnen haben ihren Arbeitsplatz wegen der antijüdischen Gesetze verloren. Der „Judenrat“ soll die Männer auswählen. Viele Menschen versuchen, dem Arbeitslager zu entgehen, doch das gelingt nur in seltenen Fällen.

    Die Arbeitslager bestehen bereits seit den Dreißigerjahren. Die meisten Lager befinden sich in den Provinzen Groningen, Drenthe und Overijssel. Die niederländische Regierung hat sie errichtet, damit arbeitslose Männer Brachland für die Landwirtschaft erschließen. Die Arbeiter müssen das Land urbar machen und Straßen anlegen. Nun werden diese Männer durch jüdische Arbeitslose ersetzt.

    Die erste Gruppe von 905 Juden kommt am 10. Januar 1942 an. Da der Boden gefroren ist, können sie in der ersten Zeit nur wenig tun. Die Arbeit ist sehr schwer, und die Versorgung ist schlecht. Später müssen auch Juden, die noch einen Arbeitsplatz haben, in den Lagern arbeiten. Im September 1942 sind bereits mehr als 5000 jüdische Männer in die Arbeitslager geschickt worden.

    Für Juden verboten

    30. Juni 1942 Niederlande

    Am 30. Juni 1942 schränkt die deutsche Besatzungsmacht die Bewegungsfreiheit der Juden massiv ein: Juden dürfen nicht mehr Rad fahren und keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Autofahren ist bereits seit Januar 1942 für Juden verboten.

    Seit Anfang 1941 werden Juden in den Niederlanden fast jede Woche mit einer neuen Regelung drangsaliert, die in ihr Leben eingreift. Hier eine kleine Auswahl:

    • 10. April 1941: Juden dürfen nicht aus Amsterdam wegziehen.
    • 15. April 1941: Juden müssen ihre Rundfunkgeräte abliefern.
    • 1. Mai 1941: Jüdische Ärzte, Apotheker, Hebammen, Makler, Übersetzer und Rechtsanwälte dürfen nur noch für Juden tätig sein.
    • 1. Mai 1941: Juden dürfen die Börse nicht betreten.
    • 2. Mai 1941: Juden dürfen nicht mehr journalistisch tätig sein.
    • 6. Mai 1941: Bestimmte Straßen in Amsterdam werden als „Jüdische Straßen“ und „Jüdische Grachten“ gekennzeichnet.
    • 15. Mai 1941: Jüdische Musiker werden aus Orchestern entlassen.
    • 31. Mai 1941: Juden dürfen nicht an den Strand, in Parks, Schwimmbäder und Hotels gehen.
    • 27. Juni 1941: Jüdische Geschäfte müssen sonntags schließen.
    • 15. September 1941: Schilder „Für Juden verboten“ erscheinen an Bibliotheken, Restaurants, Sportplätzen, Märkten, Lesehallen und Museen.
    • 15. September 1941: Juden müssen eine Genehmigung beantragen, wenn sie den Wohnort wechseln wollen.
    • 15. September 1941: Es erscheinen Schilder mit der Aufschrift „Jüdisches Lokal“ an jüdischen Lokalen und Theatern, in die Nichtjuden nicht gehen dürfen.
    • 10. Oktober 1941: Jüdische Läden müssen als solche erkennbar sein.
    • 22. Oktober 1941: Juden müssen für jeden Beruf eine Genehmigung haben.
    • 22. Oktober 1941: Juden dürfen kein Mitglied von Sportvereinen mit nichtjüdischen Mitgliedern sein.
    • 23. Oktober 1941: Juden dürfen nicht emigrieren.
    • 24. Oktober 1941: Juden dürfen nicht für Nichtjuden arbeiten.
    • 7. November 1941: Juden dürfen nicht ohne Genehmigung verreisen oder umziehen.
    • 25. November 1941: Deutsche Juden verlieren die deutsche Staatsangehörigkeit.
    • 26. November 1941: Von jüdischen Inhabern geführte Briefmarken- und Antiquitätenläden werden geschlossen.
    • 5. Dezember 1941: Nichtniederländische Juden müssen sich zur „freiwilligen Emigration“ anmelden.
    • 1. Januar 1942: Nichtjuden dürfen nicht für Juden arbeiten.
    • 23. Januar 1942: Juden dürfen nicht Auto fahren.
    • 20. März 1942: Juden dürfen keine Möbel oder anderen Hausrat verkaufen.
    • 25. März 1942: Juden dürfen nicht im Rathaus heiraten.
    • 25. März 1942: Juden und Nichtjuden dürfen keine Ehen schließen.
    • 24. April 1942: Die meisten jüdischen Metzgereien werden geschlossen.
    • 29. Mai 1942: Juden dürfen nicht angeln.
    • 5. Juni 1942: Juden dürfen ohne vorherige Genehmigung nicht reisen.
    • 12. Juni 1942: Juden dürfen nicht in nichtjüdischen Läden Gemüse und Obst kaufen.
    • 12. Juni 1942: Juden müssen Fahrräder und andere Transportmittel abliefern.
    • 12. Juni 1942: Juden dürfen keinen Sport treiben.
    • 30. Juni 1942: Juden dürfen nicht nach 8 Uhr abends und vor 6 Uhr morgens auf der Straße sein.
    • 30. Juni 1942: Juden dürfen nicht als Straßenverkäufer oder Händler für Lumpen, Altmetall und Schrott arbeiten.
    • 30. Juni 1942: Juden dürfen öffentliche Telefone nicht benutzen.
    • 30. Juni 1942: Juden dürfen nur zwischen 15 und 17 Uhr in nichtjüdischen Läden einkaufen.
    • 6. Juli 1942: Juden dürfen Nichtjuden nicht besuchen.
    • 1. August 1942: Jüdische Straßennamen werden geändert.
    • 1. August 1942: Juden dürfen kein Telefon besitzen.
    • 15. September 1942: Jüdische Studenten werden vom Studium ausgeschlossen.

    Amerikanische Luftwaffe bombardiert Deutschland

    27. Januar 1943 Wilhelmshaven, Duitsland

    Am 27. Januar 1943 bombardiert die amerikanische Luftwaffe den Hafen von Wilhelmshaven. Das ist der erste Angriff der USA auf Ziele im Deutschen Reich. Die Aktion ist erfolgreich. Viele Lagerhäuser, Hafen- und Werftanlagen werden zerstört. Die Deutschen verlieren 22 Flugzeuge und die Amerikaner nur drei. Wilhelmshaven ist eine wichtige Hafenstadt. Die Alliierten bombardieren sie während des Krieges mehr als hundert Mal.

    Zuvor hat nur die britische Luftwaffe, unterstützt durch andere alliierte Piloten, Angriffe gegen Deutschland geflogen.

    Die alliierten Bombardements sind bis Ende 1944 die einzige Konfrontation der deutschen Bevölkerung mit Kriegsgewalt. Viele Flugzeuge stürzen ab und viele Besatzungsmitglieder kommen ums Leben. Die Alliierten bombardieren wöchentlich, manchmal täglich Fabriken, Verkehrsknotenpunkte und militärische Anlagen, aber auch Wohnviertel in Städten und kleineren Orten. Die Bombardements sollen die deutsche Luftwaffe und Ölindustrie zerstören, und die Briten wollen damit auch die Moral der deutschen Bevölkerung und deren Unterstützung der Hitlerdiktatur brechen.

    Die Bomber starten von Großbritannien aus, nach dem Sommer 1943 von Süditalien und nach dem Sommer 1944 auch von Frankreich aus. Erst 1944 erlangen die Alliierten die Lufthoheit über Europa. Nun fliegen sie bis ins besetzte Polen, um die deutschen Fabriken zu bombardieren.

    Circa 410.000 deutsche Zivilisten sind durch die Bombardierungen umgekommen.

    Die Schlacht um Monte Cassino

    Januar - Mai 1944 Monte Cassino, Italië

    Die Kaputilation

    Die militärischen Rückschläge Italiens machen das Land kriegsmüde. Immer weniger Mitglieder der Regierung und der Militärführung wollen zusammen mit Deutschland gegen die Alliierten kämpfen. Am 24. Juli 1943 entzieht der Faschistische Großrat Benito Mussolini, dem politischen Führer Italiens, das Vertrauen. Am nächsten Tag entlässt ihn der italienische König, und eine neue Regierung wird gebildet.

    Mussolini wird verhaftet, und Italien nimmt Friedensverhandlungen mit den Alliierten auf. Doch sobald Italien kapituliert, greifen die Deutschen ein und besetzen das Land, um zu verhindern, dass die Alliierten leicht vorrücken können.

    Deutsche Kommandos befreien Mussolini. Hitler stellt ihn an die Spitze eines deutschen Vasallenstaats: die „Soziale Republik Italien“ im Norden des Landes. Erst 1945 erobern die Alliierten diese Gebiete.

    Die deutsche Wehrmacht hat zwischen Rom und Neapel eine stark ausgebaute Verteidigungslinie errichtet: die Gustav-Linie. Ein auffälliger Punkt darin ist der Monte Cassino, ein Berg mit einem Kloster aus dem sechsten Jahrhundert auf dem Gipfel.

    Durch ein schweres Bombardement der amerikanischen Armee wird das Kloster stark beschädigt. Es wird dadurch zu einer sehr starken deutschen Stellung, die fast uneinnehmbar ist. Um die deutsche Armee zu schwächen, greifen die Alliierten sie weiter nördlich hinter der Front mit einer Landeoperation bei Anzio an, doch ohne Erfolg.

    Erst nach vier Angriffen gelingt es im Mai, die deutsche Verteidigungslinie zu durchbrechen. Eine polnische Einheit erreicht nach schweren Gefechten den Gipfel des Monte Cassino und hisst die polnische Flagge auf den Trümmern des zerstörten Klosters.

    Nun steht der Weg nach Rom offen. Am 4. Juni 1944 nehmen amerikanische Truppen die italienische Hauptstadt ein. Doch es wird noch lange dauern, bis ganz Italien erobert ist. Erst nach monatelangen schweren Kämpfen erreichen die Alliierten eine neue deutsche Linie nördlich von Florenz. Hier bleibt die Front bis zum Frühjahr 1945. Die Alliierten konzentrieren sich nun hauptsächlich auf den Kampf in Nordwest-Europa.

    Die Schlacht um Monte Cassino kostet 55.000 alliierte Soldaten das Leben. Auf deutscher Seite sind die Verluste viel geringer: 20.000 Soldaten sterben.

    Westerbork wird überfüllt: Täuschungsmanöver an Simchat Tora

    2. Oktober 1942 Westerbork

    Nach Großer Versöhnungstag – am 21. September 1942 – teilten die deutschen Behörden dem Judenrat mit, dass vorerst keine Juden nach Deutschland gebracht werden sollen und es nur wenige oder keine Verhaftungen geben würde. Diese Botschaft wurde bald allen Juden bekannt und brachte große Erleichterung. Am 3. und 4. Oktober wurde Sukkot festlich mit Simchat Tora abgeschlossen, und viele Menschen versammeln sich an solchen Tagen.

    Aber die Nazis missbrauchten die jüdischen Feiertage auf grausame Weise. Sie hatten Razzien im ganzen Land geplant. Am Freitag, den 2. Oktober abends bis zum nächsten Tag holten sie alle Familien ab, deren Männer sich in Arbeitslagern aufhielten, und brachten sie ins Lager Westerbork. Unter dem Deckmantel der Familienzusammenführung wurden die Väter, Söhne und Brüder, die seit mehr als sechs Monaten nicht mehr zu Hause waren, aus den Arbeitslagern auch in das Lager Westerbork gebracht.

    Innerhalb von zwei Tagen werden 13.000 Menschen in das Lager Westerbork gebracht, obgleich dort nur Platz ist für etwa 3.000 Menschen insgesamt. Tausende Menschen mussten in völlig überfüllten Baracken auf dem Boden schlafen.

    Das Versprechen, dass keine Juden nach Deutsche Lager gehen würden, entpuppte sich als Lüge der Nazis: Im Oktober 1942 wurden fast 12.000 Juden mit neun Zügen nach Auschwitz deportiert.

    Westerbork ist ein Durchgangslager

    Am 1. Juli 1942 hatten die Besatzer die Kontrolle über das bereits bestehende Flüchtlingslager Westerbork von den niederländischen Behörden übernommen. Es wurde mit Stacheldraht umzäunt, und das Lager hieß von da an „Polizeiliches Durchgangslager“. Ab 15. Juli wurden fast alle Juden aus den Niederlanden hierher gebracht. Von Westerbork aus wurden sie in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager weitergeschickt. Meist war das Ziel Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen, manchmal hielten aber auch Züge unterwegs an, und Männer wurden in deutsche Arbeitslager überstellt.

    Am 3. Oktober 1942 waren bereits 24 Züge nach Auschwitz gefahren, mit ungefähr 19.000 Gefangenen. Die meisten von ihnen wurden gleich nach ihrer Ankunft ermordet. Das wussten die Menschen in den Niederlanden jedoch nicht.

    Die Hollandsche Schouwburg wird eine Sammelstelle für Juden

    August 1942 Amsterdam

    Ab August 1942 ist das ehemalige Theater Hollandsche Schouwburg in Amsterdam eine Sammelstelle für Jüdinnen und Juden. Die Nazis nennen es „Umschlagplatz Plantage Middenlaan“. Die Menschen müssen sich nach einer Aufforderung freiwillig melden oder werden nach einer Razzia oder Verhaftung dort abgeliefert. Von dort aus werden sie in das Lager Westerbork gebracht. Zehntausende Personen waren hier gefangen.

    Die Hollandsche Schouwburg ist nicht groß genug, um die vielen Menschen unterzubringen. Da manche für längere Zeit festgehalten werden, ist das Haus schnell überfüllt. Das Gedränge und der Gestank sind fast unerträglich. Der Jude Willy Alexander schreibt am 25. März 1943 in sein Tagebuch:

    „Im Augenblick befinden sich 1.300 Menschen in der kleinen ‚Hollandse Schouwburg‘. Es ist dann so warm und stickig (und natürlich auch schmutzig), dass alle ständig um etwas zu trinken und um noch mehr zu trinken bitten.“

    Ende 1943 wird die Hollandsche Schouwburg geschlossen. Amsterdam ist dann „judenfrei“ - fast alle Jüdinnen und Juden sind deportiert worden.

    Rauter will alle Juden aus den Provinzen entfernen

    29. März 1943 Niederlande

    Am 29. März 1943 erscheint in der Presse eine Anordnung von Hanns Albin Rauter: „Mit Wirkung vom 10. April 1943 ist Juden der Aufenthalt in den Provinzen Friesland, Drenthe, Groningen, Overijssel, Gelderland, Limburg, Nordbrabant und Zeeland verboten. Juden, die sich derzeit in den genannten Provinzen aufhalten, haben in das Lager Vught überzusiedeln.“

    Rauter ist der höchste Befehlshaber der SS und deutschen Polizei in den Niederlanden.

    Anne Frank schreibt darüber in ihrem Tagebuch: „Rauter, irgend so ein hoher Mof, hat eine Rede gehalten. ‚Alle Juden müssen bis 1. Juli die germanischen Länder verlassen haben. [...] Vom 1. April bis 1. Mai wird die Provinz Utrecht gesäubert (als ob es Kakerlaken wären), vom 1. Mai bis 1. Juni die Provinzen Nord- und Südholland.‘ Wie eine Herde armes, krankes und verwahrlostes Vieh werden diese armen Menschen zu den schmutzigen Schlachtstätten geführt. Aber darüber schweige ich besser, ich bekomme nur Albträume von meinen eigenen Gedanken!“

    In einer Rede vor niederländischen SS-Leuten bringt Rauter seinen fanatischen Antisemitismus zum Ausdruck: „So wollen wir die Juden, die hier die Quelle aller Unruhen und jedes Terroraktes sind, so schnell wie möglich aus dem Volkskörper entfernen. Es ist keine Kleinigkeit, 130.000 Juden, die in hundert Jahren vielleicht zu einer Million angewachsen sein werden, aus einem gesunden germanischen Volkskörper ausgemerzt zu haben. Wir wollen diese Maßnahmen unerbittlich durchführen, weil wir damit dem germanischen Volk einen Dienst erweisen. Deshalb kennen wir in diesem Punkt auch keine Schwäche.“

    Dresden wird zerstört

    13. Februar 1945 Dresden

    Zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 bombardieren alliierte Luftstreitkräfte die Stadt Dresden viermal. Die Stadt wird zerstört.

    Wegen des Einsatzes von Brandbomben ist die deutsche Bevölkerung auch in den Luftschutzkellern nicht sicher. Mehr als 20.000 Menschen sterben, und noch mehr werden verletzt. Die historische Innenstadt Dresdens wird größtenteils zerstört. Diese Bombardierung ist eines der vielen strategischen Bombardements der Alliierten. Sie greifen damit keine speziellen Ziele, sondern ganze Städte an. Sie wollen die deutsche Infrastruktur und Industrie zerstören und die Moral der Bevölkerung brechen. Sie hoffen, durch möglichst große Schäden und viele Opfer ein schnelles Ende des Krieges zu erzwingen.

    Die Deutschen sehen die Bombardierungen als Beweis für die Grausamkeit der Alliierten, ihrer Feinde. Sie nennen es „Terrorangriff“.

    Manche Historiker sehen das Bombardement als Kriegsverbrechen, da es sich gegen unbewaffnete Zivilisten richtet und keinem militärischen Ziel dient. Andere betrachten es als eine berechtigte Militäraktion, die den Vormarsch der Roten Armee unterstützt, denn Dresden ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und ein Kommunikationszentrum.

    Bergen-Belsen wird befreit

    15. April 1945 Bergen-Belsen

    Am 15. April 1945 befreien britische Truppen das Konzentrationslager Bergen-Belsen in der Nähe der Stadt Celle. Ihnen bietet sich ein grauenhafter Anblick. Das Lager ist überfüllt mit 60.000 ausgehungerten und geschwächten Jüdinnen und Juden sowie Kriegsgefangenen aus ganz Europa. Viele Menschen sind mehr tot als lebendig. An mehreren Plätzen liegen Stapel von Leichen. Nach der Befreiung sterben noch mehr als 13.000 Gefangene.

    Im Lager grassieren tödliche Krankheiten, darunter Fleckfieber, Typhus, Ruhr und Tuberkulose, verursacht durch die schlechte Hygiene und die Unterernährung. Da es sich um ansteckende Krankheiten handelt, müssen die Tausende Toten schnell bestattet werden. Die Briten zwingen die verhafteten SS-Leute und andere Mitglieder der Wachmannschaften dazu, später kommen aber auch Bulldozer zum Einsatz. Die Bürgermeister der umliegenden Ortschaften müssen am Rand einer Grube stehen und zuschauen.

    Die Briten filmen und fotografieren alles, um der Welt die furchtbare Wahrheit zeigen zu können.

    Die Deportationen nach Auschwitz beginnen

    15. Juli 1942 Amsterdam

    Zugleich mit Margot Frank werden im Juli 1942 circa 4000 Jüdinnen und Juden dazu aufgefordert, sich zur „werkverruiming onder politietoezicht“ („Arbeitsbeschaffung unter Polizeiaufsicht“) zu melden, mit anderen Worten: Zwangsarbeit.

    Wie bei der Familie Frank erhalten manchmal nur Kinder so eine Aufforderung. Viele Menschen sind misstrauisch und melden sich nicht. Die deutsche Polizei reagiert darauf mit Razzien in Amsterdam-Süd und im Stadtzentrum am 14. Juli. Rund 700 Menschen werden festgenommen. Sie werden wieder freigelassen, als sich nach einigen Tagen 200 Menschen nachträglich gemeldet haben.

    Am nächsten Tag fährt der erste Zug mit 962 Jüdinnen und Juden von Centraal Station, dem Amsterdamer Hauptbahnhof, in das Durchgangslager Westerbork. Am selben Tag rollt der erste Zug mit 1137 Menschen von Westerbork in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. In der Woche darauf fahren noch zwei Züge in das Durchgangslager. Den ganzen Juli über fahren Züge mit Tausenden jüdischen Männern, Frauen und Kindern von Westerbork nach Auschwitz.

    Da jedes Mal zu wenig Menschen den Aufruf befolgen, sich zur Deportation zu melden, veranstalten die Nazis Razzien, um weitere Menschen festzunehmen. Sie riegeln Straßen ab, verhaften Menschen auf der Straße oder holen sie aus ihren Wohnungen. Sie drohen auch damit, Personen, die sich nicht melden, in das berüchtigte Konzentrationslager Mauthausen zu schicken, was als Todesurteil gilt. Später unterstützt die Amsterdamer Polizei die Deutschen dabei, Jüdinnen und Juden aus ihren Wohnungen zu holen.

    Bombardierung der Philips-Werke in Eindhoven

    6. Dezember 1942 Eindhoven

    Am Sonntagmorgen, dem 6. Dezember 1942, bombardieren die britischen Luftstreitkräfte die Philips-Werke in Eindhoven. Philips produziert Bauteile und Geräte für die deutsche Wehrmacht. Die Fabriken sind über die Stadt verteilt. Trotz der Verluste – 14 der 93 Flugzeuge stürzen ab – ist die „Operation Oyster“ ein militärischer Erfolg. Große Teile der Philips-Werke werden zerstört.

    Für die Bevölkerung von Eindhoven sieht die Sache anders aus. Durch Bomben, die ihr Ziel verfehlen, sterben 138 Menschen. Viele Gebäude, darunter ein Krankenhaus, werden beschädigt.

    Wegen des Zeitpunktes wird dieser Bombenangriff auch als „Sinterklaasbombardement“ (St.-Nikolaus-Bombardierung) bezeichnet.

    Hitler ist tot

    30. April 1945 Berlin

    Adolf Hitler nimmt sich zusammen mit seiner Frau Eva Braun am 30. April 1945 das Leben. Einen Tag vorher hat er seiner Sekretärin sein Testament diktiert. Darin rühmt er den Kampf des deutschen Volkes und gibt den Juden die Schuld am Krieg. Er wolle nicht dem Feind in die Hände fallen und wähle deshalb den Tod. Im weiteren Teil des Testaments bestimmt Hitler seine Nachfolger.

    Zum Zeitpunkt seines Suizids befindet sich Hitler bereits seit mehr als drei Monaten im „Führerbunker“ unter der Reichskanzlei im Zentrum Berlins. In diesem unterirdischen Versteck hören er und die Menschen um ihn herum, wie die Truppen der Sowjetunion immer näher rücken. In den letzten Tagen kann niemand mehr nach draußen wegen der Granateneinschläge. Es ist offenkundig, dass Deutschland den Krieg endgültig verloren hat. Nach seinem Tod tragen SS-Leute Hitler und seine Frau in den Garten der Reichskanzlei, übergießen ihre Leichen mit Benzin und verbrennen sie. Am folgenden Tag wird die Nachricht von Hitlers Tod im Radio bekannt gegeben. Die offizielle Version lautet, Hitler sei bei der Verteidigung der Reichshauptstadt den Heldentod gestorben.

    Eindhoven ist befreit

    18. September 1944 Eindhoven

    Am 18. September wird Eindhoven von amerikanischen und britischen Truppen im Zuge der Operation Market Garden befreit. Als die Menschen am nächsten Tag noch feiern, bombardiert die deutsche Luftwaffe die Stadt, und mehr als 200 Menschen kommen ums Leben.

    Der Süden der Niederlande wird im Herbst 1944 zum größten Teil befreit. Die alliierten Truppen bleiben jedoch ein halbes Jahr lang südlich der großen Flüsse stecken.

    Die Razzia von Putten

    1. Oktober 1944 Putten

    Am 1. Oktober 1944 umzingeln deutsche Truppen das kleine Dorf Putten in der Provinz Gelderland. Niemand kann mehr hinein oder heraus. Anlass für die Razzia ist der Anschlag einer Widerstandsgruppe auf Wehrmachtsoffiziere. Dabei waren ein Deutscher und ein Widerstandskämpfer gestorben. Einer der Offiziere, denen der Anschlag gegolten hatte, hatte nach seiner Flucht die Deutschen informiert. Daraufhin befahl der deutsche Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden, General Friedrich Christiansen, diese Vergeltungsaktion.

    Alle Menschen in Putten müssen sich auf dem Kerkplein in der Dorfmitte einfinden. Nur Kranke, Alte und Mütter mit Kleinkindern dürfen in ihren Häusern bleiben. Auf dem Platz trennen die Deutschen Männer und Frauen. Mehr als hundert Häuser werden in Brand gesteckt und sieben Menschen erschossen. Abends dürfen alle Frauen und die Männer, die jünger als 18 oder älter als 50 Jahre sind, gehen.

    Die zurückgebliebenen Männer werden über Nacht in einer Schule und einer Markthalle eingesperrt. Am 2. Oktober werden sie nach draußen gerufen. Wer Mitglied der NSB ist oder mit den Deutschen kollaboriert, darf gehen. Die übrigen 659 Männer werden in das Lager Amersfoort gebracht. Einige Dutzend werden dort freigelassen. Die anderen werden in das deutsche Lager Neuengamme deportiert. Unterwegs gelingt dreizehn Menschen die Flucht durch einen Sprung aus dem Zug.

    In Neuengamme und anderen Lagern müssen die Männer Schwerstarbeit verrichten. Die meisten sterben nach wenigen Monaten an Erschöpfung, Unterernährung und Krankheiten. Nur 48 von ihnen überleben diese Zeit.

    Ab Herbst 1944 werden die deutschen Besatzer immer brutaler. Aktionen des Widerstandes werden jedes Mal mit Exekutionen unschuldiger Zivilisten vergolten.

    Die Schelde ist offen

    28. November 1944 Antwerpen

    Am 4. September 1944 wird Antwerpen von den Alliierten befreit. Der Antwerpener Hafen ist einer der größten Häfen Europas und sehr wichtig für die Alliierten. Ihre Schiffe können ihn aber nicht anlaufen, denn die Deutschen kontrollieren noch die Westerschelde. Das ist der breite Mündungstrichter der Schelde zwischen Zeeuws-Vlaanderen und Walcheren, der von der Nordsee aus den Zugang zum Hafen ermöglicht.

    Am 11. September nehmen die Alliierten den Kampf auf. Es kostet sie fast zwei Monate schwerer Gefechte, Zeeuws-Vlaanderen zu erobern. Am 1. November überqueren kanadische und britische Einheiten mit Landungsbooten von Zeeuws-Vlaanderen aus die Schelde, um die Deutschen von der Insel Walcheren zu vertreiben. Zuvor haben sie dort die Deiche bombardiert, sodass das Land überflutet ist. Am 8. November ergeben sich die Deutschen. Erst nachdem die Seeminen geräumt sind, ist die Schelde ab 28. November endlich befahrbar.

    Das bedeutet nicht, dass Antwerpen nun sicher ist. Die deutsche Armee beschießt die Stadt von den nördlichen Niederlanden aus noch monatelang mit V1- und V2-Raketen. Das sind keine Präzisionswaffen. Sie treffen Soldaten und Zivilisten. Von September 1944 bis April 1945 sterben in der Stadt 4229 Menschen bei diesen Angriffen.

    Schüsse auf dem Dam

    7. Mai 1945 Amsterdam

    Am 7. Mai 1945 feiert die Amsterdamer Bevölkerung auf dem Dam. Es herrscht fröhliche Stimmung, denn das Land ist seit zwei Tagen befreit. Dann hallen Schüsse. Vom Balkon des „Groote Club“ neben dem Königspalast schießen deutsche Soldaten in die feiernde Menschenmenge. 32 Menschen sterben, mehr als hundert werden verletzt.

    Die genauen Gründe für diese Schüsse konnten nie geklärt werden. In den ersten Nachkriegsjahren sahen viele Menschen darin eine letzte Verzweiflungstat oder einen Racheakt der Besatzer. Eine andere Erklärung lautet, die Deutschen hätten sich bedroht gefühlt von den Binnenlandse Strijdkrachten, einer Organisation des niederländischen Widerstandes. Aus Angst vor dem Zorn der Niederländer sollen die Deutschen das Feuer eröffnet haben.

    Tag der Rache in den Niederlanden

    9. Mai 1945 Niederlande

    Die Befreiung ist nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch der Moment, Rache zu nehmen an Niederländern, die mit den Deutschen kollaboriert haben. Fünf Jahre der Demütigung, Verbitterung und des machtlosen Zuschauens entladen sich nun in Gewaltakten gegen Landsleute, die „fout“ – also auf der falschen Seite – waren, und gegen „Landesverräter“. Der Tag der Vergeltung ist gekommen.

    NSB-Mitglieder und Kollaborateure werden aus ihren Wohnungen geholt, misshandelt, auf Wagen gehievt und durch die Straßen geführt. Am Straßenrand rufen die Menschen Beleidigungen und spucken nach ihnen. Frauen von NSB-Angehörigen und „moffenmeiden“ – junge Frauen, die eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten hatten – werden kahl geschoren.

    Viele Vergeltungsaktionen sind nicht koordiniert oder von den Behörden genehmigt. Manche Menschen tragen private Fehden auf diese Weise aus. Und manche Widerstandskämpfer werden zu Unrecht der Kollaboration beschuldigt, weil sie Kontakt mit Deutschen hatten, um an Informationen zu gelangen.

    Insgesamt werden etwa 120.000 NSB-Leute und Kollaborateure verhaftet. Die Gefängnisse und Polizeiwachen sind schon bald überfüllt. Deshalb werden die Inhaftierten in Schulgebäuden, Fabriken und Lagerhallen eingesperrt. Auch die ehemaligen Konzentrationslager Westerbork und Vught dienen nun als Gefängnis.

    Einem Teil der Inhaftierten wird später im Zuge der „Bijzondere Rechtspleging“ (Sondergerichtsbarkeit) der Prozess gemacht. Sie müssen sich vor Gerichten verantworten, die speziell für Verbrechen in der Besatzungszeit geschaffen wurden.

    Nazi-Deutschland und das faschistische Italien schließen Freundschaft

    25. Oktober 1936 Berlin

    Im Oktober 1936 bekommt Hitler Besuch des italienischen Außenministers, Galeazzo Ciano. Aus dieser Begegnung resultiert ein geheimer Freundschaftsvertrag zwischen Italien und Deutschland. Benito Mussolini, Italiens faschistisches Staatsoberhaupt, hält kurz darauf eine Rede, in der er von der „Achse Berlin-Rom“ spricht, um die sich Europa künftig drehen werde. Auf diese Worte geht der Begriff „Achsenmächte“ zurück.

    Einen Monat später unterzeichnet Deutschland einen Vertrag mit Japan: den „Antikominternpakt“. Darin vereinbaren die beiden Länder gegenseitige Unterstützung im Kampf gegen den Kommunismus. Italien tritt ein Jahr später dem Abkommen bei.

    Deutschland und Italien erweitern ihre Zusammenarbeit 1939 mit dem „Stahlpakt“: Sie versprechen sich gegenseitige Unterstützung im Fall eines Angriffskrieges gegen eines der beiden Länder. Während des Zweiten Weltkriegs wird Deutschland vor allem Italien unterstützen, das militärisch viel schwächer ist.

    Am 27. September 1940 vereinbaren Deutschland, Italien und Japan im „Dreimächtepakt“ eine militärische Zusammenarbeit. Von da an werden sie als „Achsenmächte“ bezeichnet; gemeint ist die „Achse Berlin - Rom - Tokio“. Mehrere Verbündete Deutschlands treten später dem Dreimächtepakt bei: Ungarn, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Kroatien.

    Sinti und Roma werden aus Deutschland deportiert

    22. Mai 1940 Asperg

    Im Mai 1940 deportieren die Nazis mehr als 2500 Sinti und Roma aus dem Westen Deutschlands in das besetzte Gebiet im südlichen Polen.

    Sie wurden aus ihren Wohnorten in drei Sammellager in Hamburg, Köln und Asperg gebracht und von dort aus mit Zügen in Arbeitslager und Ghettos deportiert. Viele sterben später an Unterernährung und Krankheiten. Manche werden ermordet.

    In der nationalsozialistischen Ideologie sind Sinti und Roma – so wie die Juden – eine „minderwertige Rasse“. Nach der Machtübernahme machen die Nazis den Sinti und Roma das Leben schwer. Sie dürfen ihre traditionellen Berufe, wie Musiker, nicht mehr ausüben. In manchen Städten werden Sinti und Roma dazu gezwungen, in isolierten Lagern zu wohnen, in denen die Lebensumstände sehr schlecht sind. Kinder werden in spezielle Heime gesteckt. Die Nazis sterilisieren zudem Sinti und Roma, sodass sie keine Kinder mehr bekommen können.

    Kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, im September 1939, beschließt die SS bereits, dass die etwa 30.000 Sinti und Roma aus Deutschland in Arbeitslager im besetzten Polen gebracht werden sollen. Die Deportation im Mai 1940 ist der erste Schritt. 1942 befiehlt Heinrich Himmler, dass alle Sinti und Roma aus Deutschland und den besetzten Gebieten nach Auschwitz-Birkenau deportiert werden sollen. Die meisten von ihnen werden dort ermordet.

    Die Zahl der Opfer beläuft sich auf Hunderttausende.

    Die Roma und Sinti nennen den Massenmord an ihrem Volk Porajmos: „das Verschlingen“.

    „Arisierung“ des Modesalons Gerzon

    12. Februar 1941 Amsterdam

    Am 12. Februar 1941 enteignen die Nazis den von jüdischen Eigentümern geführten Modesalon Gerzon. Das Modehaus Gerzon hat Filialen in mehreren niederländischen Städten. Den Betrieb leiten drei Juden: Jules Eduard Gerzon, Arthur Marx und George Hecht. Die Zentrale der Firma befindet sich in einem großen Gebäude am Singel in Amsterdam.

    Noch am selben Tag, an dem Gerzon und Marx einen Brief mit der Nachricht erhalten, dass ihre Firma von einem „Verwalter“ übernommen wird, müssen sie ihre Büros räumen. Die neuen Besitzer ziehen sofort in das Haus ein.

    Die erzwungene Übernahme des Modehauses Gerzon ist Teil der „Arisierung“ der Wirtschaft durch die Deutschen. Sie erlassen neue Gesetze und zwingen so die Juden, ihre Firmen und ihr Betriebsvermögen abzutreten oder weit unter dem tatsächlichen Wert an „arische“ Deutsche und Niederländer zu verkaufen. Der deutsche Staat und Einzelpersonen bereichern sich in großem Maßstab an diesem Raub.

    Zwei Wochen später werden alle jüdischen Angestellten von Gerzon entlassen. Circa 300 von ihnen überleben den Krieg nicht.

    Direktor Julius Eduard Gerzon kann 1942 nach Portugal emigrieren. Krank und mittellos stirbt er im Dezember in einem Lissaboner Krankenhaus. Seine Mutter und sein Sohn werden im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

    Der „Judenrat“ veröffentlicht das Joodsche Weekblad (Jüdisches Wochenblatt)

    11. April 1941 Amsterdam

    Der „Judenrat“ fungiert am 11. April 1941 zum ersten Mal als Herausgeber des „Joodsche Weekblad“. Die Zeitung existiert schon länger, steht von da an jedoch unter der Leitung des „Judenrats“. Mit der Wochenzeitung soll der Rat möglichst viele jüdische Niederländer*innen erreichen.

    Der „Judenrat“ wurde am 13. Februar 1941 auf Weisung der deutschen Besatzer gegründet. Die Deutschen wollen, dass alle jüdischen Bewohner*innen Amsterdams von einer einzigen Instanz vertreten werden. Kurz zuvor hatte es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Juden, niederländischen Nazis und der deutschen Polizei gegeben. Der „Judenrat“ soll künftig die Ordnung in der jüdischen Gemeinschaft aufrechterhalten. Im Oktober 1941 wird der Einflussbereich des „Judenrats“ auf das ganze Land erweitert.

    Über „Het Joodsche Weekblad“ werden die antijüdischen Gesetze und Verordnungen bekannt gegeben, die der Rat manchmal auch umsetzen muss. So muss der Rat im Mai 1942 die „Judensterne“ ausgeben und ab Juli 1942 Listen der Menschen erstellen, die deportiert werden. Der „Judenrat“ ist auch für die Registrierung der jüdischen Gefangenen in Westerbork zuständig.

    Im September 1943, als fast alle jüdischen Niederländer*innen fort sind, werden auch die Leiter des „Judenrats“ deportiert. Der Rat existiert fortan nicht mehr, und auch das „Joodsche Weekblad“ wird eingestellt.

    Kinos für Juden verboten

    7. Januar 1941 Niederlande

    Ab 7. Januar 1941 dürfen Jüdinnen und Juden in den Niederlanden nicht mehr ins Kino gehen. Nicht die deutschen Besatzer haben es verboten, sondern der Nederlandse Bioskoopbond (Niederländischer Kinoverband). Als Grund wird angeführt, der Verband wolle keine „Ruhestörung“, wenn in Filmen Deutsche oder NSB-Leute zu sehen seien. Die Schuld daran wird den Juden zugeschoben. Es ist eine der ersten diskriminierenden Maßnahmen gegen Jüdinnen und Juden.

    Juden müssen sich registrieren lassen

    3. Februar 1941 Niederlande

    Am 3. Februar geben die niederländischen Behörden auf Befehl der deutschen Besatzungsmacht bekannt, dass Jüdinnen und Juden sich bei ihrer Gemeinde als Jude oder als „bastaard-Jood“ („Mischling“) melden müssen. Ihre Angaben werden ins Melderegister aufgenommen. Damit ihre Karten in der Kartei leicht zu finden sind, wird ein „Reiter“ mit den Buchstaben „J“ oder „B“ aufgesteckt. Jeder registrierte Jude erhält eine schriftliche Meldebestätigung. Die Gemeinden senden die Meldungen an das zentrale Melderegister in Den Haag weiter.

    Die Jüdinnen und Juden ahnen nicht, was ihnen bevorsteht. Deshalb lassen sich fast alle registrieren. Im August 1941 steht die Anzahl fest: 140.552 Juden, 14.549 „Halbjuden“ und 5.719 „Vierteljuden“. Insgesamt wurden 160.820 Menschen erfasst.

    Damit hatten sich die Nazis Zugriff auf die Jüdinnen und Juden in den Niederlanden verschafft. Der zuständige SS-Mann Friedrich Wimmer beschreibt es so: „Der enge organisatorische Anschluss des Zentralregisters an die Bevolkingsboekhouding (Bevölkerungsbuchhaltung) in den Niederlanden sichert eine schnelle Erfassung aller eintretenden Änderungen (z.B. Wohnungsänderungen).“

    Diese Registrierung dient als Grundlage bei dem Vorhaben, Juden aus den Niederlanden zu entfernen. Im April 1941 wird die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ gegründet, die den Plan umsetzen soll.

    Die Schlacht um die Gilbertinseln

    20. November 1943 Gilbert-Inseln

    Im November 1943 starten die Vereinigten Staaten eine Großoffensive gegen Japan. Sie wollen zu den Philippinen vorstoßen und die japanische Armee dort vertreiben. Doch Japan hat zahlreiche Inseln im Stillen Ozean besetzt und ist deshalb schwer zu besiegen. Um die Inseln zu erobern, ersinnen die Amerikaner eine Strategie: das sogenannte Leapfrogging (Bockspringen, wörtl. „Froschhüpfen“). Sie greifen nicht die wichtigsten Inseln an, die am besten verteidigt werden, sondern Inseln in deren Nähe. So können sie die japanischen Einheiten isolieren und von ihren Nachschublinien abschneiden, ohne viel Zeit und Soldaten bei Kampfhandlungen zu verlieren.

    Der Angriff startet auf den Gilbertinseln zwischen Hawaii und Papua-Neuguinea. Am 20. November beginnt eine amerikanische Flotte mit dem Beschuss von Tarawa, einer der Inseln. Anfangs verläuft der Angriff mühsam. Die Japaner sind auf eine Invasion vorbereitet und haben zusätzliche Truppen eingesetzt. Wegen der Ebbe gelangen die amerikanischen Landungsboote nicht dicht genug an den Strand, und die Soldaten müssen sich mit großer Mühe durchs Wasser kämpfen. Am Nachmittag schaffen es die Amerikaner an mehreren Stellen, an Land zu gelangen. Danach verlieren die Japaner immer mehr Terrain,und am 23. November haben die Amerikaner die Schlacht gewonnen.

    Die Amerikaner verlieren 1700 Soldaten. Auf japanischer Seite fallen fast 4700 Soldaten. Sie haben bis zum Tod gekämpft. Nur 17 werden von den Amerikanern gefangen genommen.

    Kriegsgefangene und Internierungslager in Japan

    10. April 1942 Philippinen

    Im April 1942 zwingt die japanische Armee mehr als 70.000 amerikanische und philippinische Kriegsgefangene zu einem erschöpfenden Fußmarsch. In sengender Hitze müssen sie hundert Kilometer laufen, bevor sie mit Zügen in ein Kriegsgefangenenlager gebracht werden. Der Marsch dauert eine Woche. Die Gefangenen bekommen nicht ausreichend zu essen und zu trinken und werden von den Bewachern schwer misshandelt. Tausende von ihnen sterben unterwegs.

    Die Japaner behandeln Kriegsgefangene und Zivilisten in den besetzten Gebieten grausam.

    Sie müssen unter schrecklichen Umständen Zwangsarbeit verrichten. In ganz Ostasien errichten die Japaner Internierungslager, die von Niederländern auch „Jappenkampen“ („Japsenlager“) genannt werden. In Niederländisch-Indien (heute Indonesien) halten die Japaner ungefähr 42.000 Soldaten und 100.000 Zivilisten gefangen. Familien werden getrennt; die Männer werden in anderen Lagern untergebracht als die Frauen und Kinder.

    Unterernährung, Krankheiten und Misshandlungen führen zum Tod Zehntausender.

    Von den Zivilisten aus Ländern der Alliierten, hauptsächlich Briten, Amerikaner und Niederländer, sterben mehr als zehn Prozent in japanischer Gefangenschaft.

    Der Erste Weltkrieg in Karten

    1914-1918 Europa

    Geänderte Grenzen in Europa

    1919 Europa

    Die Expansion Deutschlands in Karten

    1936-1939 Europa

    Der Krieg in Asien in Karten

    1941-1945 Ostazien und Großer Ozean

    Der Holocaust in Karten

    1939-1945 Europa

    Die deutsche Kapitulation in Nordafrika

    1942-1943 Nordafrika

    Deutschland besetzt Europa

    1940 Europa

    Jüdische Flüchtlinge aus Nazideutschland

    1933-1939 Deutschland

    Truppenübungsplatz bei Bergen-Belsen eingerichtet

    Dezember 1935 Bergen-Belsen

    In 1935 leggen de Duitsers een groot militair oefenterrein aan op de Lüneburger Heide, in de buurt van de stad Bergen. Op een oppervlakte van 280 vierkante kilometer oefent het Duitse leger met pantsertroepen. Het is een onderdeel van de herbewapening van Duitsland. Er komen kazernes voor 15.000 soldaten.

    De bouwers van het kamp wonen in barakken in de buurt van Belsen, ten zuiden van het oefenterrein. Na de Duitse inval in Nederland, België en Frankrijk in 1940 worden in die barakken zeshonderd Franse en Belgische krijgsgevangenen ondergebracht.

    Antisemitische Jugendliche bei Zerstörungen auf frischer Tat ertappt

    4. März 1939 Amsterdam

    Op 4 maart 1939 gooien een paar jongeren de ruiten in bij het Comité voor Bijzondere Joodsche Belangen. De stenen die ze gooien, hebben ze gewikkeld in papier met antisemitische teksten. De jongeren zijn gevolgd door rechercheurs en ze worden snel opgepakt. De politie heeft ze opgespoord omdat ze ook op andere Joodse plaatsen schade hebben aangericht. Ze hebben in januari 1939 het beeld van de Joodse schrijver Herman Heijermans met verf en hakenkruizen besmeurd.

    De jongeren zijn lid van de nationaalsocialistische splinterpartij NSNAP-Van Rappard. Vier van hen krijgen enkele maanden celstraf.

    Amsterdam bereitet sich auf einen Krieg vor

    28. August 1939 Amsterdam

    Nederland houdt sterk rekening met een Duitse aanval en daarom wordt het Nederlandse leger gemobiliseerd. Alle dienstplichtigen worden opgeroepen. In de steden worden schuilkelders gebouwd.

    Jubelstimmung in Berlin

    18. Juli 1940 Berlin

    Berlin bereitet den Soldaten, die in Frankreich gekämpft haben, einen begeisterten Empfang. Es hat den Anschein, als sei Deutschland durch den schnellen Sieg über Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich unbesiegbar. Die Deutschen erwarten, dass auch Großbritannien bald kapitulieren wird.

    Die Nazis übernehmen die Macht in den Niederlanden

    29. Mai 1940 Den Haag

    Die Niederlande sind von der deutschen Armee besetzt. Am Mittwoch, dem 29. Mai 1940, überträgt die Armee die Leitung der Zivilverwaltung Arthur Seyß-Inquart und die militärische Befehlsgewalt General Friedrich Christiansen. Seyß-Inquart, ein Nazi aus Österreich, spielte eine wichtige Rolle beim „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938. Nun ist er der höchste Machthaber in den Niederlanden: Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete. Er muss nur Adolf Hitler gehorchen, dem er direkt unterstellt ist.

    In seiner Rede betont er die Freundschaft zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden. Die deutsche Invasion bezeichnet er als notwendiges Übel zum Schutz Deutschlands. Er äußert seinen Respekt für die gefallenen niederländischen Soldaten und die getöteten Zivilisten. Er sagt, er wolle den Niederländern nicht die Freiheit nehmen und ihnen auch keine politische Überzeugung aufdrängen.

    Um die Niederländer zur Mitwirkung zu bewegen, benutzt er schmeichelhafte Worte, doch im Laufe der Besatzung wird er immer öfter eine harte Haltung an den Tag legen.

    Sowjetische Kriegsgefangene im Lager Bergen-Belsen

    Mai-Juni 1940 Bergen-Belsen

    Im Sommer 1941 bauen die Deutschen das bereits bestehende Kriegsgefangenenlager für französische und belgische Soldaten in Bergen-Belsen um. Sie wollen Platz schaffen für gefangen genommene sowjetische Soldaten, da Deutschland am 22. Juni die Sowjetunion angreift. In der Nähe werden noch zwei weitere Kriegsgefangenenlager errichtet.

    Im Herbst sind bereits mehr als 20.000 Gefangene im Lager. Sie werden ihrem Schicksal überlassen. Es gibt weder genug Baracken noch genug Nahrungsmittel. Viele Menschen müssen im Freien schlafen, in selbst gegrabenen Erdhöhlen. Innerhalb eines Jahres sterben mehr als 14.000 sowjetische Soldaten aufgrund der schlechten Umstände.

    Mehr als einer von zwei sowjetischen Soldaten stirbt in deutscher Kriegsgefangenschaft. Insgesamt kommen 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene um.

    Im Sommer 1943 übernimmt die SS einen Teil des Lagers. Es wird ein „Austauschlager“: ein Lager für gefangene Jüdinnen und Juden, die gegen Deutsche ausgetauscht werden können, die im Ausland gefangen gehalten werden. Ein kleiner Teil von ihnen kommt tatsächlich auf diese Weise frei.

    Der Untergang der Wilhelm Gustloff

    30. Januar 1945 Gdynia, Oostzee

    Ende Januar 1945 setzt die deutsche Marine das Schiff Wilhelm Gustloff ein, um deutsche Soldaten und zivile Flüchtlinge aus den Ostprovinzen Deutschlands (heute Polen) über die Ostsee zu evakuieren. Mehr als 10.000 Menschen sind an Bord, als das Schiff am 30. Januar von einem sowjetischen U-Boot gesichtet wird. Das U-Boot feuert vier Torpedos ab, von denen drei ihr Ziel treffen. Die Gustloff sinkt. Es gibt nicht genug Rettungsboote, und herbeigeeilte Schiffe können nur eine begrenzte Zahl Menschen aus dem eiskalten Wasser retten. Mehr als 9000 Menschen kommen um. Es ist die größte Schiffskatastrophe in der modernen Geschichte.

    Die Menschen auf dem Schiff sind auf der Flucht vor der Roten Armee, die nach Berlin vorrückt. Die sowjetischen Soldaten machen kaum einen Unterschied zwischen Militär und Zivilbevölkerung. Es wird geplündert, gemordet und vergewaltigt. Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt ziehen große Menschenmassen westwärts, oft zu Fuß. Fast eine halbe Million Deutsche sterben unterwegs, darunter viele Frauen und Kinder.

    Die deutsche Armee setzt auch Schiffe ein, um Menschen zu evakuieren. Drei davon werden von sowjetischen Schiffen torpediert: nicht nur die Wilhelm Gustloff, sondern auch die Steuben (mit ungefähr 4500 Opfern) und die Goya (mit ungefähr 6500 Opfern).

    Durchgangslager Westerbork ist frei

    12. April 1945 Westerbork

    Am 12. April 1945 erreichen kanadische Truppen das Durchgangslager Westerbork. Sie werden mit Jubel empfangen. Die deutsche Lagerleitung ist am Vortag vor der vorrückenden alliierten Armee geflohen. Im Lager befinden sich 876 jüdische Gefangene, doch sie sind noch nicht wirklich frei. Da der Krieg noch nicht vorbei ist, müssen sie zu ihrer eigenen Sicherheit vorerst im Lager bleiben. Einige von ihnen verlassen das Lager trotz des Verbots.

    Die kanadische Armee hatte zwei Monate zuvor bei Nijmegen ihre Offensive gegen die deutschen Truppen in Nordwest-Deutschland gestartet. Im März überschritten die Kanadier den Rhein und stießen weiter ins Innere Deutschlands vor. Danach überquerten sie wieder die Grenze zu den Niederlanden, um die deutschen Truppen im Zentrum und im Norden der Niederlande anzugreifen. Die Deutschen kämpften in diesem Moment noch immer weiter und feuerten V1- und V2-Raketen ab, die bis nach Antwerpen gelangten. In den vier Wochen darauf wurde fast der ganze Osten der Niederlande befreit. Zugleich rückten andere alliierte Truppen bereits weit innerhalb Deutschlands vor.

    Am 24. April wird das Lager Westerbork ein Internierungslager für Mitglieder von NSB, SS und andere Kollaborateure.

    „Baby-cages“

    August 1945 Attichy, Frankrijk

    In einem Kriegsgefangenenlager im nordfranzösischen Attichy versuchen die Alliierten, ehemalige Mitglieder der Hitlerjugend umzuerziehen. Viele dieser Jugendlichen haben in den letzten Kriegsmonaten im „Volkssturm“ gegen die Alliierten gekämpft. Der Bereich, in dem sie untergebracht sind, wird „Baby-cages“ genannt. 7000 12- bis 17-jährige Jungen bekommen Unterricht in Demokratie und sollen sich von Hitler lossagen.

    Nachdem der Krieg vorbei ist, wollen die Alliierten alle Einflüsse des Nationalsozialismus beseitigen. Dieser Prozess wird als Entnazifizierung bezeichnet. Deutschland war zwölf Jahre lang eine Diktatur und soll nun eine Demokratie werden. Die Alliierten verbieten Nazi-Zeitungen, -Bücher und -Filme und Nazi-Organisationen wie die SS und die Hitlerjugend. Außerdem zeigen die Alliierten in den Kinos eine neue Wochenschau: „Welt im Film“ mit Nachrichten über den Wiederaufbau Europas.

    Deutschland wird aufgeteilt

    17. Juli 1945 Potsdam

    Am 17. Juli 1945 beginnt die Potsdamer Konferenz. Die drei Teilnehmer sind die Sowjetunion, die USA und das Vereinigte Königreich, die wichtigsten alliierten Länder. Auf der Konferenz besprechen sie die Zukunft des soeben besiegten Deutschlands.

    Die Alliierten wollen es nicht so machen wie beim Friedensvertrag von Versailles. Dessen strenge Bedingungen waren eine der Ursachen für den Aufstieg der Nazis. Trotzdem muss sich Deutschland ändern. Alle Nazi-Einflüsse sollen verschwinden, das Land soll demokratisch werden. Deutschland muss auch Kriegsschäden ersetzen. Ein Teil seiner Fabriken wird demontiert und in die Sowjetunion gebracht.

    Nach dem gemeinsamen Sieg über den Feind rücken die Unterschiede zwischen der Sowjetunion und den westlichen Großmächten wieder mehr in den Vordergrund. Beide Lager haben andere Pläne mit „ihrem“ Teil Deutschlands. Stalin will ein kommunistisches Regime in Deutschland, während die Westmächte ein demokratisches Land wollen.

    Nachdem am 23. Mai 1949 von den Westalliierten die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, wird am 7. Oktober in Ostdeutschland die Deutsche Demokratische Republik ausgerufen.

    Rauter wird zum Tode verurteilt

    3. Mai 1948 Den Haag

    Am 1. April 1948 beginnt der Prozess gegen Hanns Albin Rauter. Nach einem Monat wird er zum Tode verurteilt, hauptsächlich wegen seiner Verantwortung für die Deportation von 110.000 niederländischen Jüdinnen und Juden. Er behauptet, von ihrer geplanten Ermordung nicht gewusst zu haben, doch das stimmt nicht. Am 25. März 1949 wird Rauter von einem Exekutionskommando auf der Waalsdorpervlakte in den Dünen bei Scheveningen erschossen. Während der Besatzungszeit hatten die Deutschen an diesem Ort niederländische Widerstandskämpfer hingerichtet.

    Der aus Österreich stammende Nazi Rauter war der höchste SS-Mann in den Niederlanden. Als „Generalkommissar für das Sicherheitswesen“ war er für die öffentliche Ordnung in den Niederlanden verantwortlich. Er hatte den Befehl über die Polizei und war für die Deportation der niederländischen Juden verantwortlich. Auch bei der brutalen Unterdrückung des Widerstandes spielte er eine große Rolle.

    In der Nacht vom 6. auf den 7. März 1945 wurde Rauter bei einem Anschlag von Widerstandskämpfern schwer verletzt. Einen Tag später exekutierten die Deutschen als Vergeltung 263 politische Gefangene. Bei Kriegsende befand sich Rauter noch zur Genesung in einem deutschen Krankenhaus. Hier verhafteten ihn die Briten. 1946 wurde er an die Niederlande ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt.

    Prozess gegen Ex-Nazi Hans Globke

    1. Juli 1963 Ostberlin, DDR

    1963 beginnt in der DDR ein Prozess gegen Hans Globke, den Chef des Bundeskanzleramts der BRD. Globke arbeitete in den dreißiger Jahren als Jurist an der Ausarbeitung von Gesetzen, die Hitler mehr Macht gaben und jüdische Deutsche diskriminierten. Er war 1935 an der Erstellung der Nürnberger Rassengesetze beteiligt, die aus den Juden in Deutschlands offiziell Bürger zweiten Ranges machte.

    In diesem Prozess wird Globke für schuldig erklärt und in Abwesenheit zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Da er nicht in der DDR lebt und die BRD den Prozess nicht anerkennt, wird er nicht ausgeliefert und bleibt Staatssekretär und Berater von Bundeskanzler Konrad Adenauer.

    Globke war nie Mitglied der NSDAP. Er behauptet, in einer Widerstandsgruppe gewesen zu sein und mit seiner Mitwirkung an den Nürnberger Gesetzen „Schlimmeres verhütet“ zu haben. Das ist zu bezweifeln, doch er wurde kurz nach dem Krieg nicht verurteilt. Wie viele andere Beamte aus der Nazizeit einschließlich ehemaliger Nazis und Mitläufer war er nach dem Krieg im Dienst der neuen deutschen Regierung. Deutschland benötigte nämlich erfahrene Beamte. Doch aus diesem Grund wurden Naziverbrechen nicht immer verfolgt. Globke machte schnell Karriere in der neuen Bonner Regierung. Zum Zeitpunkt des Prozesses ist er Staatssekretär und Kanzleramtschef, und er ist für die Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst zuständig.

    Der Prozess, den die DDR gegen Globke führt, ist ein Schauprozess. Die DDR-Regierung will die BRD-Regierung in Verlegenheit bringen. So kann sie zeigen, dass die DDR das „antifaschistische“ Deutschland repräsentiert, während in Westdeutschland Nazis in der Regierung sitzen. In Wirklichkeit sind jedoch auch in Ostdeutschland ehemalige Nazis auf manche Positionen in der Regierung, im Bildungswesen und im Geheimdienst zurückgekehrt.

    Auschwitz wird befreit: Otto Frank ist frei

    27. Januar 1945 Auschwitz

    Am 17. Januar gibt die Lagerleitung den Befehl zur Räumung von Auschwitz, Auschwitz-Birkenau, Monowitz und der Außenlager. Die SS will die Spuren ihrer Verbrechen an diesen Orten beseitigen. Die Rote Armee hat fünf Tage zuvor die deutschen Linien durchbrochen und rückt immer näher.

    Etwa 56.000 Gefangene werden zu einem Fußmarsch gezwungen, bis sie mit einem Zug oder LKW in ein Lager in Deutschland gebracht werden können. Peter van Pels ist einer von ihnen. In völlig unzureichender Kleidung laufen sie Dutzende bis Hunderte Kilometer in der Kälte durch den Schnee. Wer zu schwach ist, wird unterwegs ermordet. Die Kranken bleiben im Lager zurück.

    Die SS reißt Teile von Auschwitz-Birkenau ab. Sie sprengen Krematorien in die Luft und reißen Baracken ab. Fliehende SS-Leute nehmen Sachen mit, die sie Gefangenen gestohlen haben, das meiste lassen sie jedoch zurück und verbrennen es. Teile der Verwaltungsunterlagen nehmen sie mit, doch viele Dokumente verbrennen sie in den letzten Tagen des Lagers.

    Otto Frank und andere Kranke sollen erschossen werden, doch da das Erschießungskommando weggerufen wird, entgeht er dem Tod. Die SS-Leute brechen hastig auf, und am 20. oder 21. Januar wird das Lager fast nicht mehr bewacht. Ungefähr 8000 Gefangene bleiben zurück. Sie müssen selbst für ihr Essen sorgen und versuchen, sich vor dem Erfrieren zu schützen.

    Otto Frank ist bereits seit November 1944 in der Krankenbaracke. Das ist seine Rettung. Er brauchte keine Schwerstarbeit mehr zu leisten, wurde nicht mehr misshandelt und ist vor der Kälte geschützt. Peter van Pels bringt ihm zusätzliche Lebensmittel.

    Peter van Pels wurde mitgeschickt auf den Todesmarsch. Er kommt im KZ Mauthausen an und wird in das Außenlager Melk geschickt, wo er Monate später stirbt, vermutlich am 10. Mai 1945.

    Die Rote Armee erreicht das Lager um die Mittagszeit des 27. Januar, zieht jedoch rasch weiter. Soldaten geben aus Mitleid ihre Rationen den ausgehungerten, kranken Gefangenen, doch als die plötzlich viel essen, werden sie noch kränker und sterben, weil ihr Körper die Nahrung nicht verarbeiten kann. Als Erstes wird ein Feldlazarett errichtet, und kurz darauf errichtet das polnische Rote Kreuz ein Krankenhaus. Journalisten besuchen das Lager und machen Fotos und Filmaufnahmen.

    Otto Frank wird im Lager gepflegt und wird langsam gesund. Nach drei Wochen kann er zum ersten Mal nach draußen gehen. Er verlässt Auschwitz am 5. März. Seine nächste Station ist das 35 km entfernte Katowice. Von dort aus wird er die Heimreise antreten.

    Überlebende kehren aus Konzentrationslagern zurück

    Juni 1945 Amsterdam

    Erna van Witsen-Weinberg wurde am 3. Mai 1945 im Konzentrationslager Neustadt-Glewe befreit. Ende Juni 1945 kommt sie in Amsterdam an. Sie wird in das Portugiesisch-Jüdische Krankenhaus aufgenommen. Erna ist eine der rund 5000 Jüdinnen und Juden, die aus den Konzentrationslagern in die Niederlande zurückkehren. Ihr Mann wurde in Auschwitz ermordet.

    Die jüdischen Niederländer*innen müssen versuchen, wieder in ihr Leben zurückzufinden. Das ist sehr schwer. Viele sind noch krank oder verletzt und durch die Zeit im Konzentrationslager schwer traumatisiert. Die meisten ihrer Angehörigen wurden oft ermordet oder sie wissen nicht, was mit ihnen geschehen ist.

    Der Empfang in den Niederlanden ist oft frostig. Manche Häuser wurden abgerissen oder andere Menschen leben nun in den Wohnungen. Manche nichtjüdischen Niederländer*innen freuen sich nicht darüber, dass die zurückgekehrten Jüdinnen und Juden ihren alten Arbeitsplatz oder Gegenstände, die sie anderen zur Aufbewahrung gegeben hatten, zurückhaben möchten. Die nichtjüdische Bevölkerung interessiert sich kaum für das Leid der Zurückgekehrten und hat selbst auch gelitten, vor allem im Hungerwinter. Niederländische Behörden verlangen von zurückgekehrten Juden sogar Geldbußen für nicht gezahlte Steuern, die diese nicht bezahlen konnten, weil sie deportiert worden waren. Erst in den sechziger Jahren erfährt das Schicksal der Jüdinnen und Juden mehr Anerkennung.